Mehr Gesundheit im Betrieb am Beispiel der DGUV

Welchen Beitrag sollte ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) zur Gesunderhaltung im Betrieb leisten? Was ist bei der Umsetzung wichtig? Der Artikel erläutert, wie BGM sich neben sichtbaren Maßnahmen in den Strukturen des Betriebs verankern lässt. Am Beispiel des BGM der DGUV wird aufgezeigt, wie die Umsetzung in der Praxis funktionieren kann.

Ausgangspunkt

Es ist ein zentrales Anliegen der DGUV, für gesunde und sichere Arbeitsplätze zu sorgen und Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Das gilt sowohl für die Unternehmen und Einrichtungen in Deutschland als auch für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung der Gesundheit sollten so ausgestaltet sein, dass sie den kontinuierlichen Veränderungen in der Arbeitswelt und den damit verbundenen Herausforderungen gerecht werden. BGM umfasst nach dem gemeinsamen Verständnis zur Ausgestaltung des Präventionsfeldes „Gesundheit im Betrieb“ durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die DGUV „die systematische Entwicklung und Steuerung betrieblicher Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse, die die gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeit und Organisation sowie die Befähigung zum gesundheitsfördernden Verhalten zum Ziel haben“[[1]]. Das bedeutet, dass zielgerichtet und bedarfsorientiert sowohl verhaltens- als auch verhältnispräventive Maßnahmen entwickelt und durchgeführt werden. Diese entstehen in einem Prozess, der folgende Schritte umfasst: Schaffung der strukturellen Voraussetzungen, Analyse, Interventionsplanung, Maßnahmenplanung, Durchführung der Maßnahmen und Evaluation. Nur über die Integration in die Strukturen und Prozesse eines Betriebes kann das Thema Gesundheit der Beschäftigten mit seinen physischen, psychischen und sozialen Dimensionen in allen Bereichen mitgedacht werden. Doch wie kann die systematische Umsetzung aussehen und die Verzahnung mit Themen der Sicherheit, dem Personalbereich und weiteren Querschnittsthemen praktisch gelingen?

Betriebspolitische und strukturelle Voraussetzungen

Gesundheit im Betrieb als systematischen und kontinuierlichen Prozess anzugehen, erfordert die ausdrückliche und nachhaltige Unterstützung und Begleitung des Themas durch die Unternehmensleitung. Die Mitwirkung von Betriebs- beziehungsweise Personalrat ist dabei ebenfalls wesentlich. Über Rahmenregelungen oder Vereinbarungen (zum Beispiel eine Betriebsvereinbarung) wird das Thema schriftlich verankert. Innerhalb dieser schriftlichen Rahmenregelungen sollten Grundsätze, Ziele, Vorgehensweisen sowie Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten geregelt werden. Die Einrichtung eines Steuerungsgremiums, beziehungsweise die Integration des BGM in den Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit, ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Institutionalisierung von Gesundheit im Betrieb. Darüber hinaus sollte eine verantwortliche Person für die Koordination des BGM sowie von Projektteams im Rahmen des BGM beziehungsweise eine BGM-Beauftragte oder ein BGM-Beauftragter benannt werden. Die verantwortliche Person für die Koordination des BGM koordiniert auch die Aufgaben der BGM-Beauftragten. In Abhängigkeit von der speziellen Situation des jeweiligen Unternehmens oder der Einrichtung kann es zudem ratsam sein, externe Unterstützung (zum Beispiel BGM-Beratende der Krankenkassen, der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen oder der gesetzlichen Rentenversicherung) hinzuzuziehen. Diese gehen in die Betriebe und beraten zum Aufbau sowie zur Umsetzung eines BGMs. Eine weitere wesentliche Voraussetzung für einen systematischen Prozess ist die Erarbeitung konkreter und überprüfbarer inhaltlicher Zielsetzungen für Gesundheit im Betrieb. Dies passiert idealerweise abgeleitet aus der Unternehmensstrategie. Schließlich geht es darum, Gesundheit im Betrieb mit dem betrieblichen Arbeitsschutz, mit dem Bereich Personal sowie anderen Human-Resources-(HR-)Themen und Führungsinstrumenten zu vernetzen. Außerdem kommt der internen Kommunikation eine wichtige Rolle zu, um alles, was geplant, getan und erreicht worden ist, transparent darzustellen.

