Stationäre Rehabilitation nach berufsbedingter SARS-CoV-2-Infektion

Viele Beschäftigte, vor allem im Gesundheitswesen, infizierten sich während der Coronapandemie mit SARS-CoV-2 und sind von Post-COVID betroffen. Im Beitrag werden kurz- und langfristige Veränderungen der biopsychosozialen Gesundheit nach einem stationären Heilverfahren an der BG Klinik Bad Reichenhall berichtet und Handlungsempfehlungen für die Versorgung abgeleitet.

Die COVID-19-Pandemie hat das Gesundheitswesen weltweit vor beispiellose Herausforderungen gestellt. Neben der Versorgung akut Erkrankter zeigte sich zunehmend, dass viele Betroffene langfristige Gesundheitsprobleme nach COVID-19 entwickelten. Eine akute Infektion mit SARS-CoV-2 kann zu verschiedenen, mitunter längerfristig anhaltenden Beschwerden führen.[1][2] Gemäß der Leitlinie des NICE (National Institute for Health and Care Excellence) werden anhaltende Symptome nach einer akuten SARS-CoV-2-Infektion, die länger als zwölf Wochen fortbestehen und nicht anderweitig erklärt werden können, als Post-COVID klassifiziert.[3]

Zu Beginn der Pandemie fehlten Informationen zur Virusübertragung sowie klare Hygienekonzepte, weshalb insbesondere Mitarbeitende im Gesundheitsdienst mit unmittelbarer Betreuungs- und Pflegeverantwortung als besonders vulnerable Gruppen galten. Mittlerweile ist bekannt, dass diese Arbeitsplätze durch enge zwischenmenschliche Kontakte generell ein Hochrisiko-Umfeld für die Übertragung von SARS-CoV-2 darstellen.[4][5] Ebenso zeigte sich, dass vor allem Fachkräfte im Gesundheits- und Sozialwesen eine höhere Prävalenz für eine Infektion mit SARS-CoV-2 aufweisen als die Allgemeinbevölkerung.[6]

Bereits vor dem Beginn der Pandemie konnten Infektionskrankheiten nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII in Verbindung mit der Nr. 3101 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) als Berufskrankheit anerkannt werden. Bis dahin betraf dies vor allem Infektionskrankheiten wie Hepatitis oder HIV, also Erkrankungen, bei denen das berufliche Infektionsrisiko primär auf die Bereiche Gesundheitsdienst, Wohlfahrtspflege und Laboratorien konzentriert war.

Auch eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann nach § 9 Abs. 1 SGB VII als Berufskrankheit (BK-Nr. 3101) entsprechend der BKV anerkannt werden, wenn die Erkrankung bei versicherten Personen infolge ihrer beruflichen Tätigkeit mit wesentlich erhöhter Infektionsgefahr gegenüber der allgemeinen Bevölkerung, etwa im Gesundheitsdienst und der Wohlfahrtspflege, auftritt. In allen anderen Fällen kommt beim Nachweis einer arbeitsbedingten Infektion ein Arbeitsunfall in Betracht. In Deutschland wurden bis Dezember 2024 insgesamt 362.757 COVID-19-Fälle als Berufskrankheit und 27.195 COVID-19-Fälle als Arbeitsunfälle anerkannt.[7]

Nach einer akuten SARS-CoV-2-Infektion entwickeln etwa drei bis zehn Prozent der infizierten Personen anhaltende Post-COVID-Symptome, wobei die Häufigkeit je nach Virusvariante, Population und Studiendesign variieren kann.[8][9] Bisherige Forschungserkenntnisse identifizierten insbesondere drei zentrale Symptomcluster bei Post-COVID: Fatigue, kognitive Einschränkungen und Atemwegbeschwerden.[10] Diese persistierenden Symptome beeinträchtigen nicht nur das körperliche und psychische Wohlbefinden der Betroffenen, sondern sind auch mit erheblichen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit und die Rückkehr zur Arbeit (RTW) nach der Infektion assoziiert.[11] In diesem Kontext kommt rehabilitativen Maßnahmen eine zentrale Bedeutung zu, um einen Beitrag zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und der Wiedereingliederung in den beruflichen Alltag zu leisten.[12]

