Individualprävention in der Berufsdermatologie – ein Update

In Deutschland sind beruflich bedingte Hauterkrankungen im Sinne der BK-Nr. 5101, zu denen vor allem Kontaktekzeme der Hände gehören, eine häufig angezeigte Berufskrankheit. Etablierte Präventionsstrategien werden im „Hautarztverfahren“ umgesetzt und wissenschaftlich fundiert weiterentwickelt. Der Beitrag beleuchtet das Gesamtkonzept und aktuelle Entwicklungen.

Die Individualprävention von beruflich bedingten Hautkrankheiten zielt darauf ab, das Risiko der Entstehung einer beruflich bedingten Hauterkrankung zu vermindern oder deren Folgen durch frühzeitige rehabilitative Maßnahmen zu verringern. Diese Maßnahmen wurden bereits in einem früheren Artikel beschrieben (siehe auch Tabelle 1).[1]

Gezielte Primärprävention beginnt bereits bei gesunden Versicherten. Dabei soll die Entstehung von Hautkrankheiten verhindert werden. Dies gilt insbesondere für Beschäftigte, die in Risikoberufen tätig sind. Neben der Gewährleistung der gesetzlichen Rahmenbedingungen werden arbeitsplatzbezogene Maßnahmen für ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld gemäß „STOP“-Prinzip (siehe Tabelle 2) bewertet und optimiert. Schulungs- und Aufklärungsprogramme sind ebenfalls von großer Bedeutung. Hier werden Beschäftigte über berufliche Hautgefahren und geeignete Hautschutzmaßnahmen informiert. Dies ist besonders wichtig für Auszubildende und Beschäftigte in Risikoberufen.

Tabelle 1: Formen der Prävention bei berufsbedingten Hauterkrankungen | © Brans & Skudlik, 2019
Tabelle 1: Formen der Prävention bei berufsbedingten Hauterkrankungen ©Brans & Skudlik, 2019

Das Frühmeldeverfahren und „Verfahren Haut“

Besteht der Verdacht auf eine berufsbedingte Hauterkrankung, müssen alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um einer Verschlimmerung und Chronifizierung vorzubeugen. Entscheidend sind dabei eine frühzeitige Diagnose und Behandlung. Um rechtzeitig Präventionsmaßnahmen einleiten zu können, wurde mit der Ärzteschaft ein Frühmeldeverfahren vereinbart, das sogenannte „Hautarztverfahren“. Dieses ist komplementär zum verwaltungsseitigen „Verfahren Haut“, in dem nach ärztlicher Meldung der Erkrankung vom zuständigen Unfallversicherungsträger bedarfsabhängige individualpräventive Maßnahmen eingeleitet werden. Viele der Maßnahmen wurden wissenschaftlich evaluiert und werden bundesweit erfolgreich eingesetzt (Tabelle 1). Für eine frühzeitige Einleitung des Verfahrens ist es wichtig, dass sowohl Betriebsärztinnen und Betriebsärzte als auch behandelnde Hautärztinnen und Hautärzte einbezogen werden.

Seminare zur Individualprävention werden insbesondere von den Unfallversicherungsträgern angeboten. Diese umfassen gesundheitspädagogische Interventionen, die Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen sowie berufsdermatologische Untersuchungen und Beratungen.[2] Solche Seminare sind besonders effektiv, da sie branchenspezifisch konzipiert sind und das Lernen mit unterschiedlichen Medien und Lernkonzepten sowie partizipative Elemente beinhalten. Frühzeitige und gezielte Schulungen erhöhen das Krankheitsverständnis der Betroffenen und fördern die Motivation zur Umsetzung der angebotenen Präventionsmaßnahmen. Durch die Verbesserung des Arbeits- und Hautschutzverhaltens können diese Maßnahmen dazu beitragen, das Wiederauftreten oder die Verschlimmerung bestehender beruflich bedingter Hautkrankheiten zu verhindern. Präventionsdienste, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie spezialisierte berufsdermatologische Zentren können bei der Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen unterstützen.