Das BGM der DGUV orientiert sich in seiner Umsetzung an den Qualitätskriterien im Präventionsfeld Gesundheit im Betrieb der gesetzlichen Unfallversicherungsträger und der DGUV[[2]] und verfolgt damit einen systematischen, kontinuierlichen Prozess. Die Maßnahmen des BGM der DGUV zielen darauf ab, einen Beitrag zur Stärkung der Gesundheit und damit zur Vorbeugung oder Verringerung von arbeitsbedingten Beeinträchtigungen der Beschäftigten zu leisten. Sie sollen helfen, Kosten aufgrund von krankheitsbedingten Fehlzeiten, Leistungseinbußen, Demotivation oder Präsentismus zu senken. Darüber hinaus soll die Attraktivität der DGUV als Arbeitgeberin gestärkt werden. Gesundheit im Betrieb soll in der betrieblichen Alltagspraxis verankert werden. Eine aktive Unterstützung der Führungskräfte und die Beteiligung der Beschäftigten sind dafür Voraussetzungen.

Bereits seit 2005 gibt es gesundheitsbezogene Maßnahmen in der DGUV. Zu diesem Zeitpunkt wurden niederschwellige Angebote wie die Mittagsgymnastik ins Leben gerufen. Im Jahr 2012 wurde ein Steuerungsgremium konstituiert und eine BGM-Koordinatorin eingestellt. Das namentliche Bekanntmachen von BGM-Beauftragten an den einzelnen Standorten verlieh dem BGM ein Gesicht und eine persönliche Note. Es entstanden weitere betriebspolitische Voraussetzungen wie die Gesamtbetriebsvereinbarung „Gesundheit“ sowie ein Budget, Räumlichkeiten und Qualifizierungsmaßnahmen. Die Maßnahmen werden seitdem auch in einer Rubrik im Intranet veröffentlicht. Darüber hinaus entstanden eine Führungskräfte-Leitlinie im Bereich Beruf und Familie, die Gesamtbetriebsvereinbarungen „Beurteilung psychischer Belastungen“ und „Suchtprävention und Suchthilfe“, ein Netz an Suchtbeauftragten sowie Regelungen zur Arbeitsunfähigkeits-(AU-) Datenauswertung.

Im Jahr 2020 wurde das BGM noch stärker mit dem Thema Sicherheit und mit den Strukturen der DGUV verknüpft. Ein überregionaler Arbeitskreis „Sicherheit, Gesundheit, Inklusion“ wird seitdem vom Hauptgeschäftsführer der DGUV geleitet, ein eigens geschaffenes Referat verzahnt den Arbeitsschutz, das BGM, das Betriebliche Wiedereingliederungsmanagement (BEM), Inklusion und die arbeitsmedizinische Betreuung der DGUV. Über die Einbindung in die Hauptabteilung Personal besteht ein enger Austausch mit Personalentwicklung und -marketing sowie der Projektleitung zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Analysen als Grundlage für die Planung von Interventionen

In der Analysephase des BGM geht es darum, den Istzustand bezüglich der gesundheitsbezogenen Situation der Beschäftigten, ihrer Arbeits- und Organisationsbedingungen und möglicher pathogener („krank machender“) und salutogener („gesund machender“) Einflussfaktoren zu erheben. Dieser Schritt kann beispielsweise mithilfe der Gefährdungsbeurteilung, von Beschäftigtenbefragungen, Arbeitssituationsanalysen, Gesundheitszirkeln und Kennzahlenerhebungen zu Arbeitsunfähigkeit und Altersstruktur realisiert werden. Über die Nutzung verschiedener Daten- und Informationsquellen kann ein umfassendes Bild der Ist-Situation erstellt werden. Dieses wird in einem Gesundheitsbericht festgehalten. In der Analysephase lassen sich die Grundlagen für die Planung und Durchführung von nachfolgenden Interventionen und die Evaluation schaffen. Anhand der Ist-Analyse können innerhalb des Prozesses der Interventionsplanung Ziele und Maßnahmen für „Gesundheit im Betrieb“ abgeleitet werden, wodurch ein systematisches Vorgehen unterstützt wird. Die Ziele ergeben sich aus den identifizierten Handlungsbedarfen.

