Aus Krisen lernen: Digitalisierung von Veranstaltungen bei DGUV Congress
Die weltweite Corona-Pandemie hat der Digitalisierung von Veranstaltungen einen enormen Schub gegeben. Tools und Plattformen schossen aus dem Boden und haben sich etabliert. DGUV Congress hat sich den digitalen Herausforderungen gestellt und schöpft nun aus einem großen Erfahrungsschatz.
Seit mittlerweile anderthalb Jahren bestimmt ein Virus den Rhythmus und Takt im Bereich Veranstaltungen und Events. Nachdem im Frühjahr 2020 notgedrungen Großveranstaltungen, Messen und Konferenzen abgesagt werden mussten, begann eine bundesweite Experimentierphase mit Online- oder hybriden Veranstaltungsformaten. Auch für den Seminar- und Veranstaltungsbetrieb am Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) in Dresden wirkte der Beginn der Corona-Pandemie wie eine Vollbremsung bei Höchstgeschwindigkeit.
Nach einer kurzen Phase der Irritation war eine Neuausrichtung bewährter Strategien und Lösungen für die Planung und Durchführung von Veranstaltungen bei DGUV Congress, dem Tagungszentrum des IAG, nötig. Um auf die veränderten Anforderungen und Bedürfnisse der Veranstalterinnen und Veranstalter der Unfallversicherungsträger und deren Zielgruppen zu reagieren, wurden in kürzester Zeit pragmatische Online-Formate entwickelt. Sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen des digitalen Raums für Information, Kommunikation, Austausch und Netzwerken kamen sofort unter realen Bedingungen zum Einsatz. Eine Erprobungsphase gab es nicht.
Die Bereitschaft aller Beteiligten, mit DGUV Congress bislang unbekannte Formate, Methoden und digitale Tools zu testen, war das Fundament dieser Weiterentwicklung. In den vergangenen Monaten stieg die Lernkurve in der Konzeption und Durchführung von Online- und Hybrid-Veranstaltungen exponentiell an. Eine rasante Entwicklung, die in der gesamten Veranstaltungsbranche beobachtet werden kann. Die Corona-Krise bewirkte einen tiefgehenden Wandel im Event- und Veranstaltungsbereich. Die neuen Erfahrungen mit Online- oder hybriden Formaten werden künftige Veranstaltungen maßgeblich beeinflussen.
Welche Tendenzen und Trends zeichnen sich nun nach dieser Zeit mit Online- und Hybrid-Formaten ab? Faktoren, die maßgeblich über den Erfolg von Veranstaltungen entscheiden – und zwar für Online-, Hybrid- und Vor-Ort-Formate gleichermaßen – sind:
- Partizipation und Autonomie der Teilnehmenden
- Timing und Dramaturgie der Veranstaltung
- Aktualität und Relevanz des Themas
- Aktivierung aller Sinne
- Netzwerken und persönlicher Dialog
- Zielorientierte Inhalte mit Mehrwert
Belege hierfür finden sich unter anderem in den Ergebnissen der dritten Phase der Studie „Future Meeting Space“ des GCB German Convention Bureau[1] sowie in Veröffentlichungen namhafter Event-Agenturen wie VOK DAMS[2]. Die Erkenntnisse daraus decken sich mit den Erfahrungen, die DGUV Congress gemeinsam mit den Veranstalterinnen und Veranstaltern aus der Welt der Unfallversicherungsträger in den vergangenen Monaten sammeln durfte.
Partizipation und Autonomie
Teilhabe und Selbstbestimmung der Teilnehmenden bei Veranstaltungen werden künftig eine noch größere Rolle spielen, als es bisher der Fall war. Der Wunsch nach Mitgestaltung und Autonomie muss demnach in der Konzeption einer Online- oder Hybrid-Veranstaltung noch stärker berücksichtigt werden. Die Teilnehmenden wollen über Inhalte, Referierende und andere Programmpunkte mitbe- und abstimmen. Während der Veranstaltung erwarten sie, die für sie relevanten Themen und Programmpunkte selbst auswählen und freiwillig an Interaktion und Vernetzung teilnehmen zu können. Die Integration von Feedback und Fragerunden im laufenden Programm, die den Ablauf der Veranstaltung gegebenenfalls beeinflussen, ist ebenfalls eine geeignete Methode für mehr Mitbestimmung durch das Publikum. Ziel sollte es sein, eine interaktive Veranstaltung zu schaffen, in der gemeinsam gelernt und Inhalte kreiert werden.