Mit dem Fokus auf schwere beruflich bedingte Hauterkrankungen wurde eine modifizierte stationäre Heilbehandlung nach dem „Osnabrücker Modell“ – bekannt als tertiäre Individualprävention (TIP) – entwickelt.[3][4][5] Eine stationäre Heilbehandlung dauert in der Regel drei Wochen. Sie umfasst dermatologische Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen sowie gesundheitspädagogische Einzel- und Gruppenseminare. Weiterhin gehören gesundheitspsychologische Schulungen, Entspannungseinheiten und ergotherapeutische Übungen an einem Arbeitsplatzsimulationsmodell mit optimiertem Hautschutz zu diesem Heilverfahren.[6] Zusätzlich werden „BG-Sprechstunden“ mit Sozialversicherungsfachleuten angeboten. An den stationären Aufenthalt schließt sich eine weitere dreiwöchige Arbeitskarenzphase an, sodass die versicherte Person erst nach insgesamt sechs Wochen die Tätigkeit wieder aufnimmt. In dieser Zeit kann sich der Hautzustand unter Fortführung ambulanter rehabilitativer Maßnahmen weiter stabilisieren. Zusätzlich zur Behandlung schwerer Dermatosen und der Vorbeugung von Berufskrankheiten können auch die Milderung der Folgen einer anerkannten Berufskrankheit sowie Wiederholungsmaßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und Sicherung des Arbeitsplatzes als Indikationen für eine TIP-Maßnahme in Betracht gezogen werden.

Darüber hinaus liefern die Maßnahmen wertvolle Erkenntnisse zu pathophysiologischen Zusammenhängen und zur Abgrenzung von außerberuflichen Differenzialdiagnosen.

Stärkung der Rolle von Betriebsärztinnen und Betriebsärzten

Die Neufassung des § 9 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) VII hat die Aufklärungs- und Beratungspflichten der Unfallversicherungsträger bei Berufskrankheiten neu definiert.[7] Betriebsärztinnen und Betriebsärzte können durch ihre detaillierte Kenntnis der betrieblichen Abläufe eine wertvolle Unterstützung bei der Umsetzung dieser Pflichten bieten. Daher sollten sie in geeigneten Fällen von den Unfallversicherungsträgern frühzeitig in das Verfahren einbezogen werden. Zur Optimierung dieses multimodalen Ansatzes ist es wichtig, dass die Betriebsärztinnen und Betriebsärzte Rückmeldungen über die Versicherten erhalten, zum Beispiel zu Hautarztbesuchen oder der Einleitung von Individualpräventionsmaßnahmen. Dabei sollten die Betriebsärztinnen und Betriebsärzte idealerweise in den Prozess der Umsetzung individualpräventiver Maßnahmen im Betrieb einbezogen werden. Aufgrund ihrer fachlichen Expertise sollten sie bereits im Rahmen der allgemeinen Prävention Betriebe bei der Gefährdungsbeurteilung beraten, um zum Beispiel festzustellen, ob eine Hautgefährdung besteht. Mit ihrem Fachwissen können sie zudem die Unfallversicherungsträger bei der Aufklärung und Beratung gemäß § 9 Abs. 4 SGB VII als „Fachleute vor Ort“ unterstützen.

Meldungen BK-Nr. 5101 rückläufig – Ursachen und Lösungen

Für die Berufskrankheit BK-Nr. 5101 ist ein deutlicher Rückgang der BK-Verdachtsmeldungen zu verzeichnen (siehe Abbildung 1). Dies ist zum einen im Kontext der erfolgreich etablierten Präventionsmaßnahmen zu sehen. Zum anderen wird aber auch vermutet, dass Faktoren wie die geringere Verfügbarkeit von Dermatologen und Dermatologinnen sowie die erhöhte Komplexität der Meldeverfahren eine Rolle spielen.[8] Daher sollten weitere Optimierungen auch des Verwaltungsverfahrens, wie beispielsweise die Vereinfachung des Meldeverfahrens, sowie der Einsatz verbesserter digitaler Hilfsmittel und zukünftig auch künstlicher Intelligenz geprüft werden. Außerdem sind gesundheitspolitische Maßnahmen wie die Verbesserung der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten mit Schwerpunkt Berufsdermatologie sowie die Stärkung spezialisierter dermatologischer Zentren sinnvoll.

