COVID-19 als Berufskrankheit und Unfall – Update 2023
Die Daten zum Unfall- und Berufskrankheitengeschehen 2023 liegen vor. Seit Pandemiebeginn ist die Zahl der Meldungen von Berufskrankheiten, Arbeits- und Schulunfällen im Zusammenhang mit COVID-19 erstmals gesunken.
Personen, die infolge ihrer Tätigkeit im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium mit SARS-CoV-2 infiziert werden und deshalb an COVID-19 erkranken, werden unter der Berufskrankheiten-Nummer (BK-Nummer) 3101 erfasst. Gleiches gilt für Personengruppen, die bei ihrer versicherten Tätigkeit der Infektionsgefahr in einem ähnlichen Maße besonders ausgesetzt sind. Für die übrigen Personenkreise kommt eine Anerkennung als Arbeits- oder Schulunfall in Betracht. Eine Anerkennung als Versicherungsfall setzt zudem voraus, dass nach dieser Infektion mindestens geringfügige klinische Symptome auftreten.[1]
Fallzahlen insgesamt
Seit Pandemiebeginn bis Ende 2023 wurden bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand insgesamt 655.305 Meldungen zu Berufskrankheiten und Arbeits- beziehungsweise Schulunfällen in Zusammenhang mit COVID-19 übermittelt, 397.851 dieser Meldungen wurden bisher als Versicherungsfall anerkannt (vgl. Abbildung 1). Bezüglich der Meldungen haben die Berufskrankheiten einen Anteil von 83 Prozent und bezüglich der Anerkennungen von 90 Prozent. Die Arbeitsunfälle haben einen Anteil von zwölf Prozent an den Meldungen und von sieben Prozent an den Anerkennungen, die Schulunfälle von fünf beziehungsweise vier Prozent.
Fallzahlen Berufskrankheiten
Im Jahr 2023 gingen 64.733 Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit im Zusammenhang mit COVID-19 bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand ein und 53.220 COVID-19-Erkrankungen wurden als BK-Nummer 3101 anerkannt (vgl. Abbildung 2). Dies entspricht einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 78 Prozent bezüglich der Meldungen und einem Rückgang um 71 Prozent bei den Anerkennungen.
Bezogen auf alle Berufskrankheiten im Jahr 2023 haben die COVID-19-Erkrankungen – trotz des deutlichen Rückgangs – noch einen Anteil von 45 Prozent an den Meldungen und von 73 Prozent bei den Anerkennungen (vgl. Abbildung 3). Die Auswirkungen der Pandemie auf das BK-Geschehen sind weiterhin hoch.
Bis Ende 2023 wurden insgesamt 374 neue BK-Renten bei COVID-19-Erkrankungen gewährt (2020: 13, 2021: 76, 2022: 77, 2023: 208). Im gleichen Zeitraum wurde in 136 Fällen festgestellt, dass die versicherte Person an den Folgen einer als Berufskrankheit anerkannten COVID-19-Erkrankung verstorben ist (2020: 14, 2021: 72, 2022: 37, 2023: 13).
Fallzahlen Unfälle
Im Jahr 2023 sind bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand insgesamt 7.958 Meldungen zu Arbeits- und Schulunfällen im Zusammenhang mit COVID-19 eingegangen und 2.239 Fälle wurden als Versicherungsfall anerkannt (vgl. Abbildung 4). Dies entspricht einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 88 Prozent bei den Meldungen und um 91 Prozent bei den Anerkennungen. Besonders deutlich ist der Rückgang bei den Schulunfällen im Zusammenhang mit COVID-19 mit jeweils 99 Prozent. Hatten diese im Jahr 2022 noch einen Anteil von 48 beziehungsweise 54 Prozent an allen COVID-19-Unfallmeldungen, ist ihr Anteil im Jahr 2023 auf vier beziehungsweise acht Prozent gesunken.
