Qualitätssicherung im Reha-Management – Ergebnisse der zweiten Versichertenbefragung
Kernelemente des Reha-Managements sind die persönliche Beratung und Betreuung der Versicherten, die zielorientierte Steuerung der Heilverfahren und die Planung einer nahtlosen Rehabilitation und zeitnahen beruflichen sowie sozialen Wiedereingliederung. Ob diese Erwartungen aus Versichertensicht erfüllt werden, zeigt die Versichertenbefragung zum Reha-Management.
Nach schweren Arbeitsunfällen und in komplexen Fallkonstellationen setzen die Unfallversicherungsträger auf den Einsatz des Reha-Managements, um die Ziele einer möglichst raschen und vollständigen gesundheitlichen Wiederherstellung sowie der beruflichen und sozialen Wiedereingliederung der Versicherten zu erreichen. Reha-Managerinnen und Reha-Manager sind während der gesamten Rehabilitation die zentralen Ansprechpersonen für Verletzte. Sie wirken auf eine bedarfsgerechte, an den Bedürfnissen der Versicherten orientierte, effiziente und nachhaltige Rehabilitation hin. Die Grundlage dafür sind die Prinzipien des Case Managements. Ein zentrales Instrument stellt die Reha-Planung dar. Dazu wird von der Reha-Managerin oder dem Reha-Manager gemeinsam mit der versicherten Person und dem Arzt oder der Ärztin ein Reha- und Teilhabeplan erstellt und regelmäßig fortgeschrieben. Er enthält die Ziel-, Maßnahmen- und Zeitplanung, an der sich alle Beteiligten orientieren, und sichert so den effizienten Ablauf des Reha-Prozesses über alle Behandlungsphasen hinweg.[1]
Von 2015 bis 2017 wurde die Qualität des Reha-Managements erstmals mithilfe einer Befragung aller abgeschlossenen Reha-Management-Fälle überprüft. Hierzu wurde unter Beteiligung der Unfallversicherungsträger und mit wissenschaftlicher Begleitung des Instituts für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) ein Fragebogen entwickelt und pilotiert.[2] Ziel der Befragung war und ist, die Zufriedenheit der Versicherten mit dem Reha-Management und dem Reha-Prozess zu erheben. Darüber hinaus werden Inhalte und Definitionen des Handlungsleitfadens zum Reha-Management überprüft. Gleichzeitig stellt die Befragung ein Qualitätsmanagementinstrument für die einzelnen Unfallversicherungsträger dar.
Von 2022 bis 2023 wurde die Befragung wiederholt und erstmalig online durchgeführt. Dazu wurde der Fragebogen leicht angepasst und über das Befragungstool EvaSys bereitgestellt. Die Aufbereitung und Auswertung der Daten übernahm das Referat Statistik der DGUV. Eine Projektgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der Unfallversicherungsträger, der DGUV sowie der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) koordinierte die Durchführung und begleitete die Auswertung der Daten. Die Befragung erfolgte anonym, sodass keine personenbezogenen Daten erfasst wurden und keine Rückschlüsse auf einzelne Fälle möglich sind.
Die Befragungsdaten wurden getrennt für die Versicherten- und die Elternbefragung ausgewertet. Sofern eine ausreichende Anzahl von ausgefüllten Fragebögen vorlag, wurden zusätzlich träger- und standortbezogene Auswertungen erstellt. Im Folgenden werden die Gesamtergebnisse sowie vertiefende Analysen der aktuellen Versichertenbefragung dargestellt, in die Antworten von knapp 3.400 Versicherten eingeflossen sind.
Befragung
An der zweiten Versichertenbefragung haben 28 Unfallversicherungsträger teilgenommen. Es wurden alle zwischen dem 1. Juli 2022 und 30. Juni 2023 abgeschlossenen Reha-Management-Fälle einbezogen. Die Versicherten wurden postalisch angeschrieben und zur Teilnahme an der Online-Befragung eingeladen. Einzelne Träger verlängerten den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2023, um die Rückläufe zu erhöhen. Von 16.824 angeschriebenen Versicherten haben etwa 3.400 den Fragebogen beantwortet. Das entspricht einer Rücklaufquote von 19,8 Prozent. In der ersten, papierbasierten Befragung konnte eine Rücklaufquote von 34 Prozent erreicht werden. Eine separate Befragung wurde für die Eltern von Kindern und Jugendlichen in der Schüler-Unfallversicherung durchgeführt. In der Elternbefragung lag die Rücklaufquote bei 13,4 Prozent und damit ebenfalls geringer als in der ersten Versichertenbefragung (22 Prozent). Durch den Einsatz von Erinnerungsschreiben konnten die trägerindividuellen Rücklaufquoten im Verlauf der Befragung deutlich gesteigert werden.