Abbildung 1: Darstellung der Anzahl der Verdachtsmeldungen einer BK 5101 von 2010 bis 2023 | © DGUV / Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 1: Darstellung der Anzahl der Verdachtsmeldungen einer BK 5101 von 2010 bis 2023 ©DGUV / Grafik: kleonstudio.com

Neue TRGS 401 unterstützt Unternehmen

Gemäß Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sind Arbeitgebende verpflichtet, Arbeitsbedingungen zu bewerten, um geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten. Zur Unterstützung der Prävention wurde die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 401 „Gefährdung durch Hautkontakt, Ermittlung – Beurteilung – Maßnahmen“ erarbeitet und zuletzt im Jahr 2022 aktualisiert.[9] Diese TRGS definiert unter anderem den Begriff der Feuchtarbeit neu und bietet Empfehlungen zur Beurteilung und zum Schutz vor Gefährdungen durch Hautkontakt mit Gefahrstoffen. Dabei wurden insbesondere der Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten, die Belastung der Haut durch das Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen (fHS) sowie die Wechselwirkungen bei Mischexpositionen beim Händewaschen, Flüssigkeitskontakt und Tragen von fHS neu bewertet.[10] Ein wesentlicher Bestandteil ist die Umsetzung individueller Hautschutzmaßnahmen, einschließlich des Tragens von Schutzhandschuhen und -kleidung durch die Beschäftigten, sowie die Organisation arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen. Eine Expertengruppe hat kürzlich häufige Fragen und Praxisprobleme zur TRGS 401 aus arbeitsmedizinischer und wissenschaftlicher Perspektive kommentiert.[11]

Wissenschaftliche Leitlinien als Entscheidungshilfe

Eine wissenschaftliche Grundlage zur Unterstützung der Prävention stellt die Leitlinie „Berufliche Hautmittel: Hautschutz, Hautpflege und Hautreinigung“[12] dar, die zurzeit aktualisiert wird. Als S2k-Leitlinie enthält sie konsensbasierte Empfehlungen, die von einer fachlich repräsentativen Kommission erarbeitet und in einem strukturierten Konsensverfahren abgestimmt wurden. Die Leitlinie soll eine evidenzbasierte Entscheidungshilfe für den Einsatz von beruflichen Hautmitteln am Arbeitsplatz bieten. In der aktualisierten Fassung werden neue epidemiologische Studien berücksichtigt, die den Nutzen von Hautschutz und Hautpflege bewerten. Bei bereits erkrankten Versicherten sollten die Diagnostik und Therapie der Dermatosen entsprechend den aktualisierten Leitlinien zum Handekzem beziehungsweise Kontaktekzem erfolgen.[13][14]

Tabelle 2: Die Rangfolge der Schutzmaßnahmen in der Berufsdermatologie – das sogenannte STOP-Prinzip | © DGUV
Tabelle 2: Die Rangfolge der Schutzmaßnahmen in der Berufsdermatologie – das sogenannte STOP-Prinzip ©DGUV

Schlussfolgerung

Maßnahmen der Individualprävention sind geeignete Verfahren, um der Gefahr des Entstehens, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung berufsbedingter Hauterkrankungen entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck wurde unter anderem das „Verfahren Haut“ entwickelt. Es stellt mittlerweile ein etabliertes und koordiniertes Vorgehen dar, um die Häufigkeit und die Schwere berufsbedingter Hauterkrankungen zu reduzieren. Die neue TRGS 401 und die in Kürze erscheinende Aktualisierung der Leitlinie „Berufliche Hautmittel“ unterstützen die Prävention. Dennoch muss das Verfahren kontinuierlich verbessert werden, um den Herausforderungen wie der rückläufigen Zahl von Verdachtsanzeigen zu begegnen. Dabei spielt die enge Zusammenarbeit zwischen Unfallversicherungsträgern, Betriebsärztinnen und Betriebsärzten sowie Hautärztinnen und Hautärzten eine entscheidende Rolle. 

Danksagung: Die Autoren danken Frau Schneider vom Referat Statistik der DGUV für die Bereitstellung der erforderlichen BK-Statistiken.