Im hier aufgeführten Beispiel des BGM der DGUV wurde im Jahr 2011 eine Bestandsaufnahme zum BGM an allen Standorten durchgeführt. Diese erfolgte mithilfe des BGM-Checks[[3]] (Schmidt, 2012). An einigen Standorten formierten sich Gesundheitszirkel. Der Einsatz der Prüfliste der Unfallversicherung Bund und Bahn[[4]] in den Jahren 2015 und 2016 verschaffte einen Überblick zu psychischen Belastungen in den Organisations- und Tätigkeitsbereichen der DGUV. Anschließende Gruppengespräche vertieften die Analyse und führten zur Erarbeitung entsprechender Maßnahmen. In die Analyse fließen seitdem regelmäßig ein:

  • ein kassenübergreifender Gesundheitsbericht
  • die Auswertung der Arbeitsunfähigkeitszeiten
  • die Anzahl an BEM-Verfahren sowie
  • die Anzahl der externen Beschäftigtenberatungen

Auch in anderen Zusammenhängen durchgeführte Analysen, wie zum Beispiel der KulturCheck[[5]], werden hinsichtlich gesundheitsbezogener Fragestellungen ausgewertet. Neben dem Einsatz dieser konkreten Instrumente erfassen die BGM-Beauftragten und die Gremien kontinuierlich die Bedarfe der Beschäftigten.

Planung konkreter Maßnahmen

In der Planungsphase des BGM werden zielgruppenspezifisch, zielorientiert und bedarfsbezogen Maßnahmen ausgewählt, entwickelt und priorisiert. Dies erfolgt im Steuerungsgremium oder in Ideen-Treffen unter Einbeziehung der Beschäftigten. Dazu werden unterstützend wissenschaftliche Erkenntnisse zur Umsetzung und Wirkung der Maßnahmen genutzt.

In der DGUV werden die Ergebnisse der Analysephase in einem Gesundheitsbericht ausgewertet. Sie werden im Steuerkreis beraten, es werden operative Ziele, die sich an den strategischen Zielen orientieren, entwickelt und Maßnahmen angepasst. Die Ausrichtung der Maßnahmen im BGM an konkreten Zielen wird durch eine Übersicht erreicht, die systematisch die formulierten Ziele des BGM der DGUV auflistet und mit den zentralen Maßnahmen in Zusammenhang bringt. Dies verdeutlicht, zu welchen Zielen in der DGUV bereits Maßnahmen vorhanden sind und wo noch Bedarf besteht. Aus den Analyseergebnissen ergeben sich zudem neue Handlungsfelder, die in die Übersicht aufgenommen werden.

Umsetzung der gesundheitsbezogenen Maßnahmen

Bei der Umsetzung von Maßnahmen wird entsprechend der in der Planung inhaltlich und konzeptionell festgelegten Vorgehensweise agiert, wobei auf Zeit-, Arbeits- und Kostenpläne zu achten ist. Die Maßnahmen zielen auf die Verbesserung der Verhältnisse der Arbeitsbedingungen durch technische und organisatorische Maßnahmen ab. Das können zum Beispiel die Verbesserung von Arbeitsbedingungen, die Gestaltung der Arbeitsorganisation und des sozialen Klimas oder ein gesundheitsförderliches Verhalten der Beschäftigten sein.

