Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

am 21. Juni 1907 wurde dem Apotheker Julius Neubronner aus Kronberg im Taunus ein Patent verliehen. Er hatte eine neue Verwendungsmöglichkeit für die Fotografie gefunden. Neubronner stattete Brieftauben mit einer kleinen Kamera aus, um damit Aufnahmen aus der Luftperspektive zu gewinnen. Bis zu 75 Gramm wogen die Kameras, die den Tauben vor die Brust geschnallt wurden. Wie die Tiere auf dieses frühe Beispiel tragbarer Technik reagierten, ist allerdings nicht überliefert.

Auch wenn „Wearables“ für viele von uns ein Erkennungszeichen der digitalen Zukunft sind, ganz so neu ist der Gedanke, den Körper mit Technik zu verbinden, also nicht. Smartwatches, Datenbrillen oder intelligente Textilien gelten vielen als vielversprechende Hilfsmittel für ihren Alltag oder auch für die Optimierung von Arbeitsprozessen. Sie werden im betrieblichen Alltag auch bereits vielfach genutzt.

Mit Datenbrillen lassen sich erweiterte Arbeitsumgebungen (Augmented Reality) betrachten. Datenhandschuhe werden zu Schulungszwecken oder zur Wissensvermittlung bei der Wartung und Reparatur von Maschinen verwendet. Fitnesstracker und Sensorarmbänder werden im betrieblichen Gesundheitsmanagement genutzt. Auch können verletzte Beschäftigte im Notfall über Wearables Hilfe rufen und geortet werden.

Trotzdem gibt es noch eine Reihe von ungeklärten Fragen bei der Anwendung dieser Technik. Ein GPS-Sender kann für verletzte Alleinarbeiterinnen und Alleinarbeiter eine Lebensversicherung sein, das GPS kann aber auch zu Kontrollzwecken eingesetzt werden. Beschäftigte können sich damit überwacht und unter Druck gesetzt fühlen. Das wird ihre Bereitschaft, Wearables zu nutzen, sicherlich schmälern. Die wichtigen Fragen des Datenschutzes und der Einbindung von Betriebs- und Personalrat sowie Mitarbeitervertretung sollten deshalb vor dem Einsatz von Wearables geklärt und die Beschäftigten frühzeitig in die Anwendung der neuen Technik einbezogen werden.

Auch für den Arbeitsschutz bieten Wearables eine Vielzahl vielversprechender Perspektiven. Bevor sie Realität werden, geht es aber um die Erforschung und Sicherheitsbewertung jeder einzelnen Anwendung. Diese Ausgabe von DGUV Forum gibt einen Einblick in den aktuellen Stand der Diskussion.

Ihr

Dr. Stefan Hussy