Der kommmitmensch verabschiedet sich

Vier Jahre lang stand die Kultur der Prävention im Zentrum der Präventionskampagne kommmitmensch der gesetzlichen Unfallversicherung. Zum 31. Dezember 2021 endet diese Kampagne, ein Rückblick auf wichtige Meilensteine.

Entsprechend ihrem gesetzlichen Präventionsauftrag zielen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, darauf ab, Arbeitsunfälle sowie Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhindern. Dass sich die Präventionsarbeit lohnt, zeigt der Rückgang tödlicher und schwerer Arbeits-, Schul- und Wegeunfälle um circa zwei Drittel in den vergangenen zwei Jahrzehnten.

Einen wesentlichen Beitrag dazu leisten auch die Präventionskampagnen. Seit Oktober 2017 hat die Kampagne kommmitmensch das Thema Kultur der Prävention in Betrieben und Bildungseinrichtungen vorangebracht. Zum Jahresende 2021 wird die Präventionskampagne der gewerblichen Berufsgenossenschaften, der Unfallkassen und der DGUV beendet. Das Thema wird künftig in der regulären Präventionsarbeit fortgeführt und in den DGUV-Fachbereichen und Sachgebieten angesiedelt.

Im Rahmen von kommmitmensch sind zahlreiche Medien und Handreichungen entwickelt worden, die Betrieben und Bildungseinrichtungen eine Analyse der Präventionsarbeit ermöglichen und konkrete Hilfestellungen bieten. Bewährte Anwendungen sind unter anderem das Analysetool KulturCheck zur Erfassung der einzelnen Handlungsfelder der Kampagne sowie die Dialogboxen. Diese erleichtern mit Kartensätzen und Postern den gemeinsamen Gesprächseinstieg und die Erarbeitung von geeigneten Präventionsmaßnahmen, zum Beispiel zum Thema „psychische Belastungen“.

Prävention nachhaltig etablieren: der Kern der Kampagne

Eine Panel-Umfrage von 2014 zeigte bereits, dass die Themen Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in Betrieben und Einrichtungen generell als sehr bedeutsam angesehen werden. Nahezu 100 Prozent der Führungskräfte und mehr als 90 Prozent der Beschäftigten gaben an, dass Sicherheit und Gesundheit „sehr wichtig“ oder „eher wichtig“ seien. Im Widerspruch dazu steht, dass aus Sicht der Leitungsebene in mehr als der Hälfte der Betriebe das Thema Kultur der Prävention oder der Stellenwert von Sicherheit und Gesundheit nicht besprochen werden. Bei den Beschäftigten waren sogar drei Viertel der Meinung, dass die Themen nicht angesprochen werden. Dabei optimiert ein nachhaltiger Arbeitsschutz die Betriebsabläufe sowie Geschäftsprozesse, erhält die Gesundheit aller Mitarbeitenden und reduziert darüber hinaus langfristig die innerbetrieblichen Kosten. Zudem erhöhen verbesserte Arbeitsbedingungen und eine Wertschätzung der Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Motivation und senken die Ausfallzeiten.

Eine zeitgemäße Prävention schließt dabei sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Maßnahmen genauso ein wie den Gesundheitsschutz. Die Präventionskampagne verfolgte dieses Ziel von Beginn an mit einem ganzheitlichen Ansatz. Ziel war es, Unternehmen und Bildungseinrichtungen dabei zu unterstützen, eine Präventionskultur zu entwickeln, in der Sicherheit und Gesundheit Grundlage allen Handelns sind. Die Kampagne setzte deshalb auf Aktionen, die Menschen verbinden und zum Mitmachen anregen.

Grundlegend für die Umsetzung der Kampagne waren die sechs Handlungsfelder Führung, Kommunikation, Beteiligung, Fehlerkultur, Betriebsklima sowie Sicherheit und Gesundheit anhand derer im späteren Verlauf die Vorteile von Prävention gezeigt und Hilfen zur Umsetzung entwickelt wurden.