Verhältnisbezogene Maßnahmen in der DGUV entwickeln sich stark in Verbindung mit anderen Bereichen, denn betreffende Maßnahmen lassen sich nur selten isoliert betrachten. Dabei sind standortübergreifende Aspekte und Schnittstellenthemen genauso wichtig wie die strategische Unternehmensausrichtung. Aus diesem Grund ist die weiter oben beschriebene Vernetzung so wichtig. So lassen sich die Maßnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und schnell ganzheitliche Lösungen finden, da die Abstimmungsprozesse organisatorisch verankert und kurz gestaltet sind. Die organisatorische Einbindung in die Personalabteilung erweitert diesen Punkt noch um das enge Zusammenwirken der strategisch-planerischen Bereiche mit den umsetzenden Bereichen (Personalentwicklung, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, betriebsmedizinische Versorgung, Zeitwirtschaft, Vereinbarkeit, Diversity). So wird das Thema Gesundheit im Betrieb bei Führungsthemen, neuen Regelungen wie einer Gesamtbetriebsvereinbarung zum „flexiblen Arbeiten“, Kompetenztrainings und Fortbildungen automatisch in den systemischen Prozess integriert.

Im Bereich der Verhaltensprävention entstanden über die Jahre umfangreiche standortübergreifende und -spezifische Angebote und Aktionen in folgenden Bereichen:

  • Bewegung und Ernährung
  • Stressbewältigung und Entspannung
  • Ergonomie und Gesundheitsberatung am Arbeitsplatz
  • Pausengestaltung
  • Führung und Gesundheit
  • Vermeidung von Suchtverhalten und Suchthilfe
  • Externe Beschäftigten- und Führungskräfteberatung

Im Jahr 2020 wurden weitreichende digitale standortübergreifende Maßnahmen angeboten. Dazu zählen zum Beispiel ein Online-Kursprogramm, E-Learning-Angebote zu psychischer Gesundheit, Online-Gesundheitsberatung und Online-Coaching sowie ein digitaler Gesundheitstag. Kolleginnen und Kollegen aller Standorte haben nun die Möglichkeit, gemeinsam an Maßnahmen zur Gesunderhaltung zum Beispiel durch Online-Kurse teilzunehmen. Zusammenhalt und Gemeinsamkeit entwickeln sich so standortübergreifend.

Evaluation für eine kontinuierliche Verbesserung

Die Evaluation im Handlungszyklus „Gesundheit im Betrieb“ überprüft, ob die gesetzten Ziele erreicht und Standards eingehalten wurden. Im Rahmen der Evaluation kommt es zu einer Bewertung der implementierten Strukturen und Prozesse sowie der erzielten Ergebnisse in Form eines Soll-Ist-Vergleichs. Die Evaluation dient sowohl der Verbesserung des Prozesses als auch zum Nachweis der Wirksamkeit. Eine umfassende Evaluation ist zudem im Rahmen des Aufbaus und der Weiterentwicklung des BGM von Bedeutung.

Die Evaluation des BGM in der DGUV setzt an verschiedenen Stellen an, wobei quantitative und qualitative Verfahren kombiniert werden. Klassische Befragungen zu Maßnahmennutzung, Bekanntheit und Bedarfen oder zur Evaluation von Einzelmaßnahmen, zum Beispiel des ersten digitalen Gesundheitstags, werden ebenso durchgeführt wie Gespräche, Bilanzierungsworkshops oder Rückmeldungen der BGM-Beauftragten. Darüber hinaus werden die in der Analysephase verwendeten Kennzahlen aus dem Gesundheitsbericht sowie der Bericht des Corporate Health Audit mit entsprechendem Benchmark für die Evaluation genutzt. Die regelmäßige Gesamtschau der Ergebnisse macht deutlich, ob die Ziele und Maßnahmen gegebenenfalls neu priorisiert und angepasst werden müssen.

Fazit

Mit dem BGM setzt die DGUV einen Schwerpunkt auf die Gesundheit ihrer Beschäftigten. Die Vernetzung des BGM mit den Bereichen Sicherheit, Personal, Inklusion, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Diversity trägt dazu bei, den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Arbeitswelt, die mit dem technologischen und organisatorischen, gesellschaftlichen und demografischen Wandel verbunden sind, gesund und sicher zu begegnen.