Kommunikation im Gesundheitsbereich: Neue Wege in der Versorgung von Patientinnen und Patienten
Kommunikation ist ein bedeutsamer und – wie frühere Studien belegen – für den Erfolg relevanter Aspekt innerhalb der Behandlung von Patientinnen und Patienten. Anhand der Befragung der Klinik Bad Hersfeld konnte ein umfassendes Bild zu deren Wahrnehmung dieser Kommunikationsstrukturen gewonnen werden.
Die Bedeutung der Kommunikation im Gesundheitsbereich
Die Bedeutung der Kommunikation im Gesundheitsbereich hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt.[1] Von Medizinpersonal und Ärzteschaft wird ein Miteinander auf Augenhöhe gefordert, nicht Autorität, sondern Kommunikationspartnerschaft ist die Grundlage. Zumal den Behandelnden durch die Patientenrechte der §§ 630 c bis g weitreichende Informations-, Dokumentations- und Aufklärungspflichten auferlegt sind. Sie sind Dienstleister im medizinischen Versorgungssystem.
Allerdings stehen der Erfüllung der geforderten Kommunikations- und Informationsbedarfe viele verschiedene Faktoren entgegen. Besonders der Zeitdruck aufseiten des medizinischen Fachpersonals und das ökonomische Ziel der Kliniken, wirtschaftlich zu handeln, hemmen die Kommunikation. Aufgrund der Tatsache, dass die Ärzteschaft durch ihre zunehmenden Aufgaben immer weniger Zeit pro behandelter Person hat, muss eine optimale Balance zwischen zeitökonomischer Behandlung und informierten Behandelten geschaffen werden. Ferner müssen sich alle in Kontakt stehenden Leistungserbringenden in ihrer Kommunikation eng abstimmen, um eine möglichst optimale Patientenkommunikation zu erreichen und den Genesungsprozess zu fördern.
Neuer Fokus durch Bundesteilhabegesetz
Mit Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) am 1. Januar 2018 und der daraus resultierenden Neustrukturierung des Sozialgesetzbuches (SGB) IX findet die Relevanz der Kommunikation in der Rehabilitation und Teilhabe einen Weg ins Gesetz. Durch die Verbesserung der patientenorientierten Kommunikation soll die Selbstbestimmung der erkrankten Personen gefördert und die Compliance verbessert werden.
Durch die im Gesetz verankerte Forderung einer Versorgung „mit allen geeigneten Mitteln“ (§ 1 SGB VII) wird auch der Aspekt einer gut funktionierenden Kommunikation in der Heilbehandlung und Rehabilitation von Unfallverletzten in der gesetzlichen Unfallversicherung in Zukunft eine noch bedeutendere Rolle spielen.
Um eine gelungene Kommunikation zu erreichen, ist die interprofessionelle Gesundheitsversorgung in den Kliniken wesentlich. Interprofessionelle Zusammenarbeit ist ein sozialer Prozess, der die Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen im Hinblick auf die Lösung praktischer Probleme beschreibt.[2] In der Patientenversorgung ist dies insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Pflegekräften mit dem Ziel einer schnellen Wiederherstellung der Gesundheit der stationär Behandelten. Ein großer Bestandteil der interprofessionellen Zusammenarbeit ist die Kommunikation und Kooperation zwischen diesen, der Ärzteschaft und dem Pflegepersonal.
Durch die im Gesetz verankerte Forderung einer Versorgung ‚mit allen geeigneten Mitteln‘ (§ 1 SGB VII) wird auch der Aspekt einer gut funktionierenden Kommunikation in der Heilbehandlung und Rehabilitation von Unfallverletzten in der gesetzlichen Unfallversicherung in Zukunft eine noch bedeutendere Rolle spielen.
Forschung zur interprofessionellen Kommunikation im Gesundheitswesen
Die Forschung über die interprofessionelle Kommunikation ist noch relativ jung, hat aber in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und soll in Zukunft weiter ausgebaut werden. Eine im Wintersemester 2018 durchgeführte studentische Pilotstudie von Studierenden der Hochschule der DGUV (HGU) befragte Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Unfallmedizinischen Tagung 2018 in Frankfurt am Main nach der Rolle interprofessioneller Zusammenarbeit bei der Rehabilitation unfallverletzter Personen und kam zu dem Ergebnis, dass die interprofessionelle Kommunikation eine große Bedeutung hat.[3] Darüber hinaus sprechen die Ergebnisse einer Studie dafür, dass die Qualität der Patienten-Arzt-Interaktion in der stationären Rehabilitation für langfristige Behandlungserfolge von Bedeutung ist.[4]
Nun gilt es herauszufinden, wie das Versorgungssystem kommuniziert und wie die Zusammenarbeit der verschiedenen Beteiligten untereinander verbessert werden kann. Denn entscheidend ist die erlebte Kommunikation, also was letztendlich bei den Patientinnen und Patienten ankommt.[5]
Mit Patientinnen und Patienten reden
Die HGU hat in den letzten Semestern immer wieder die Reha-Kommunikation in studentischen Forschungsprojekten untersucht. Während 2018 die Bedeutung interprofessioneller Vernetzung der Leistungserbringenden im Zentrum stand, erfolgte 2019 eine breiter angelegte Befragung von Ärzteschaft, Pflegekräften sowie Patientinnen und Patienten im Klinikum Bad Hersfeld zu Kommunikationsstrukturen, -verhalten und -wünschen.
