Der VISION ZERO-Fund – kollektives Handeln für sichere und gesunde Lieferketten

Damit der Vision Zero-Fund funktioniert, müssen alle Beteiligten bereit sein, Hand in Hand zu agieren. Denn nur durch kollektives Handeln können die vielfältigen Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit branchenweit angepackt und für sichere und gesunde Lieferketten gesorgt werden.

Jeden Morgen gehen 1.000 Menschen weltweit zur Arbeit und kommen nicht mehr zurück nach Hause. Weitere 6.500 Menschen sterben jeden Tag an Krankheiten, die mit ihrer Arbeit in Zusammenhang stehen.

Das sind die Menschen, die unsere Kleidung herstellen, die die Bohnen für unseren Kaffee anbauen, die Gebäude bauen, in denen wir leben und arbeiten. Sie brauchen sichere und gesunde Arbeitsplätze. Sie verdienen unser gemeinsames Engagement für die Verbesserung von Gesundheit und Sicherheit in der gesamten globalen Lieferkette.

Der Vision Zero-Fund (VZF) arbeitet auf das Ziel hin, die Anzahl der tödlichen und schweren arbeitsbezogenen Verletzungen und Krankheiten auf null zu reduzieren, indem er die Praktiken und Bedingungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit in den Sektoren, die in globale Lieferketten eingebunden sind, verbessert und indem er die institutionellen Rahmenbedingungen wie Arbeitsaufsichtsbehörden und Arbeitsunfallversicherungen in den Ländern stärkt, die in solche globalen Lieferketten eingebunden sind.

Zu diesem Zweck erleichtert der VZF das kollektive Handeln durch ein Modell der gemeinsamen Verantwortung. Als Teil der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) nutzt der VZF seine Einberufungsbefugnis, um Interessengruppen zusammenzubringen und branchenweite (und nicht unternehmensspezifische) Strategien zu entwerfen und auszuarbeiten.

Der Fund arbeitet vor allem in weniger entwickelten Ländern mit schwacher Regierungsführung und in Sektoren wie der Landwirtschaft und dem Baugewerbe, in denen nachweislich erhebliche Defizite bei der Schaffung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen bestehen. Eine Voraussetzung für die Finanzierung ist die Verpflichtung der Länder und der beteiligten Akteurinnen und Akteure zur Prävention und zur Umsetzung von Mindeststandards in den Bereichen Arbeit, Umwelt und Sicherheit. 

Abbildung 1: Begünstigte Länder des Vision Zero Fund | © IAO 2023
Abbildung 1: Begünstigte Länder des Vision Zero Fund ©IAO 2023

Modell für kollektives Handeln

Im Jahr 2017 ermutigten die Arbeitsminister und Arbeitsministerinnen der G-20-Staaten in ihrer Erklärung zur Unterstützung des Vision Zero-Fund „Regierungen, Sozialpartner, lokale und internationale Unternehmen sowie Nichtregierungsorganisationen zum kollektiven Handeln zum Zwecke der Vorbeugung von Arbeitsunfällen und verpflichte[te]n sich zur Umsetzung geeigneter Maßnahmen im Rahmen des Vision Zero-Fund[1].

Auf der Grundlage dieses Mandats hat der VZF das kollektive Handeln zu einem zentralen Bestandteil seiner gegenwärtigen Strategie gemacht. Der Ansatz beruht auf der Vorstellung, dass die Ursachen für Sicherheits- und Gesundheitsdefizite in globalen Lieferketten komplex und vielschichtig sind und nicht von einer Akteurin oder einem Akteur allein angegangen werden können. Die wirksame und nachhaltige Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit in Lieferketten erfordert einen Ansatz, der ein breites Spektrum von gemeinsam handelnden Akteurinnen und Akteuren mit einbezieht.

Die Strategie wird definiert als ein „Multi-Stakeholder-Ansatz, der Regierungen, Beschäftigte und Gewerkschaften, Arbeitgeber und deren Verbände, multilaterale Organisationen, die Zivilgesellschaft und Entwicklungsorganisationen mit einbezieht. Sie arbeiten so zusammen, dass jeder seiner Verantwortung im Einklang mit seinen organisatorischen Aufgaben gerecht wird, um einen vereinbarten Plan oder Maßnahmenkatalog zur Verringerung schwerer oder tödlicher Arbeitsunfälle, Verletzungen oder Krankheiten in globalen Lieferketten umzusetzen“[2].

