Raus aus dem Lockdown in der Corona-Krise – in Europa regiert die Vielfalt
Die Corona-Pandemie hat zu einer unmittelbaren globalen Gesundheitskrise geführt und eine tief greifende Wirtschafts- und Sozialkrise ausgelöst. Sie hat Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen von Hunderten Millionen Menschen.
Die europaweiten teils schwerwiegenden Einschränkungen der Wirtschaftstätigkeit und des täglichen Lebens zur Eindämmung der Pandemie sind schnell erfolgt. Jedes Land hat für sich entschieden, welche Maßnahmen sinnvoll sind, im Ergebnis waren sie aber – wenn auch zeitverzögert – sehr ähnlich. Man hat förmlich darauf gewartet, wann das nächste Land seine Arbeitsstätten, Schulen, Geschäfte oder Restaurants schließt. Die Maßnahmen haben mittlerweile Wirkung gezeigt, vielen Ländern ist es gelungen, die Zahl der infizierten Personen und auch der Todesfälle zu senken.
Und schon steht Europa vor einer neuen Herausforderung: dem Ausstieg aus dem Lockdown. Immer mehr EU-Länder versuchen eine Rückkehr zur Normalität, wirtschaftliche Tätigkeiten sollen wieder aufgenommen werden. Viele Menschen fordern eine Lockerung oder gar Aufhebung der teilweise drastischen Einschnitte in ihr Alltagsleben. Hier war auch Brüssel gefragt. Die Staats- und Regierungschefs haben die Europäische Kommission gebeten, einheitliche Richtlinien für ein europäisch abgestimmtes Vorgehen zu entwickeln. Diese sollten sicherstellen, dass von der Lockerung in einem Land nicht eine neue Gefahr für ein anderes ausgeht. Sicherlich ein sinnvolles Vorgehen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Anspruch, zügig zu liefern. Und mit nur leichter Verspätung legte sie einen Fahrplan für einen EU-weiten Ausstieg aus Kontaktsperren und Grenzschließungen offiziell auf den Tisch. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten einige Länder bereits ihre eigenen Pläne vorgestellt. Ähnlich wie bei den Eindämmungsmaßnahmen ist auch hier wieder ein unterschiedlicher Rhythmus zu beobachten.
Die Empfehlungen der EU-Kommission sehen vernünftig aus und ähneln im Wesentlichen den von den betroffenen Mitgliedstaaten bereits eingeleiteten Maßnahmen. Es wird ein schrittweises Vorgehen empfohlen. Voraussetzung für die Lockerungen: Die Verbreitung des Virus muss stark zurückgegangen sein und die Gesundheitssysteme müssen ausreichend für einen möglichen Wiederanstieg der Infektionszahlen und schweren Verläufe der COVID-19-Erkrankungen gerüstet sein. Besonders wichtig seien auch ausreichendes Schutzmaterial zur Versorgung der Patientinnen und Patienten sowie eine Kontrolle der Ausbreitung durch breit angelegte Tests. Betont wird zudem, dass die Besonderheiten jedes Mitgliedstaates zu berücksichtigen sind, dennoch sind aus Sicht Brüssels ein koordiniertes Vorgehen zwischen den Mitgliedstaaten und ein gegenseitiges Informieren – auch der Europäischen Kommission – vor Einleitung entsprechender Lockerungen notwendig.
Mit den Lockerungen genehmigen die nationalen Verwaltungen der EU-Länder auch eine schrittweise Rückkehr an den Arbeitsplatz. Damit setzt die COVID-19-Krise Betriebe und Beschäftigte weiter unter Druck. Die Rückkehr ist komplizierter als die Schließung der Arbeitsstätten vor ein paar Wochen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber überlegen, wie sie die Arbeitsabläufe organisieren können, um die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz zu gewährleisten. Auch die Beschäftigten sind verunsichert. Niemand möchte sich mit Coronaviren am Arbeitsplatz oder auf dem Weg zur Arbeit infizieren. Das zeigt, welche enorme Bedeutung Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit für die Gesellschaft haben, nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für ihre Familien, die Unternehmen und die Sozialschutzsysteme.
Notwendig sind deswegen geeignete vorbeugende Maßnahmen. Auch hier gibt es Unterstützung von der EU. Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (EU-OSHA) hat Leitlinien für eine sichere Rückkehr an den Arbeitsplatz erarbeitet. Darin werden Antworten auf praktische Fragen der Betriebe gegeben.
Die Corona-Pandemie wird uns noch lange Zeit beschäftigen. Auch auf europapolitischer Ebene wird sie zu vielen weiteren Diskussionen führen. Vor allem die Frage, ob die Europäische Union in Bereichen, wie zum Beispiel der Gesundheitspolitik, mehr Kompetenzen erhalten sollte, steht schon jetzt im Raum.