Laut den „DGP Empfehlungen zur pneumologischen Rehabilitation bei COVID-19“ (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.)[13] können ganzheitliche, multimodale und interdisziplinäre Rehabilitationsansätze einen erheblichen Beitrag zur Reduzierung körperlicher und psychischer Einschränkungen leisten. Dies fördert nicht nur die Stabilisierung der physischen und psychischen Belastbarkeit, sondern bildet zugleich die Grundlage für die langfristige Arbeitsfähigkeit, insbesondere nach den komplexen Krankheitsverläufen, die mit COVID-19 einhergehen. Trotz dieser Annahmen war im Jahr 2020 weitgehend unklar, inwieweit rehabilitative Maßnahmen biopsychosoziale Gesundheitsparameter von COVID-19-Patientinnen und -Patienten positiv beeinflussen können und wie nachhaltig diese insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit sowie die Prävention von Berufsunfähigkeit sind. Zudem fehlte es an Erkenntnissen zur evidenzbasierten Steuerung und Umsetzung von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen sowie zu den Leistungen im Reha-Management für Versicherte mit COVID-19.

Vor diesem Hintergrund verfolgte das Forschungsprojekt „Auswirkungen von COVID-19 als BK-Nr. 3101 oder anerkannter Arbeitsunfall auf die körperliche Belastbarkeit, psychische Gesundheit und Arbeitsfähigkeit – ein Beitrag zur Handlungssicherheit im Reha-Management“ zwei zentrale Ziele:

  • Die mittel- und langfristigen Auswirkungen von COVID-19 auf die körperliche Belastbarkeit, psychische Gesundheit und Arbeitsfähigkeit von Versicherten mit der BK-Nr. 3101 oder nach einem anerkannten Arbeitsunfall sollten detailliert erfasst und mögliche Zusammenhänge beschrieben werden.
  • Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen sollten Empfehlungen zur Steuerung, inhaltlichen Weiterentwicklung und zielgerichteten Begleitung der medizinischen Rehabilitation im Rahmen des Reha-Managements für diese Versicherten entwickelt werden.

Das Forschungsprojekt wurde von Mai 2021 bis Januar 2024 an der Technischen Universität (TU) Chemnitz in Kooperation mit der BG Klinik Bad Reichenhall durchgeführt und von der DGUV finanziert (FF-FB 326). Die im Rahmen des Projekts umgesetzte Studie ist im Deutschen Register für klinische Studien unter DRKS00022928 registriert und ethisch geprüft (Ethikkommissionen der Bayerischen Landesärztekammer (Nummer 21092) und der TU Chemnitz, Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften (Nummer V-427-17-KM-COVID-19-18022021)). Ausführliche Informationen zum Studienprotokoll und zu inhaltlichen Aspekten der stationären Post-COVID-Rehabilitation in der BG Klinik Bad Reichenhall berichteten Müller et al.[14]

In die längsschnittliche Beobachtungsstudie mit insgesamt vier Messzeitpunkten, zu Beginn (T1) und zum Ende (T2) der Rehabilitation sowie sechs (T3) und zwölf Monate (T4) nach der Rehabilitation, wurden 127 Patientinnen und Patienten in der postakuten Phase von COVID-19 als Berufskrankheit (BK-Nr. 3101) oder Arbeitsunfall eingeschlossen. Alle Beteiligten nahmen an einem stationären multimodalen Post-COVID-Rehabilitationsprogramm mit einer Dauer von M = 28,77 (Range: 9–42) Tagen in der BG Klinik für Berufskrankheiten Bad Reichenhall teil. Neben soziodemografischen Daten, der Post-COVID-Symptomatik und der Arbeitsfähigkeit wurden die psychische und kognitive Gesundheit durch den Einsatz von Fragebogeninstrumenten, Testbatterien und Interviews erfasst. Die körperliche Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit wurden mittels verschiedener Untersuchungsverfahren (zum Beispiel Sechs-Minuten-Gehtest, Spiroergometrie) erhoben. Die ausgewählten Ergebnisse, die nachfolgend vorgestellt werden, sind dem Abschlussbericht des Forschungsprojekts[15] entnommen. Ergänzend wird auf drei Publikationen von Müller, et al[16][17][18] verwiesen, die umfassend die kurz-, mittel- und langfristigen Verläufe der biopsychosozialen Gesundheitsparameter von Post-COVID-Patientinnen und -Patienten analysieren. Zusätzlich werden in den genannten Publikationen mögliche Einflussfaktoren (zum Beispiel Schwere der Akutinfektion, Vorerkrankungen, Nachsorgeangebote) auf den Verlauf der erhobenen Parameter dargestellt.