Umsetzung von faktengestützten Lösungen

Der VZF entwickelte einen spezifischen Ansatz und einen Rahmenplan für Maßnahmen zugunsten von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit in globalen Lieferketten. Er wählt Länder und Sektoren nach bestimmten Kriterien aus und untersucht dann die gesamte Lieferkette unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit, um Risiken und strategische Ansatzpunkte für Verbesserungen zu ermitteln. In jedem Projektland führt der VZF vor der Umsetzung von Maßnahmen eine umfassende Beurteilung durch, die sogenannte Beurteilung der Triebkräfte und Hemmnisse für die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit[3]. Diese Beurteilung bietet Folgendes:

  • Ein ganzheitliches Verständnis einer bestimmten Wertschöpfungskette, ihres institutionellen Umfelds, ihrer Triebkräfte und Hemmnisse für menschenwürdige Arbeit und insbesondere für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Betrachtet wird auch die Frage, wie sich dieses Verständnis auf die Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit von Schäden auswirkt, die sich aus der Exposition gegenüber berufsbedingten Gefahren am Arbeitsplatz ergeben, sowie auf verschiedene Gruppen von Beschäftigten in der Wertschöpfungskette.
  • Eine Bestimmung strategischer Ansatzpunkte für Verbesserungen, die sich von den traditionellen Maßnahmen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit unterscheiden können, da sie vielschichtig und indirekt sein können oder mit anderen miteinander verknüpften Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zusammenhängen.
  • Eine Grundlage für die Projektplanung und -durchführung.

Durch die Einbindung der beteiligten Parteien und weiterer Akteurinnen und Akteure in den Beurteilungsprozess von Anfang an (siehe Abbildung 2) stärken die VZF-Länderprojekte Beziehungen, bauen Vertrauen auf und erleichtern das Engagement für kollektives Handeln.

Abbildung 2: Vision Zero Fund-Methodik | © IAO 2023
Abbildung 2: Vision Zero Fund-Methodik ©IAO 2023

Arbeit auf mehreren Ebenen

Der Fund nutzt die Erkenntnisse aus den Bewertungen (siehe Abbildung 2), um sorgfältig abgestimmte Maßnahmen auf nationaler, sektoraler und betrieblicher Ebene zu entwickeln. Wie bereits erläutert, werden diese „Maßnahmenmodelle“ in enger Abstimmung mit allen beteiligten Akteurinnen und Akteuren, einschließlich der Vertretungen der multinationalen Unternehmen, entwickelt.

Der Fund arbeitet in seinen Projektländern auf mehreren Ebenen, da diese miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig verstärken. Um beispielsweise nachhaltige Verbesserungen auf Arbeitsplatzebene sicherzustellen, müssen diese durch starke nationale und sektorale Institutionen sowie einen wirksamen Rechtsrahmen gestützt werden, der solide Gesetze und eine konsequente Durchsetzung dieser Gesetze umfasst. Daher konzentriert sich ein großer Teil der Arbeit des VZF auf Länderebene auf die Stärkung der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen und der nationalen Institutionen. 

Die wichtigsten Erfolge des VZF

Wissensmanagement

Gewinnung, Weitergabe und Verwaltung von Wissen ist eine der wichtigsten Aufgaben des VZF. Zu diesem Wissen können Instrumente, Methoden, Schulungsmodule und Forschung gehören. Bis heute hat der Fund mehr als 120 Wissensprodukte zu Sicherheit und Gesundheitsschutz in globalen Lieferketten entwickelt, von denen 80 veröffentlicht worden sind.[4]

Die Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor

Die Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor ist für die Aktivitäten des VZF von entscheidender Bedeutung. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit globalen Käufern und multinationalen Unternehmen, um deren Präsenz, Einfluss und Ressourcen zur Unterstützung der Ziele des Funds zu nutzen. Auf Länderebene hat der VZF von Anfang an mit lokalen Lieferanten und Vertretern globaler Käufer zusammengearbeitet. Infolgedessen haben sich die Bedingungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit verbessert, ebenso der soziale Dialog zwischen den drei beteiligten Parteien – Regierungen, Arbeitgeber und Beschäftigte – und den Akteurinnen und Akteuren des Privatsektors. Alle beteiligten Akteurinnen und Akteure verfügen nun über einen besseren Zugang zu Daten, Wissen und Know-how.

Auf globaler Ebene hat der VZF öffentlich-private Partnerschaften mit Nike, Nestlé und Siemens geschlossen und führt derzeit Gespräche mit anderen globalen Käufern im Privatsektor. Da der Fund in mehr als einem Sektor tätig ist, versucht er, globale Gespräche über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu beeinflussen und sich mit globalen Plattformen (wie zum Beispiel der Global Coffee Platform, der International Coffee Organization und der International Women’s Coffee Alliance) zusammenzuschließen, um seine Ziele zu erreichen.

Die Umsetzung wirksamer und kostengünstiger Lösungen

Jedes Landesprojekt des Vision Zero-Fund basiert auf Forschung. Wie bereits erwähnt, beginnen alle mit einer umfassenden Beurteilung der Triebkräfte und Hemmnisse, einschließlich Beobachtungen am Arbeitsplatz. Bei diesen Beurteilungen wird häufig festgestellt, dass Verbesserungen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit keine großen finanziellen Investitionen erfordern. Einfache, kostengünstige Lösungen, die leicht umzusetzen und zu erhalten sind, können einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten sowie auf die Produktivität haben.

