Interoperabler Austausch von Gesundheitsdaten in der gesetzlichen Unfallversicherung
Die digitale Kommunikation ist mittlerweile zentraler Bestandteil der Gesellschaft. Doch im Bereich des Gesundheitswesens findet häufig noch kein elektronischer Datenaustausch statt. Wie die gesetzliche Unfallversicherung die Kommunikation zwischen Unfallversicherungsträgern und Leistungserbringern weiterentwickelt, ist Gegenstand des „DiGUV-Projektes“ der DGUV.
Das Projekt „Digitalisierung im Gesundheitswesen Unfallversicherung“ (DiGUV) beschäftigt sich inhaltlich mit der Digitalisierung der Kommunikation zwischen den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung (UV-Trägern) und Leistungserbringern, die im Auftrag der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherte nach Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten versorgen. In der Hauptsache also ärztliches, therapeutisches oder pflegendes Personal in ambulanten oder stationären Einrichtungen.
Ziel des Projektes ist es, die Kommunikationswege, aber auch die Inhalte der Kommunikation (Gesundheitsdaten) zu harmonisieren, zu standardisieren und zu digitalisieren. Der Datenaustausch soll hierbei unter Beachtung der semantischen und syntaktischen Interoperabilität der auszutauschenden Daten erfolgen.
Datenformate und Datenstruktur
Basis der Kommunikation im Gesundheitswesen und auch in der gesetzlichen Unfallversicherung sind medizinisch standardisierte Dokumente, die verschiedene Beteiligte untereinander austauschen. In der gesetzlichen Unfallversicherung findet dieser Datenaustausch für einige Verfahren bereits elektronisch statt (DALE-UV, Verfahren § 301 UV). Jedoch wird in einigen Fällen noch der Postweg, die E-Mail oder das Fax genutzt.
Damit diese umständlichen Prozesse entfallen können, ist es sinnvoll, den Inhalt der Dokumente direkt in maschinenlesbarer Form zu erstellen und zu übermitteln. Hierzu ist es notwendig, das Format der Daten und deren Struktur im Vorfeld zu spezifizieren.
Da verschiedene Akteure im deutschen Gesundheitswesen dieselben Daten für unterschiedliche Anwendungsfälle nutzen, ist es sinnvoll, die Datenstruktur und das Datenformat zu vereinheitlichen. In diesem Fall spricht man von syntaktischer Interoperabilität.
Um syntaktische Interoperabilität zu erreichen, existieren im Gesundheitswesen verschiedene Interoperabilitätsstandards.
Einer dieser Standards ist die Clinical Document Architecture (CDA). Hierbei handelt es sich um einen von der Normierungsorganisation „Health Level 7“ (HL7) entwickelten Standard. Die Struktur dieser Dokumente ist vom CDA-Modell vorgegeben und lässt sich an den jeweiligen konkreten Anwendungsfall anpassen. Die Metadaten, wie zum Beispiel Daten zu Patientinnen und Patienten und zu den Leistungserbringern sowie Angaben über das Dokument selbst, werden dabei hochstrukturiert im sogenannten „CDA-Header“ mitgegeben. Die eigentlichen medizinischen Informationen befinden sich in strukturierter Form im sogenannten „CDA-Body“. Dadurch liegen die Daten in strukturierter und maschinenlesbarer Form vor und können vom empfangenden System direkt maschinell weiterverarbeitet werden.
Zu Beginn des DiGUV-Projektes verwendete man daher den Standard CDA für die Spezifikation der Dokumente.
Erster konkreter Anwendungsfall war ein Berichtstyp, der bisher ausschließlich in Papierform auf dem Postweg versendet wurde: der stationäre Entlassbericht. Für diesen erstellte eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Fachexpertinnen und -experten sowie ärztlichen und technischen Beratenden, eine CDA-Spezifikation.
Gemeinsam mit einem Pilot-Leistungserbringer, der BG Unfallklinik (BGU) Murnau, setzte die Gruppe die Spezifikation im Krankenhausinformationssystem (KIS) der BGU um. Seit Herbst 2022 werden die stationären Entlassberichte der BGU als strukturierte CDA-Dokumente elektronisch an die Unfallversicherungsträger versandt.
Im Verlauf des Projektes ergab sich jedoch, dass sich ein anderer Interoperabilitätsstandard als CDA im deutschen Gesundheitswesen durchgesetzt hat: Fast Healthcare Interoperability Resource (FHIR). Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen von HL7 entwickelten internationalen Standard für den Datenaustausch zwischen Softwaresystemen im Gesundheitswesen. FHIR vereinigt die Vorteile anderer Standards (wie CDA) mit den Vorteilen aktueller Webstandards und setzt den Fokus auf eine einfache Implementierbarkeit. Diese wird erreicht durch eine geringere Komplexität im Vergleich zum CDA-Standard.