Deskriptive Ergebnisse
Die Zusammenarbeit mit ihrem zuständigen Reha-Manager beziehungsweise ihrer Reha-Managerin wird von den Versicherten positiv bewertet. So stimmen fast 90 Prozent der Befragten der Aussage ziemlich oder völlig zu, dass der Reha-Manager beziehungsweise die Reha-Managerin Fragen kompetent beantwortet hat. Im Vergleich zur ersten Versichertenbefragung hat sich die Zustimmungsquote durchweg erhöht. Die Frage, ob der berufliche Wiedereinstieg besprochen wurde, wurde in der ersten Versichertenbefragung nur zu etwas mehr als zwei Dritteln positiv beantwortet, jetzt stimmen 78 Prozent der Befragten zu. Neu aufgenommen wurde die Aussage, dass die erforderlichen Fragen zur sozialen Teilhabe (zum Beispiel Wohnen, Kommunikation, Mobilität, Freizeit) erörtert wurden. Hier liegt die Zustimmung mit 64 Prozent niedriger, wobei knapp ein Drittel der Befragten angibt, dass dies nicht erforderlich war (Abbildung 1).
Information zu den Abbildungen
Auf der linken Seite in der Grafik stehen die Fragen, die Antwortmöglichkeiten sind in der Legende unter der Grafik angegeben und farblich codiert. Die Fragen wurden zum Großteil als vierstufige dichotome Skala gestellt, etwa „trifft gar nicht zu“ bis „trifft völlig zu“. Die ablehnenden Antworten werden in Orangetönen dargestellt, sie sind von der Mittelachse aus nach links abgetragen. Zustimmende Antworten werden in Türkistönen dargestellt, sie sind von der Mitte aus nach rechts abgetragen. Jeweils links und rechts der Balken stehen die addierten Prozentzahlen für Ablehnung beziehungsweise Zustimmung. Rechts neben der Grafik sind zum Vergleich die Zustimmungswerte der Vorbefragung angegeben.
Geringere Zustimmungsraten und in Teilen eine Verschlechterung gegenüber der ersten Versichertenbefragung zeigen sich im Bereich der Planung der Rehabilitation. Auf die Frage, ob für ihre Rehabilitation Ziele festgelegt wurden, antworten 72 Prozent der Befragten mit „Ja“. Nur 61 Prozent der Befragten geben an, dass ein schriftlicher Reha- und Teilhabeplan erstellt wurde (Abbildung 2). Auffällig ist bei beiden Fragen der hohe Anteil von Personen, die mit „Weiß nicht“ antworten. Dies deutet darauf hin, dass den Versicherten die Instrumente und Verfahren des Reha-Managements – zumindest zum Befragungszeitpunkt – nicht immer geläufig sind. Dennoch geben ähnlich wie in der ersten Befragung zwischen 80 und fast 90 Prozent der Befragten an, den Sinn und Zweck der Maßnahmen zu kennen sowie das Gefühl zu haben, ihre persönlichen Bedürfnisse und Vorstellungen einbringen zu können.
Die Rückmeldung zu den Fragen zum Ablauf der Rehabilitation bewegt sich wie in der vorherigen Befragung wiederum zwischen 80 und 90 Prozent Zustimmung. Fast neun von zehn Versicherten geben an, das die Maßnahmen wie geplant durchgeführt wurden und zeitnah aufeinander folgten (Abbildung 3).