Schon im Rahmen der Patientenbefragung zum Reha-Management der Unfallversicherungsträger [6] wurde deutlich, dass Rehabilitandinnen und Rehabilitanden die helfend-begleitende Hinwendung durch Reha-Gespräche durchaus gutheißen. Dieses Bild zeigt sich auch im Case-Management der Berufskrankheiten.[7]
Im Rahmen einer stationären Krankheitsbehandlung ist das Kommunikationsnetz zwischen den Beteiligten besonders kritisch.[8] Formal rechtliche Anforderungen wie Behandlungsvertrag, Patientenrechte, Zeitmangel, Komplexität der Materie und bildungskulturelle Differenzen sowie Einbindung in partizipative Entscheidungsfindungen werden als besonders belastend empfunden.[9] So bot sich an, die Beteiligten im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts zu interviewen: Insgesamt wurden 24 stationär Behandelte, zehn Personen aus dem Pflegebereich und acht Personen aus der Ärzteschaft der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Bad Hersfeld befragt. Dies war ein studentisches Forschungsprojekt des Wintersemesters 2019. Das Kommunikationsdreieck der zentral Interagierenden – Patienten-, Arzt- und Pflegeperspektive – stand also im Mittelpunkt (siehe Grafik 1). Aus den Antworten lassen sich einige Erkenntnisse gewinnen, die auch für die Reha-Kommunikation im Versorgungsnetz der gesetzlichen Unfallversicherung Hinweise geben können.
Bestätigung fand die Erkenntnis, dass die weit überwiegende Zahl der Patientinnen und Patienten durchaus einen Kommunikationsbedarf zu ihrem Gesundheitsproblem hat. Der passiv-leidende Konsum einer von ärztlichem Kompetenzmonopol dominierten Gesundheitsdienstleistung war eine deutliche Ausnahme – Patientinnen und Patienten haben Fragen und empfinden Antworten des Medizinpersonals als positiv!
75 Prozent der befragten Patientinnen und Patienten empfanden die Informationsmenge im Kommunikationsbereich „leistungserbringendes Krankenhaus – und Patient“ in der konkreten Behandlungssituation als genau richtig. 12,5 Prozent empfanden sie als etwas zu wenig. Die Informationen wurden von 91,7 Prozent als hilfreich empfunden, 8,3 Prozent sahen das nicht so. Dementsprechend fühlten sich 95,8 Prozent auch gut aufgehoben.
Etwas geringer war die Zahl derer, die sich bei der Entscheidungsfindung voll eingebunden fühlten. Hier zeigt sich, dass das Idealbild der partizipativen Entscheidungsfindung in der Praxis noch manchmal an seine Grenzen stößt. Die partizipative Entscheidungsfindung war bewusst allgemein gehalten worden, sie fragte nach dem „Gefühl, bei wichtigen Entscheidungen im Rahmen des Krankenhausaufenthalts beteiligt zu sein“.
Im Ergebnis bejahten 63,6 Prozent der Befragten die Frage voll (siehe Abbildung 2). Im Umkehrschluss ist so aber auch zu sehen, dass etwa ein Drittel trotz der großen Zufriedenheit mit Informationsmenge und -inhalt Vorbehalte hatte.
Diese Vorbehalte können nicht auf ein entsprechendes Desinteresse oder Informationsangst der Patientinnen und Patienten zurückgeführt werden. Als Informationssuchende („Monitors“) zeigten sich 87 Prozent der Befragten, 13 Prozent können zu den Informationspassiven („Blunters“) gezählt werden. Dies zeigt, dass es sich bei der Arzt-Patient-Kommunikation um eine komplexe Interaktion handelt: Sender und Empfänger von Informationen erleben dasselbe Gesundheitsproblem aus unterschiedlichen Perspektiven und agieren dementsprechend. Dies zeigt sich auch im Informationsverhalten der Ärztinnen, Ärzte und des Pflegepersonals.
Dabei ist bemerkenswert, dass die Ärztinnen und Ärzte in der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten ihre Informationen durchaus bewusst filtern. Hauptgründe dafür waren die Lage der Patientin oder des Patienten und Zeitmangel. Die Fragen der Patientinnen und Patienten wurden von den Ärztinnen und Ärzten nicht immer als „die richtigen“ und zielführend angesehen. Das Pflegepersonal war in dem Zutrauen positiver eingestellt. Bemerkenswert ist, dass trotz Zeitmangels der Ärzteschaft die Informationsmenge von den Patientinnen und Patienten weit überwiegend als „genau richtig“ empfunden wurde.