FHIR basiert auf einem Baukastenprinzip: Die einzelnen Informationen werden bei FHIR in Form sogenannter FHIR-Resources (FHIR-Ressourcen) spezifiziert und übermittelt. FHIR-Ressourcen sind die kleinste Einheit des Datenaustauschs mit einem wohldefinierten Inhalt und eindeutiger Semantik. FHIR-Ressourcen werden in strukturierter maschinenlesbarer Form repräsentiert. HL7 definiert derzeit 159 Ressourcen[1], die das gesamte Spektrum des Gesundheitswesens abdecken. Beispiele für FHIR-Ressourcen sind „Patient“, „Practitioner“, „Procedure“ oder „Medication“. Diese Ressourcen lassen sich durch den Spezifikator (in unserem Fall die gesetzliche Unfallversicherung) an einen konkreten Anwendungsfall (zum Beispiel den stationären Entlassbericht) anpassen und zusammenstellen. Hierbei spricht man dann von einem FHIR-Profil. Das Profil definiert die Regeln, die auf eine Standard-Ressource anzuwenden sind (Semantik). Zum Beispiel, welche Daten verpflichtend anzugeben sind oder welche Terminologien (beispielsweise ICD-10) verwendet werden dürfen beziehungsweise müssen.
Mithilfe sogenannter Referenzen lassen sich bestimmte Ressourcen auch mit anderen Ressourcen verlinken. Dabei werden die Informationseinheiten verknüpft, um ein komplexes medizinisches Dokument oder sogar vollständige Patientenakten abbilden zu können.
Das E-Rezept sowie die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) basieren auf dem FHIR-Standard. Auch die Inhalte der elektronischen Patientenakte (ePA) werden mit FHIR spezifiziert.
Um die Schwelle für die Implementierung bei den Leistungserbringern sowie bei Softwareherstellern möglichst niedrig zu halten und eine Harmonisierung mit anderen Interoperabilitätsinitiativen zu erreichen, hat sich die gesetzliche Unfallversicherung ebenfalls für den Umstieg vom CDA- auf den FHIR-Standard entschieden.
Der stationäre Entlassbericht wird auch hier der erste Anwendungsfall sein. Das DiGUV-Projekt erstellt derzeit die FHIR-Spezifikation und stimmt diese im Anschluss mit anderen Interoperabilitätsinitiativen ab.
Datentransport
Neben der Spezifikation der Datenformate und der Datenstruktur ist für den elektronischen Datenaustausch der Transport der Daten zwischen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren notwendig.
Auch hier greift das DiGUV-Projekt auf einen etablierten Standard des deutschen Gesundheitswesens zurück, um den Aufwand für die Umsetzung bei allen Beteiligten möglichst gering zu halten: Kommunikation im Medizinwesen (KIM). KIM ist der von der Nationalen Agentur für Digitale Medizin (gematik) entwickelte einheitliche Standard für die elektronische Übermittlung medizinischer Dokumente und Daten. Durch KIM lassen sich Dokumente und Nachrichten sicher per E-Mail über die sogenannte Telematikinfrastruktur (TI) versenden. Auch DALE-UV, der seit vielen Jahren in der gesetzlichen Unfallversicherung etablierte elektronische Austausch von D-Arztberichten in strukturierter Form, ist seit Anfang 2023 auf KIM umgestellt und mit 30.000 Berichten täglich eine der größeren KIM-Anwendungen.
Durch KIM sollen zukünftig neben den beschriebenen strukturierten Daten in Form von FHIR-Ressourcen auch unstrukturierte Daten wie PDFs, Word- oder Bilddateien bidirektional zwischen Unfallversicherungsträgern und Leistungserbringern ausgetauscht werden. Hierzu entwickelt das DiGUV-Projekt derzeit ebenfalls ein Verfahren – das „KIM only“-Verfahren.
Sachstand, Ausblick und Fazit
Neben dem stationären Entlassbericht identifizieren und priorisieren Expertinnen und Experten derzeit weitere Anwendungsfälle für FHIR-Spezifikationen in der gesetzlichen Unfallversicherung. Im Anschluss werden die FHIR-Anwendungsfälle gemeinsam mit den BG Kliniken pilotiert.
Auch „KIM only“ befindet sich derzeit in einer Pilotphase im Rahmen eines „Proof of Concept“ mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) sowie mit der BG Klinik Ludwigshafen.
Das DiGUV-Projekt ist ein wichtiger Schritt zur Digitalisierung der gesetzlichen Unfallversicherung. Es wird dazu beitragen, die Kommunikation zwischen den Unfallversicherungsträgern und den Leistungserbringern zu verbessern und zu beschleunigen, die Qualität der Daten zu erhöhen und die Prozesskosten zu senken.
Bei Fragen zu dem Beitrag können Sie sich an folgende Personen wenden:
Tobias Schmitz (DGUV)
Tobias.Schmitz@dguv.de
Nicki Wageringel (DGUV)
Nicki.Wageringel@dguv.de