Beschreibung des Studienkollektivs

Zu T1 nahmen 127 Post-COVID-Patientinnen und -Patienten an der Studie teil (weiblich: n = 97). Diese waren im Mittel 50,6 Jahre alt. Der erhobene sozioökonomische Status zeigte, dass 61,1 Prozent einen hohen und 34,1 Prozent einen mittleren sozioökonomischen Status aufwiesen. Der Body-Mass-Index (BMI) lag im Mittel bei 31,5 Kilogramm pro Quadratmeter, bei 52,5 Prozent der Teilnehmenden bestand entsprechend dem BMI eine Adipositas Grad I–III. Vor COVID-19 wurden unter anderem folgende Erkrankungen diagnostiziert: Hypertonie (29,9 Prozent), Asthma bronchiale (16,5 Prozent), onkologische Erkrankungen (11,0 Prozent), Diabetes mellitus Typ II (7,8 Prozent). Lediglich 1,6 Prozent der Patientinnen und Patienten gaben keine Vorerkrankungen an.

Zu Beginn der stationären Rehabilitation (T1) lag die Infektion mit SARS-CoV-2 im Mittel 408,8 Tage zurück und bei 29,6 Prozent der Teilnehmenden wurde eine Pneumonie während der Akutphase der Infektion diagnostiziert. Eine intensivmedizinische Behandlung benötigten 33 der Teilnehmenden. Gemäß der WHO-Klassifikation zeigten 91 Patientinnen und Patienten einen milden/moderaten Krankheitsverlauf und 36 einen schweren/kritischen Verlauf.

Kurzfristige Veränderungen

Im Rehabilitationsverlauf konnte eine prozentuale Abnahme in der Prävalenz der selbstberichteten Post-COVID-Symptomatiken festgestellt werden. Lediglich in den neurologischen Beschwerden war keine Verbesserung zu beobachten und die Prävalenz der Muskel- und Gelenkschmerzen nahm leicht, aber nicht signifikant, zu. Hinsichtlich der körperlichen Belastbarkeit bestätigten die durchgeführten Belastungstests die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit im Rehabilitationsverlauf. Lediglich die Handkraft zeigte keine signifikanten Verbesserungen. Zum Rehabilitationsende nahmen die Post-COVID-Patientinnen und -Patienten eine subjektiv verbesserte körperliche Belastbarkeit wahr. Die Ergebnisse der neuropsychischen Gesundheit und Fatigue verdeutlichten ebenfalls positive Verläufe. In den Parametern Angst, Depressivität, kognitive Fähigkeiten und Fatigue-Schwere ergaben sich im Rehabilitationsverlauf signifikante Verbesserungen. Subjektiv schätzten die Post-COVID-Patientinnen und -Patienten ihre psychische Gesundheit zum Ende der Rehabilitation signifikant besser ein als zuvor. Trotz der erzielten Verbesserungen in der körperlichen Belastbarkeit und neuropsychischen Gesundheit lag dennoch eine eingeschränkte subjektive Wahrnehmung der individuellen Arbeitsfähigkeit der untersuchten Stichprobe zum Rehabilitationsende vor. 73 Prozent waren weiterhin arbeitsunfähig.

Mittel- und langfristige Veränderungen

Hinsichtlich der selbst berichteten Post-COVID-Symptome gestaltete sich der mittel- und langfristige Verlauf symptomabhängig sowie heterogen und war durch eine ausgeprägte Symptomschwere gekennzeichnet. Die verbesserte körperliche Belastbarkeit direkt im Anschluss einer stationären Rehabilitation konnte über den Zeitraum von zwölf Monaten aufrechterhalten werden. Für die erhobenen neuropsychischen Parameter ergaben sich im mittel- und langfristigen Verlauf heterogene Ergebnisse. Die Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten, die im direkten Anschluss der Rehabilitation beobachtet werden konnte, blieb auch zu T3 und T4 erhalten. Hingegen nahm die Depressivität und Ängstlichkeit zwölf Monate nach Rehabilitationsende wieder zu. Hinsichtlich der Fatigue-Schwere wurde eine signifikante Verschlechterung im Vergleich zum Ausgangsniveau (T1) nachgewiesen. Ebenso verschlechterte sich die subjektive Einschätzung der eigenen psychischen Gesundheit der Post-COVID-Patientinnen und -Patienten zu T4. Der Anteil der Arbeitsunfähigen verringerte sich zwar im mittel- und langfristigen Verlauf auf 55 Prozent zu T3 und 48,6 Prozent zu T4. Allerdings zeigte sich hinsichtlich der subjektiven Einschätzung der Arbeitsfähigkeit keine Verbesserung, sondern sogar eine Verschlechterung zu T4. Abbildung 1 stellt den Status der Arbeitsfähigkeit der Teilnehmenden zu T3 und T4 dar.