Zur Bewertung der Ergebnisqualität sollten die Versicherten angeben, inwieweit die Ziele zur körperlichen Leistungsfähigkeit, zur sozialen Teilhabe und zum beruflichen Wiedereinstieg erreicht werden konnten. Während knapp 70 Prozent der Befragten angeben, die beruflichen und sozialen Reha-Ziele voll und ganz oder eher erreicht zu haben, werden die Ziele zur körperlichen Leistungsfähigkeit insgesamt nur von 60 Prozent als (eher) erreicht eingeschätzt (Abbildung 4). Abschließend werden die Versicherten gefragt, wie zufrieden sie insgesamt mit ihrer Rehabilitation sind. 82 Prozent der Befragten sind alles in allem mit der Rehabilitation zufrieden, 83 Prozent würden die gleiche Reha an andere weiterempfehlen (Abbildung 5). Auch wenn nach Einschätzung der Versicherten im Einzelfall nicht alle Reha-Ziele erreicht werden konnten, bewerten die Versicherten die Rehabilitation nach Arbeitsunfällen damit insgesamt sehr positiv.
Fragebogen
Der Fragebogen enthält insgesamt 36 Items, die sich in sechs Fragenkomplexe gliedern. Dazu zählen die Zusammenarbeit mit dem Reha-Manager beziehungsweise der Reha-Managerin, die Planung der Rehabilitation, der Ablauf der Rehabilitation, die Zielerreichung, die Gesamtzufriedenheit sowie Angaben zur Person wie Alter, Geschlecht und Tätigkeit nach dem Unfall. Während die ersten drei Fragenkomplexe die Prozessqualität des Reha-Managements abbilden, können mithilfe der Einschätzung zur subjektiven Zielerreichung und zur Gesamtzufriedenheit Aussagen über die Ergebnisqualität gewonnen werden.
Für die Elternbefragung wurde ein separater Fragebogen verwendet, der sich jedoch nur geringfügig von der Version für Versicherte ab 16 Jahren unterscheidet. Um auch Personen mit eingeschränktem Lese- und Sprachverständnis die Beantwortung zu ermöglichen, wurden beide Fragebögen auch in Leichter Sprache zur Verfügung gestellt.
Bivariate Zusammenhangsanalysen
Im Rahmen vertiefender Analysen wurden die statistischen Zusammenhänge einzelner Fragen zur Zielerreichung und zur Gesamtzufriedenheit ermittelt. Die Stärke des Zusammenhangs gibt dabei Hinweise, welche Faktoren der Prozessqualität eine besondere Bedeutung für die Ergebnisse des Reha-Managements haben.[3]
Starke Zusammenhänge sowohl zur Zielerreichung als auch zur Gesamtzufriedenheit weisen die Fragen auf, die abfragen, ob die medizinischen Reha-Maßnahmen und die beruflichen Hilfestellungen den Versicherten weiterhalfen. Einer qualitativ hochwertigen medizinischen und beruflich-orientierten Rehabilitation und der gezielten Auswahl der geeignetsten Einrichtungen kommt damit eine zentrale Bedeutung zu. Ansatzpunkte zur Qualitätsverbesserung bieten eine Erhöhung der Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherung an Reha-Kliniken und ambulante Reha-Einrichtungen. Darüber hinaus ist es Aufgabe des Reha-Managements, Versicherte aktiv in Einrichtungen mit hoher Behandlungsqualität zu steuern. Hierbei könnten die Einführung eines externen Qualitätssicherungsverfahrens und die Bereitstellung vergleichender Qualitätsdaten unterstützen. Ein solches Verfahren zur externen Evaluation komplextherapeutischer Leistungen wird im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung bereits von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) eingesetzt.[4]
Starke Zusammenhänge zur Gesamtzufriedenheit und mittlere Zusammenhänge zur Zielerreichung weisen weitere Fragen auf, die den reibungslosen Ablauf des Rehabilitationsprozesses betreffen. Versicherte, die angeben, dass die Maßnahmen wie geplant durchgeführt wurden, zeitnah aufeinander folgten und dass Ärztinnen und Ärzte sowie therapeutisches Personal gut zusammenarbeiteten, zeigen sich insgesamt zufriedener. Auch hier übernehmen die Reha-Managerinnen und Reha-Manager eine wichtige steuernde und koordinierende Funktion.