Ausblick: Erstes Halbjahr 2024
Im ersten Halbjahr 2024 lagen den Unfallversicherungsträgern nach vorläufigen Angaben knapp 4.400 Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit in Zusammenhang mit COVID-19 vor. Dies entspricht einem Rückgang um 47 Prozent gegenüber dem zweiten Halbjahr 2023. Die vorläufige Zahl der als BK-Nummer 3101 anerkannten COVID-19-Erkrankungen im ersten Halbjahr 2024 betrug knapp 3.100 – ein Rückgang um 81 Prozent gegenüber dem zweiten Halbjahr 2023. Vom 1. Januar 2024 bis einschließlich Ende Juni 2024 wurden nach vorläufigen Angaben rund 760 Arbeits- und Schulunfälle im Zusammenhang mit COVID-19 gemeldet und knapp 250 COVID-19-Erkrankungen als Versicherungsfall anerkannt. Der Rückgang gegenüber dem zweiten Halbjahr 2023 beträgt hier 70 Prozent bei den Meldungen und 50 Prozent bei den Anerkennungen.
Post- beziehungsweise Long COVID
Insgesamt wurde in rund 8.150 der in den Jahren 2020 beziehungsweise 2021[2] bis 2023 als Versicherungsfall anerkannten COVID-19-Erkrankungen die Diagnose „Long- beziehungsweise Post-COVID-19-Zustand“ dokumentiert.[3] Dies entspricht einem Anteil von gut zwei Prozent. Die Diagnose „Long- beziehungsweise Post-COVID-19-Zustand“ wird in der Regel nicht in der laufenden Bearbeitung der Fälle statistisch erfasst, sondern retrospektiv anhand geeigneter Kriterien ermittelt. Diese retrospektive Ermittlung ist jedoch mit Unsicherheiten behaftet. Zur Identifikation der Long- oder Post-COVID-Fälle wird beispielsweise die Höhe der Kosten für die medizinische Rehabilitation herangezogen. Dabei ist unter anderem der Zeitverzug bei der Rechnungsstellung zu berücksichtigen. Zudem ist das Kriterium der Kostenhöhe eher geeignet, Post- als Long-COVID-Fälle zu identifizieren. Es ist daher davon auszugehen, dass Long-COVID-Fälle untererfasst sind.
Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung
Bis Ende 2023 haben die gewerblichen Berufsgenossenschaften und die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand insgesamt 485,9 Millionen Euro für Leistungen der Rehabilitation und für Rentenleistungen für die als Versicherungsfall anerkannten COVID-19-Erkrankungen erbracht (vgl. Tabelle 1). Von den Kosten für die Leistungen insgesamt entfallen 83 Prozent auf die als Berufskrankheit anerkannten Fälle und 17 Prozent auf anerkannte Versicherungsfälle im Bereich der Arbeits- und Schulunfälle. Der weit überwiegende Anteil (96 Prozent) der Gesamtausgaben entfiel mit 466,3 Millionen Euro auf Leistungen der medizinischen Behandlung und Rehabilitation. Dazu zählen neben der ambulanten und stationären Heilbehandlung auch das Verletztengeld sowie die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge. In Höhe von 3,1 Millionen Euro wurden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. Für Leistungen zur sozialen Teilhabe wurden 0,7 Millionen Euro aufgewendet. An 347 Personen mit einer als Versicherungsfall anerkannten COVID-19-Erkrankung wurden bis Ende 2023 Rentenleistungen in Höhe von gut 5,5 Millionen Euro und in 311 Fällen Leistungen an Hinterbliebene in Höhe von insgesamt rund 10,4 Millionen Euro ausgezahlt.
Bis Ende 2023 wurden 466,3 Millionen Euro für die medizinische Behandlung und Rehabilitation von anerkannten COVID-19-Erkrankungen aufgewendet, davon 304,7 Millionen Euro für Fälle, in denen die Diagnose „Long- beziehungsweise Post-COVID-19-Zustand“ dokumentiert wurde (vgl. Tabelle 2). Dies entspricht einem Anteil von 65 Prozent.
Die durchschnittlichen Kosten pro Fall seit Pandemiebeginn bis Ende 2023 liegen für stationäre Behandlungen bei rund 12.100 Euro, die durchschnittlichen Kosten für Verletztengeld (ohne Sozialversicherungsbeiträge) bei 14.100 Euro. Werden nur die Fälle berücksichtigt, in denen die Diagnose Long- beziehungsweise Post-COVID dokumentiert wurde, steigen die durchschnittlichen Kosten pro Fall auf 15.400 Euro für stationäre Behandlungen und für Verletztengeld (ohne Sozialversicherungsbeiträge) auf 24.000 Euro.