Ein gelungenes Beispiel für Partizipation, Interaktion und Autonomie im digitalen Raum sind die IAG-Online-Learning-Tage, die am 11. und 12. Februar 2021 im Format eines Online-Barcamps gestaltet wurden. Insgesamt 350 Personen waren angemeldet, bis zu 200 Teilnehmende waren gleichzeitig online. In acht Durchgängen konnten die Gäste spontan aus bis zu sechs parallelen Sessions von insgesamt 45 Fachforen wählen und sich entsprechend ihren individuellen Interessen informieren und austauschen.
Typische Aktivitäten einer physischen Veranstaltung vor Ort, wie die Kontaktpflege durch persönliche Gespräche in den Kaffeepausen, wurden durch ein Netzwerk-Tool umgesetzt. Aktivierungspausen mit Bewegungsübungen und ein Stammtisch am Abend vervollständigten den informellen Teil dieser digitalen Veranstaltung.
Timing und Dramaturgie
In Online-Formaten ist die Aufmerksamkeitsspanne der Teilnehmenden wesentlich kürzer und die Gefahr der Ablenkung relativ hoch. Während die soziale Anbindung und Kontrolle entfallen, konkurrieren Online-Veranstaltungen mit einer Reihe anderer attraktiver Tätigkeiten. In der Dramaturgie sind deshalb die ersten 15 Minuten der Veranstaltung entscheidend: Erkennen die Teilnehmenden in dieser Zeit keinen Mehrwert für sich, besteht die Gefahr, dass sie sich anderen Aktivitäten zuwenden oder im ungünstigsten Fall die Veranstaltung per Klick verlassen („Drop-out“). Von Beginn an zählen emotionales Involvement, Relevanz der Inhalte und ein gut abgestimmter Spannungsbogen.
Online-Formate mit fachlichem Schwerpunkt finden idealerweise am Vormittag statt und sind auf maximal vier Stunden begrenzt. Pausen und Interaktion spielen eine noch wichtigere Rolle. Die Dauer einzelner Programmpunkte sollte jeweils 30 bis 45 Minuten betragen. Bei reinen Informationsveranstaltungen ist eine Unterbrechung nach drei Vorträgen zu empfehlen. Pausen können für informelles Netzwerken genutzt werden. Zudem ist mindestens eine „Bio-Pause“ einzuplanen, die die Teilnehmenden abseits des Bildschirms verbringen können.
Aktualität und Relevanz
Veranstaltungen zu tagesaktuellen Themen haben an Bedeutung gewonnen. Teilnehmende nehmen gern technische oder organisatorische Einschränkungen zugunsten der Aktualität und Relevanz der Inhalte in Kauf. Regelmäßige, dafür kürzere Online-Veranstaltungsformate („Loops“), die schnelle fachliche Entwicklungen und neueste Erkenntnisse abbilden, sowie die Möglichkeit der kurzfristigen Anmeldung sind zukunftsweisend.[3]
DGUV Congress hat diese Entwicklung erkannt und mit dem Online-NetzwerkstattTreffen eine Veranstaltungsreihe für die Zielgruppe der Veranstalterinnen und Veranstalter der DGUV und der Unfallversicherungsträger ins Leben gerufen. Der Fokus liegt auf dem Aufbau einer Community. Kompetenzentwicklung und Fortschritt werden über den Austausch zu aktuellen Erfahrungen, Projekten und Trends aus der Veranstaltungsbranche ermöglicht. Vor der Corona-Krise gab es bereits zweitägige Netzwerkstatt-Veranstaltungen in Dresden vor Ort im Turnus von anderthalb Jahren. Während der Pandemie hat sich ein kurzweiligeres Online-Format für einen Vormittag etwa alle vier Monate etabliert.