Mittels zahlreicher Broschüren, Praxishilfen und prägnanter Videos, die die einzelnen Handlungsfelder verständlich darstellen, wurden Betrieben und Bildungseinrichtungen Anregungen gegeben und gezeigt, was Führungskräfte und Beschäftigte innerhalb des jeweiligen Handlungsfeldes tun und somit auch bewirken können.

Vom Kino in die Betriebe und Einrichtungen – Meilensteine der Kampagne

Den Startschuss zur Präventionskampagne bildete eine Auftaktveranstaltung auf der A+A 2017, der internationalen Messe für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Zeitgleich gab es eine deutschlandweite Plakatierung, bei der der Kampagnen-Slogan kommmitmensch typografisch in Szene gesetzt wurde.

2018 waren es vor allem die unter der Regie von Isa Prahl entstandenen Kinospots, die das Thema Kultur der Prävention mit einem Augenzwinkern aufgriffen und für mediales Echo sorgten. Die Clips wurden deutschlandweit in Kinos und darüber hinaus über die sozialen Medien ausgestrahlt.

Ausgehend von den sechs Handlungsfeldern wurden im Rahmen der Kampagne zahlreiche Formate entwickelt, die präventives Handeln zur Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit vermitteln sollten. Ein Kernelement war dabei von Beginn an die Website kommmitmensch.de, deren Inhalte im Verlauf der Kampagne stetig wuchsen. Insbesondere die Rubrik Toolbox mit den diversen Medien und später auch die Materialien zum Thema Corona wurden häufig abgerufen.

Um auch in den sozialen Medien präsent zu sein, wurde die Kampagne zunächst vor allem auf Facebook und Twitter intensiv begleitet. Darüber hinaus streute kommmitmensch seine Inhalte auf Instagram, LinkedIn und Xing. Im Verlauf der Kampagne wurde der Fokus auf die Unternehmensnetzwerke LinkedIn und Xing gelenkt, um gezielt die Gruppe der Entscheiderinnen und Entscheider anzusprechen. Über Formate wie „kommmitmensch der Woche“, „Sei wie ...“, „Monday Motivation“ oder „#Nachgefragt“ wurden dabei kreative Postings und Serien entworfen, die vor allem die Menschen in Betrieben und Einrichtungen in den Fokus rückten. Um authentisch zu vermitteln, wie Prävention durch eine gezielte Förderung von Sicherheit und Gesundheit gelingen kann, wurde ein Storytelling-Format mit kommmitmenschen als Testimonials umgesetzt. Führungskräfte aus dem Bereich Sicherheit und Gesundheit berichteten über ihre Erfahrungen und gingen darauf ein, welche Hürden sowie Erfolge ihnen bei einem aktiven Engagement für eine Kultur der Prävention begegneten. Die immer weiter verfeinerten Inhalte regten dazu an, Sicherheit und Gesundheit als wesentliche Werte im Arbeitsleben zu etablieren, und fungierten als Ratgeber für sicherheitsorientiertes Verhalten im Arbeitsalltag. Auch mehr und mehr erklärende und unterstützende Inhalte wie die kommmitmensch-Dialoge, Broschüren sowie Handlungshilfen gaben Hilfestellungen.

Die stets weiterentwickelten kommmitmensch-Dialoge sollen es möglichst vielen Betrieben und Einrichtungen ermöglichen, Themen zur Sicherheit und Gesundheit praxisnah zu besprechen. Mit den Dialogen beziehungsweise Kartensätzen, die in praktikablen Dialogboxen mit weiterem ausführlichem Informationsmaterial angeboten werden, wurde ein modernes Mitmach-Tool zur Verfügung gestellt, um Sicherheit und Gesundheit bei allen innerbetrieblichen Entscheidungen mitzudenken und dauerhaft zu etablieren. Ziel der Dialogboxen ist es, Beschäftigte und Führungskräfte regelmäßig miteinander ins Gespräch zu bringen und bei allen Beteiligten das Verständnis zu schärfen, wie sicheres und gesundes Verhalten gemeinsam funktionieren kann.