Dass das Pflegepersonal den Patientinnen und Patienten bei der Weitergabe von Informationen „mehr zutrauten“ als die Ärztinnen und Ärzte, kann zwar auch an unterschiedlichen Frageinhalten liegen – explizit zur Informationsquelle für ihre „medizinischen Fragen“ interviewt, nannten die Patientinnen und Patienten jedoch zu rund zwei Dritteln die Ärzteschaft und zu einem Drittel ihr Pflegepersonal. Das Pflegepersonal nimmt daher – wohl aus Zeitmangel der Ärztinnen und Ärzte – eine wichtige, ergänzende Informationsaufgabe wahr. Es ist möglich, dass eine geringere soziale Distanz zwischen Pflegepersonal sowie Patientinnen und Patienten hier eine Rolle spielt.
Bei der interprofessionellen Kommunikation hat sich gezeigt, dass sich alle Beteiligten als bessere Sender in Richtung ihrer Kolleginnen und Kollegen empfanden, als sie sich von diesen informiert fühlten. Dieser Unterschied zwischen Selbstbild und Fremdbild in der interprofessionellen Kommunikation ist bisher wenig erforscht.
Insgesamt wird deutlich, dass die Kommunikation zwar ein „weicher“, jedoch elementarer Faktor in der medizinischen Leistung ist. Es braucht nicht unbedingt mehr Zeit für Gespräche, sondern eine Kompetenz des guten Zuhörens und empfängerorientierten Sprechens. Manche aus Fürsorge oder Zeitmangel zurückgehaltenen Informationen werden als mangelnde Einbindung in den Entscheidungsprozess ausgelegt. Eine immer wieder geschulte und geübte Kommunikation, feste Kommunikationsregeln und zuwendende Fokussierung auf die Patientin und den Patienten sind die Voraussetzungen dafür, dass Informationen ein Heilmittel werden, das den Patientinnen und Patienten bei der Krankheitsbewältigung hilft.
Das studentische Forschungsprojekt des Wintersemesters 2019 hat trotz der kleinen Stichprobe Hinweise gegeben, welche Kommunikationsinteressen und Strukturen bestehen – selbst wenn die Studie auf das unmittelbare, spezielle Krankenhaussetting zugeschnitten war. Die Ergebnisse können eine Grundlage dafür sein, krankenhausintern Weiterbildungen zu gestalten. Für die gesetzliche Unfallversicherung bestätigt sich, dass es eine gute Kommunikationsphilosophie zwischen allen Beteiligten braucht. Dies gilt im gesamten System von Leistungsträgern/Reha-Managerinnen und Reha-Managern, Leistungsempfangenden/Patientinnen und Patienten sowie Leistungserbringenden/Krankenhauspersonal. Neben einer Grundausrichtung hin zur partizipativen Entscheidungsfindung und professioneller Empathie braucht es eine konzentrierte Hinwendung auf die Sprachwelt der Patientinnen und Patienten und deren Frageperspektive. Dies alles ist nicht mehr Arbeit, sondern eine bessere.
Eine immer wieder geschulte und geübte Kommunikation, feste Kommunikationsregeln und zuwendende Fokussierung auf Patientinnen und Patienten sind die Voraussetzungen dafür, dass Informationen ein Heilmittel werden, das den Patientinnen und Patienten bei der Krankheitsbewältigung hilft.
Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikationsstrukturen
Wenn seitens des medizinischen Personals Informationen zurückgehalten werden, erfolgt dies aufgrund mangelnder Belastbarkeit der Patientinnen und Patienten oder aufgrund von Zeitmangel.
Andererseits ist das „Informiertsein“ ein Fundament für das Kompetenzbild der Behandelnden. Eine mögliche Maßnahme zur Verbesserung der Situation ist die Ausstattung mit elektronischen Endgeräten, die den Zugriff auf die elektronisch angelegten Patientenakten erleichtern. Damit ließe sich sicherstellen, dass das beteiligte medizinische Fachpersonal unabhängig vom Aufenthaltsort jederzeit aktuelle Informationen abrufen kann.
Das Vertrauen aller an der Kommunikation Beteiligten auf gute Informationsflüsse ist ein mitentscheidendes Gut für den Reha-Erfolg. Dabei sollten Einschätzungen, welche Informationen stationär Behandelten sowie Kolleginnen und Kollegen zuzumuten sind, nicht dem individuellen Bauchgefühl und der individuellen Erfahrung überlassen bleiben. Es ist gut, wenn die Informationskriterien geschult und in einem lernenden System immer wieder überprüft werden. Die im Krankenhaus Behandelten bringen dem Personal einen hohen Vertrauensvorschuss entgegen.
Die Patientenperspektive als letztlich entscheidender Qualitätsmaßstab braucht eine gute Kommunikation als Fundament der Behandlung.