Mittlerweile fanden drei Online-NetzwerkstattTreffen statt. Die Community konnte bei diesen digitalen Treffen ihre Erfahrungen mit Online- und Hybrid-Formaten teilen und sich unter anderem über Tools, Methoden und Moderationstechniken austauschen. Das Programm basiert stets auf dem Input an Themen durch die Teilnehmenden. Das nächste Online-NetzwerkstattTreffen findet am 6. Oktober 2021 statt.
Aktivierung aller Sinne
Multisensualität, die Ansprache aller Sinnesorgane auf Veranstaltungen, kann jenen magischen Moment schaffen, der es so attraktiv macht, eine Veranstaltung vor Ort zu besuchen. Auch für Online-Formate lohnt es sich, neben der visuellen und akustischen Wahrnehmung am Display, weitere Sinne anzusprechen. Zum Beispiel: vorab zugesandte Carepakete „gemeinsam“ auspacken, das Gleiche riechen und schmecken und das Wahrgenommene miteinander teilen; oder ein auf Papier gedrucktes Programm oder Booklet in der Hand halten und blättern. Multisensorische Momente schaffen eine emotionale Nähe unter den Teilnehmenden und zur Veranstaltung. Auch bereits bekannte optische Elemente aus bisher erlebten Veranstaltungen vor Ort können eine gewisse Vertrautheit und das Sinnesgedächtnis bei den Teilnehmenden wecken.
Eine Veranstaltung, bei der solche visuellen Elemente eingesetzt wurden, ist das Online-Forum Prävention vom 17. Februar 2021. Die Gäste konnten diese erstmals digital ausgerichtete Veranstaltung über eine interaktive Plattform betreten, die optisch das Tagungszentrum des IAG abbildete. So entstand der Eindruck, dass man das vertraute Gebäude betritt und – wie vor Ort auch – durch die Kolleginnen und Kollegen am Empfang begrüßt wird. Von dort führten Links in die virtuellen Workshop- und Pausenräume. Diese grafische Besucherführung vermittelte den Gästen ein Gefühl des Angekommenseins.
Netzwerken und persönlicher Dialog
Ein zentrales Motiv, Veranstaltungen physisch zu besuchen, liegt im (informellen) Austausch und Netzwerken mit anderen Teilnehmenden. Auch online ist dieser Dialog unter den Veranstaltungsgästen möglich und sollte angeregt werden. Für die Live-Interaktion und Kommunikation im digitalen Raum gibt es beispielsweise Netzwerk-Tools, in denen ein eigener Avatar durch einen virtuellen Raum geführt wird. Durch die spielerische Begegnung mit anderen Personen werden kleine Videokonferenzen gestartet. Ein über Algorithmen gesteuertes Vernetzen ist über sogenannte Matchmaking-Tools möglich. Dabei tragen die Nutzenden im Vorfeld eine Reihe von Daten ein, worüber im Anschluss möglichst passende Gesprächspartner und -partnerinnen gefunden werden. Auch die Kontaktanbahnung via digitale Pinnwand á la „Suche und Finde“ bietet kreative Lösungen. Weitere Dialogvarianten sind der Austausch über einen Chat oder über extra dafür eingerichtete Webkonferenzräume für die virtuelle Kaffeepause. Möglichkeiten für den informellen Austausch sollten vor, während und nach einer Veranstaltung angeboten werden.
Inhalte mit Mehrwert
Den eigentlichen Inhalten kommt online eine noch viel größere Bedeutung zu als ohnehin bereits in physischen Formaten. Sie sind der Erfolgsfaktor einer Veranstaltung. Die Inhalte sollten die Erwartungen und Anforderungen der Zielgruppe erfüllen und ihnen Relevanz und Mehrwert bieten. Eine klare Definition der Ziele und Zielgruppen sowie die inhaltliche Ausrichtung daran stehen somit am Anfang einer jeden Veranstaltungskonzeption. Dies gilt übrigens nicht nur für Online- oder Hybrid-Formate. Darauf baut die gesamte Planung einer Veranstaltung auf – von der Dramaturgie bis hin zur Auswahl dafür geeigneter digitaler Tools und Methoden. Alles dient dem Veranstaltungsziel und den Bedürfnissen der Teilnehmenden.