Im Steuerungskreis der Kampagne wurde im Jahr 2019 eine inhaltliche Fokussierung auf drei Schwerpunktthemen der Vision Zero beschlossen, um die Prävention von Absturzunfällen, von Unfällen Erwachsener mit Fahrzeugen sowie die Prävention von Sport- und Schwimmunfällen stärker mit kommmitmensch zu verknüpfen. Allein im Jahr 2019 wurden in Deutschland rund 2,7 Millionen Verkehrsunfälle und mehr als 870.000 Arbeitsunfälle registriert. Im Zuge dessen entstanden Plakatserien mit dem Slogan „Blöde Idee/Schlaue Idee“. Die Blöde Idee/Schlaue Idee der Kampagne verdeutlichte durch verschiedene Fotomotive, wie wichtig die Unfallvorbeugung ist – ob im Betrieb, in Bildungseinrichtungen oder im Straßenverkehr. Ab 2020 griff die Kampagne zusätzlich das Thema Inklusion auf, denn jeder achte der rund 81 Millionen in Deutschland lebenden Menschen hat eine Behinderung. kommmitmensch machte sich dafür stark, dass Personen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt leben, lernen und arbeiten. Mithilfe von Plakatmotiven wies die Kampagne gemeinsam mit dem Deutschen Rollstuhl-Sportverband (DRS) auf vielerorts bestehende Probleme bei der Barrierefreiheit hin und lieferte so Denkanstöße für eine inklusive Arbeits- und Bildungswelt.

Zunächst auf die Belange von Betrieben ausgerichtet, wurde die Präventionskampagne auf der Messe didacta im Februar 2019 für den Bildungsbereich ausgeweitet, um auch diesen für das Thema Kultur der Prävention zu sensibilisieren. Erstmalig wurden dort die neuen kommmitmensch-Dialoge für Bildungseinrichtungen für die drei Settings Kitas, Schulen und Hochschulen präsentiert. Aufgrund des erfolgreichen Einsatzes und Abrufes des Tools wurden die Dialoge im Jahr 2021 noch um eine Version für die berufliche Bildung erweitert.

2019 führte das „kommmitmensch Film & Media Festival“ im Rahmen der internationalen Arbeitsschutzmesse A+A in Düsseldorf zum größten medialen Erfolg der Kampagne. Bei diesem neuen Wettbewerb prämierten die Unfallversicherungsträger Filme und Medienproduktionen rund um das Thema Arbeitsschutz und Prävention. Angesprochen wurden insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. Der Webauftritt des Film & Media Festivals stellte gemessen an den Zugriffszahlen einen Höhepunkt dar. Rund 120 Wettbewerbseinreichungen wurden von einer Experten-Jury begutachtet und die Siegesbeiträge auf der A+A ausgezeichnet.

Mit der SARS-CoV-2-Pandemie zu Beginn des Jahres 2020 stellten sich der Kampagne neue Herausforderungen. Praxisnahes Informationsmaterial und branchenspezifische Handlungstipps wurden dringend benötigt. Unter dem Slogan „Arbeitsschutz ist Gesundheitsschutz“ wurden neue Materialien für Betriebe und Einrichtungen, Plakate, Anzeigenmotive sowie die „Mini-Kampagne“ #MaskeTragen entwickelt, um einen Beitrag zur Pandemiebekämpfung zu leisten. Im Zuge der Pandemie fokussierte sich die Kampagne über die weiteren Hashtags #LüftenHilft, #ImpfenSchützt sowie #TestenHilft auch im Jahr 2021 auf den Schutz aller Beschäftigten sowie Schülerinnen und Schüler vor einer Corona-Infektion. Im Rahmen der Social-Media-Aktion #ImpfenSchützt trugen viele BG-Kliniken, Berufsgenossenschaften und Unfallkassen mit Testimonials aus ihren Branchen zu glaubwürdigen und motivierenden Impfbekenntnissen bei. Ergänzt durch Kooperationen mit Organisationen und Verbänden wurden verstärkt Online-Angebote wie digitale Erfahrungsaustausche sowie digitale kommmitmensch-Dialoge etabliert. Die Anfang 2021 entwickelte Web-Applikation KulturCheck ermöglichte die digitale Analyse und Aufarbeitung der Unternehmenskultur mittels einer komfortablen Online-Anwendung.