Abbildung 1: Arbeitsfähigkeit und Return to Work von Post-COVID-Patientinnen und -Patienten sechs (T3) und zwölf (T4) Monate nach einer stationären Rehabilitation (EM-Rente – Erwerbsminderungsrente). | © Müller et al. / Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 1: Arbeitsfähigkeit und Return to Work von Post-COVID-Patientinnen und -Patienten sechs (T3) und zwölf (T4) Monate nach einer stationären Rehabilitation (EM-Rente – Erwerbsminderungsrente). ©Müller et al. / Grafik: kleonstudio.com

Zusammenfassung und Fazit

Zusammenfassend weisen die Ergebnisse zur körperlichen Belastbarkeit und neuropsychischen Gesundheit auf eine gute Wirksamkeit der eingeleiteten Rehabilitationsmaßnahmen hin und bestätigen bestehende Befunde zu Effekten einer stationären Rehabilitation bei Post-COVID.[19][20] Im Versorgungsprozess sollte deshalb die Zugänglichkeit zu rehabilitativen Maßnahmen für diese Versichertengruppe erleichtert werden. Im mittel- und langfristigen Verlauf sind die Ergebnisse zur biopsychosozialen Gesundheit abhängig von den erhobenen Parametern. Die Längsschnittergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit langfristiger Therapieangebote in der Versorgung von Post-COVID-Patientinnen und -Patienten. Vor allem hinsichtlich der psychischen Gesundheit und Fatigue sind gezielte Nachsorgestrategien notwendig, um die erzielten Verbesserungen nach einer stationären Rehabilitation auch langfristig aufrechtzuerhalten. Faktoren wie die hohe Krankheitslast, gesellschaftliche Stigmatisierung und die ungewisse berufliche Zukunft stehen als Ursachen im negativen Zusammenhang mit der psychischen Symptomatik der Betroffenen.

Im Forschungsprojekt wurde ermittelt, dass Faktoren wie Alter, Geschlecht, bestehende Vorerkrankungen, akuter COVID-19-Status, sozioökonomischer Status und die jeweilige Berufsgruppe den Krankheitsverlauf hinsichtlich körperlicher Belastbarkeit, psychischer Gesundheit und Arbeitsfähigkeit beeinflussen.[21][22][23] Dies verdeutlicht den Bedarf an individualisierten Strategien und Maßnahmen sowohl im Rehabilitationsprozess als auch in der Nachsorge.

Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie ist die anhaltende schlechte Einschätzung der subjektiven Arbeitsfähigkeit der Betroffenen und die hohe Anzahl an Arbeitsunfähigen auch zwölf Monate nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme. Die lange Phase der Arbeitsunfähigkeit ist nicht nur mit individuellen Auswirkungen beispielsweise in Bezug auf die biopsychosoziale Gesundheit sowie berufliche und gesellschaftliche Teilhabe der Post-COVID-Patientinnen und -Patienten assoziiert, sondern auch mit erheblichen Produktivitätsverlusten in Unternehmen und finanziellen Belastungen der Gesundheits- und Sozialversicherungssysteme. Demzufolge ist die Entwicklung individueller Strategien zur beruflichen Wiedereingliederung notwendig.

Zusammenfassende Handlungsempfehlungen

Die Ergebnisse sowohl von im Rahmen des Forschungsprojekts durchgeführten Workshops mit Expertinnen und Experten[24] als auch die der umgesetzten qualitativen Interviews mit Fachkräften der BG Klinik Bad Reichenhall verdeutlichten die Herausforderungen in der Umsetzung von Rehabilitationsmaßnahmen für Post-COVID-Patientinnen und -Patienten. Daraus ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen für die Rehabilitation von Post-COVID-Patientinnen und -Patienten:
 

  • ganzheitlicher, interdisziplinärer Ansatz mit enger Zusammenarbeit von Fachpersonal und verschiedenen Gesundheitsdienstleistern, um die Heterogenität individueller Krankheitsverläufe konsequenter zu beachten
  • Pacing (Ressourcenmanagement) und psychosoziale Unterstützung, um individuelle Belastungsgrenzen spezifischer zu managen und Stigmatisierung entgegenzuwirken
  • schrittweise Wiedereingliederung ins Berufsleben mit frühzeitigen Absprachen im Unternehmen und einer flexiblen Steuerung von Wiedereingliederungsprozessen
  • langfristige Nachsorgeangebote sowie Ansprechpersonen zur nachhaltigen Sicherung der Rehabilitationserfolge in Bezug auf den Erhalt beziehungsweise die Wiederherstellung der biopsychosozialen Gesundheit und Arbeitsfähigkeit