Viele der oben beschriebenen Punkte wurden und werden von Veranstalterinnen und Veranstaltern bereits intuitiv in physischen und nun auch immer mehr in Online- und Hybrid-Formaten umgesetzt. Der bewusste Einsatz dieser erfolgsrelevanten Faktoren kann einen echten und entscheidenden Mehrwert schaffen und der Veranstaltung Authentizität verleihen – gerade jetzt, wo das Angebot an digitalen Formaten groß und die zeitlichen Ressourcen der Veranstaltungsgäste knapp sind.
4. Online-NetzwerkstattTreffen
Das 4. Online-NetzwerkstattTreffen für Veranstalterinnen und Veranstalter der DGUV und der Unfallversicherungsträger findet am 6. Oktober 2021 statt. Anmeldung unter: netzwerkstatt@dguv.de
Individuelle Tagungskonzeption – online, hybrid und vor Ort
Veranstaltungen von DGUV Congress – physisch oder digital – sollen ein authentisches Erlebnis bieten. Jede Veranstaltung ist individuell konzipiert. In der Phase der Veranstaltungskonzeption werden der thematische Input, die Austausch- und Interaktionsmöglichkeiten sowie Pausen sinnvoll aufeinander abgestimmt. Die anschließende Auswahl geeigneter Methoden und (digitaler) Tools gehört ebenfalls dazu. Seit 2020 ist besonders der Bedarf an Beratungen zu Online- und Hybrid-Veranstaltungsformaten gestiegen.
Als Praxishilfe für die Kolleginnen und Kollegen, die für die DGUV und die Unfallversicherungsträger Veranstaltungen durchführen, entstand aus den in den vergangenen Monaten gesammelten Erfahrungen eine Broschüre zum „Methodeneinsatz in Online-Veranstaltungen“.[4] Das Dokument enthält Ideen und Hinweise für den Einsatz digitaler Methoden und Tools, etwa zu Kleingruppenarbeiten, Diskussionsrunden, Online-Netzwerken, Pausengestaltung oder Feedback- und Fragetechniken.
Des Weiteren ist eine Checkliste für die Planung, Organisation und Durchführung von Online-Veranstaltungen[5] erschienen, die die wichtigsten Meilensteine für die erfolgreiche Konzeption und Umsetzung eines Online-Formates zusammenfasst. Mit konkreten Hinweisen über den zeitlichen Ablauf, zur Erstellung eines Regie- und Moderationsplans oder mit Tipps für Briefings, technische Proben, die Kommunikation mit den Teilnehmenden und die Nachtbereitung bietet das Dokument wertvolles Anwendungswissen für die Veranstaltungskolleginnen und -kollegen.
Wo die Reise hingeht
„Wir können die Zukunft nicht komplett voraussehen, aber wir können unsere Organisationen, Denkweisen, Systeme ,evolutionstauglicher‘ gestalten“, wie Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx schon sagte. Zukünftig wird uns wohl eine Mischung aus Online-, Hybrid- und Vor-Ort-Veranstaltungen begleiten. Welches Format konkret gewählt wird, entscheiden die Inhalte, die Veranstaltungsziele sowie die Bedürfnisse der Zielgruppen.
Bei den Online- und Hybrid-Veranstaltungen sind alle Beteiligten gleichermaßen auf dem spannenden Weg des Lernens und Entdeckens. Es gibt nicht die eine Lösung für eine Veranstaltung und nicht jede Lösung muss perfekt sein. Es lohnt sich aber, gemeinsam mutig voranzuschreiten und gewisse Dinge einfach auszuprobieren!
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Info und Kontakt: www.dguv.de/congress oder dguv-congress@dguv.de