Auch die durchschnittlichen Kosten für eine ambulante Heilbehandlung sind für versicherte Personen mit einer Long- beziehungsweise Post-COVID-Diagnose mit 4.800 Euro deutlich höher.
Oftmals wurden für versicherte Personen mit anerkannter COVID-19-Erkrankung, insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit Long- beziehungsweise Post-COVID-Diagnose, mehrere – auch stationäre – Maßnahmen pro Fall erbracht. Bis Ende 2023 konnte die Rehabilitation von rund 11.000 versicherten Personen mit anerkannter COVID-19-Erkrankung abgeschlossen werden. Betrachtet man nur die 9.800 versicherten Personen, für die als Rehabilitationsziel die berufliche Wiedereingliederung vereinbart wurde, liegt die Wiedereingliederungsquote bei rund 98 Prozent.
COVID-19 als Berufskrankheit: Wer hat sich wo infiziert
Alter
Bei den im Zeitraum 2000 bis 2023 als Berufskrankheit anerkannten COVID-19-Erkrankungen liegt das durchschnittliche Alter bei Anerkennung bei 44 Jahren. Versicherte Personen, bei denen eine Post- bzw. Long-COVID-Diagnose dokumentiert wurde, sind im Mittel mit 50 Jahren etwas älter. Da eine Anerkennung als BK-Nummer 3101 eine versicherte Tätigkeit voraussetzt, sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung deutlich häufiger Personen im erwerbsfähigen Alter betroffen. Nur gut ein Prozent der versicherten Personen ist zum Zeitpunkt der Anerkennung jünger als 20 Jahre alt und knapp zwei Prozent sind 65 Jahre alt oder älter.
Geschlecht
Rund 81 Prozent der versicherten Personen mit einer als Berufskrankheit anerkannten COVID-19-Erkrankung sind weiblich. Dies korrespondiert mit der in dem hauptsächlich betroffenen Wirtschaftsabschnitt „Gesundheits- und Sozialwesen“ bestehenden Geschlechterverteilung unter den Beschäftigten.[4]
Unfallversicherungsträger
Aufgrund des im Tatbestand der BK-Nummer 3101[5] definierten Personenkreises entfielen von den im Zeitraum 2020 bis 2023 als Berufskrankheit anerkannten COVID-19-Erkrankungen rund 78 Prozent auf die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und rund 22 Prozent auf die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand.[6] Darüber hinaus erfolgten in den vier Jahren zusammen knapp 2.000 Anerkennungen als Berufskrankheit bei den anderen gewerblichen Berufsgenossenschaften.
Bundesland
Die Differenzierung der im Zeitraum 2020 bis 2023 als Berufskrankheit anerkannten COVID-19-Erkrankungen nach dem Bundesland des Sitzes des Unternehmens[7] zeigt, dass die vier am stärksten betroffenen Bundesländer den vier Bundesländern mit der höchsten Einwohnerzahl entsprechen (vgl. Tabelle 3).
Tätigkeit
Die im Zeitraum 2020 bis 2023 als Berufskrankheit anerkannten COVID-19-Erkrankungen haben überwiegend in Unternehmen der Wirtschaftszweige „Gesundheitsdienst“, „Heime (ohne Erholungs- und Ferienheime)“ sowie „Erziehung und Unterricht“ stattgefunden.
Dies spiegelt sich auch in den am häufigsten zum Zeitpunkt der Infektion ausgeübten Tätigkeiten wider:
- Assistenzberufe im Gesundheitswesen – wie die nicht akademische Krankenpflege (45 Prozent)
- Betreuungsberufe – wie Pflegehelferinnen und Pflegehelfer sowie Kinderbetreuung (29 Prozent)
- akademische und verwandte Gesundheitsberufe – wie Ärztinnen und Ärzte sowie akademische Krankenpflege (neun Prozent)
Zu den übrigen Tätigkeiten zählen zum Beispiel Erzieherinnen und Erzieher oder Lehrkräfte im Vorschulbereich sowie andere personenbezogene Dienstleistungen.