Einen starken Zusammenhang zur Gesamtzufriedenheit haben schließlich auch mehrere Fragen, die direkt die Beratung durch den Reha-Manager oder die Reha-Managerin betreffen. Insgesamt zufriedener sind Versicherte, die angeben, dass
- Fragen zur sozialen Teilhabe erörtert wurden,
- sie ihre persönlichen Bedürfnisse und Vorstellungen einbringen konnten,
- der berufliche Wiedereinstieg besprochen wurde.
Neben der Steuerung des Heilverfahrens rücken damit weitere zentrale Handlungsfelder des Reha-Managements in den Blick. Im Rahmen einer umfassenden Bedarfsermittlung ist die versicherte Person mit ihrem gesamten Lebenshintergrund einzubeziehen. Berufliche und soziale Kontextfaktoren müssen im persönlichen Gespräch ermittelt und im Reha-Prozess adressiert werden. Häufig geht es hierbei weniger um die Bewilligung oder Vermittlung besonderer Leistungen als vielmehr um die Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen durch eine individuelle und lösungsorientierte Beratung. Es ist bemerkenswert, dass diese Fragen auch einen mittleren Zusammenhang zur Zielerreichung aufweisen. Dies lässt den Schluss zu, dass der Aufbau einer vertrauensvollen Beratungsbeziehung und die Partizipation der Versicherten im Reha-Prozess nicht nur deren Zufriedenheit gesteigerte Motivation – auch zu besseren Reha-Ergebnissen führen.
Keinen Zusammenhang zur Gesamtzufriedenheit weist hingegen die Kontakthäufigkeit auf. Erstmals wurden die Versicherten gefragt, wie oft sie mit ihrem Reha-Manager oder ihrer Reha-Managerin persönlichen Kontakt hatten. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung („Je mehr Kontakt, desto zufriedener“) ist nicht feststellbar. Die Befragten bewerten die Kontakthäufigkeit in ihrem Fall zu 83 Prozent als „genau richtig“. Nur knapp 16 Prozent hätten sich mehr Kontakt zu ihrem Reha-Manager beziehungsweise ihrer Reha-Managerin gewünscht.
Nur einen schwachen Zusammenhang zur Gesamtzufriedenheit hat die Frage, ob im Rahmen der Reha-Planung ein schriftlicher Reha- und Teilhabeplan erstellt wurde. Dies könnte nahelegen, dass der Reha- und Teilhabeplan aus Versichertensicht nur eine untergeordnete Rolle spielt. Allerdings zeigt eine genauere Betrachtung, dass dies nur vordergründig der Fall ist. Denn Versicherte, die angeben, dass der Reha- und Teilhabeplan eine gute Orientierung gegeben hat und flexibel an veränderte Bedingungen angepasst wurde, sind insgesamt zufriedener (mittlere bis starke Korrelation). Es ist also nicht ausreichend, dass ein Reha- und Teilhabeplan erstellt wird. Entscheidend ist, dass dieser richtig eingesetzt und erläutert wird. Die Fragen nach der Qualität des Reha- und Teilhabeplans korrelieren wiederum stark mit den Einschätzungen der Versicherten, sich und ihre Bedürfnisse einbringen zu können und über den Sinn und Zweck der Maßnahmen informiert zu sein. Dies unterstreicht die zentrale Funktion des Reha- und Teilhabeplans für die gemeinschaftliche Gestaltung der Rehabilitation und die Einbindung der Versicherten.
Ausblick
Die vorgestellten Ergebnisse bestätigen die hohe Zufriedenheit der Versicherten mit dem Reha-Management und der Rehabilitation nach Arbeitsunfällen. Sie zeigen, dass die mit dem Ansatz des Reha-Managements verbundenen Erwartungen in hohem Maße erfüllt werden. Für die Unfallversicherungsträger bieten die Auswertungen Ansatzpunkte zur weiteren Verbesserung der Prozess- und Ergebnisqualität. Erstmals sind nun Vergleiche über die Zeit und damit eine systematische Qualitätssicherung möglich. Durch weitere Befragungsrunden können zukünftig auch Trends identifiziert und die Wirksamkeit von zwischenzeitlich ergriffenen Maßnahmen überprüft werden. Weitere Erkenntnisse zur Wirksamkeit des Reha-Managements könnten in Zukunft auch aus einer vergleichenden Analyse der Prozesse der Unfallversicherungsträger gewonnen werden.