Partner und Partnerinnen der Kampagne

Im Rahmen der Kampagne gelang es, eine Vielzahl von Partnern und Partnerinnen für das Thema Kultur der Prävention zu gewinnen. Sie alle rücken Sicherheit und Gesundheit ebenfalls in den Fokus ihres Handelns und gehen mit gutem Beispiel voran:

  • Aktion DAS SICHERE HAUS (DSH)
  • Arbeitsschutzfilm.de
  • BFSI – Bundesverband freiberuflicher Sicherheitsingenieure und überbetrieblicher Dienste e. V.
  • Bundeswehr
  • Deutsche Rentenversicherung
  • DRS – Deutscher Rollstuhl-Sportverband e. V.
  • DVR – Deutscher Verkehrssicherheitsrat e. V.
  • Hochschule Furtwangen
  • Offensive Mittelstand
  • SVLFG – Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
  • VDSI – Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit e. V.
  • ZDH – Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V.

Fazit und Evaluation zur Kampagne

Die Bekanntheit der Kampagne nahm laut regelmäßiger Evaluierung und diversen Befragungen nach ihrem Start im Jahr 2017 stetig zu. Bei der Hauptzielgruppe, das heißt bei Geschäftsführungen und Leitungen (33 Prozent), war sie 2020 bekannter als bei Führungskräften (23 Prozent) und bei diesen wiederum bekannter als bei Beschäftigten (12 Prozent). Interessierte Expertinnen und Experten im Bereich Sicherheit und Gesundheit, die auf der Arbeitsschutzmesse A+A befragt wurden, kannten die Kampagne gut (64 Prozent). Besonders die kommmitmensch-Dialoge erlangten einen hohen Bekanntheitsgrad und wurden nach ihrem Einsatz von der Mehrheit der Befragten als nützlich eingeschätzt. Die tatsächlichen Nutzungszahlen sind jedoch deutlich geringer, da die Anwendung eine gewisse Vorbereitung und Durchführungszeit voraussetzt.

Der größte Teil der Personen, die die Kampagne kennen, hat sich mit ihren Inhalten beschäftigt. Dies führte bei 40 bis 60 Prozent dazu, die Kultur im eigenen Unternehmen zu reflektieren, häufiger über Sicherheit und Gesundheit nachzudenken, dies bei der Arbeit anzusprechen und darüber zu diskutieren. Die gewünschten Veränderungen gehen oft Hand in Hand mit anderen Aktivitäten in den Betrieben und Einrichtungen. Deshalb wird das Thema Kultur der Prävention auch nach der Kampagnenbeendigung zum 31. Dezember 2021 weiterhin eine zentrale Rolle spielen, um Prozesse und Maßnahmen für mehr Sicherheit und Gesundheit zielführend und nachhaltig zu stärken. Dazu wird es in die reguläre Präventionsarbeit der gesetzlichen Unfallversicherung überführt und in den Fachbereichen und Sachgebieten angesiedelt. Eine nachhaltige Umsetzung in den Unternehmen und Bildungsstätten benötigt einen dauerhaften Willen zur Veränderung und weitreichende Kapazitäten. Die Kampagne hat einige Prozesse anstoßen können, den großen Durchbruch in den Betrieben hat sie allerdings nicht geschafft.