In Myanmar beispielsweise stellte der VZF zahlreiche Gefahren für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit fest, darunter ergonomische und biologische Gefahren in den Handelseinrichtungen für Ingwer. Männliche Arbeitende trugen Körbe mit Waren auf dem Rücken, auf den Schultern oder auf dem Kopf, um sie vom Lager zu den Lastwagen zu bringen. Die Entlohnung richtete sich nach der Menge der von ihnen transportierten und verladenen Waren pro Tag. Dies war für die Beschäftigten ein Anreiz, schwerere Lasten in schnellerem Tempo zu tragen und dabei ihren Körper mehr zu belasten. Währenddessen sortierten Frauen die Produkte. Sie waren ergonomischen Risiken ausgesetzt, da sie den ganzen Tag hockten, staubige Luft einatmeten und unter mangelhaften hygienischen Bedingungen arbeiteten. Niemand von den Beschäftigten hatte Anspruch auf Sozialversicherungsleistungen oder finanzielle Unterstützung im Falle einer Verletzung oder Krankheit.

Der VZF beurteilte innovative Wege zur Bewältigung der Herausforderungen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit, indem er Verbesserungen mit höherer Produktivität und Produktqualität verband. Das Team ermittelte Methoden zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit, vor allem in Bezug auf ergonomische Aspekte und die Exposition der Beschäftigten gegenüber Staub und Schutt. So entwickelten das Projektpersonal und lokale Händlerinnen und Händler einen Prototyp für einen neuen Ingwersortiertisch, der es den Beschäftigten ermöglichte zu stehen, statt zu hocken. Der Tisch ist außerdem mit einem Staubfänger ausgestattet, um den Zeitaufwand für die Reinigung nach dem Sortieren zu verringern. Vor allem die weiblichen Beschäftigten stellten eine Verringerung der körperlichen Belastung fest. Schätzungen zufolge sparten die Beschäftigten im Vergleich zur herkömmlichen Methode mit den Sortiertischen fast 40 Prozent ihrer Zeit.

Verstärkung der Arbeitsaufsichtsbehörde

In den Ländern, in denen der Vision Zero-Fund tätig ist, sind die Arbeitsaufsichtsbehörden mit verschiedenen Hürden konfrontiert. Dazu gehören begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen, eine hohe Fluktuation, veraltete und ineffiziente Inspektionsmethoden und ein Mangel an Befugnissen zur Durchsetzung der Vorschriften. Außerdem sind Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit in der Regel kein vorrangiges Thema für Arbeitsaufsichtsbeamte. Im Agrarsektor existieren noch weitere Probleme. Die meisten Arbeitsaufsichtsbehörden befassen sich nicht einmal mit diesem Sektor. Dort, wo sie Befugnisse haben, sind die Arbeitsplätze oft abgelegen, schwer zu erreichen und größtenteils informell.

Das VZF-Projekt in Madagaskar ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Vision Zero Fund zur Stärkung der Arbeitsaufsichtsbehörden beigetragen hat. In diesem Land unterstützte der VZF die Aufsichtsbehörde bei der Entwicklung eines strategischen Konformitätsplans.[5] Außerdem unterstützte er die Regierung bei einem Fünfjahresplan zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsaufsichtsbehörde, den Sozialversicherungsanstalten und den Betriebsärztinnen und Betriebsärzten. Die Ergebnisse sind schon jetzt eindeutig. Eine Gruppe von zwölf Arbeitsaufsichtsbeamten ist jetzt Teil einer speziellen Taskforce für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit und leitet die Bemühungen, die Kompetenzen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit landesweit zu verbessern. Dank der verbesserten Abstimmung zwischen den wichtigsten Akteurinnen und Akteuren auf diesem Gebiet haben die am stärksten gefährdeten Beschäftigten im informellen Sektor – saisonale Litschi-Arbeitskräfte – Zugang zu Arbeitsschutzdiensten erhalten. Das Projekt erleichterte auch die Zusammenarbeit zwischen der madagassischen Arbeitsaufsichtsbehörde und der französischen Direktion für Unternehmen, Wettbewerb, Verbraucherfragen, Arbeit und Beschäftigung auf La Réunion. Die Zusammenarbeit hat den Austausch bewährter Praktiken und praktisches Lernen gefördert.

Besserer Zugang zur Arbeitsunfallversicherung

Der Vision Zero-Fund wurde als direkte Reaktion auf den Einsturz der Fabrik Rana Plaza in Dhaka im Jahr 2013 gegründet. Mehr als 1.100 Beschäftigte starben und 2.500 wurden verletzt. Um den Beschäftigten und ihren Familien zu helfen, trugen multinationale Unternehmen und Einzelpersonen zu einer Entschädigungsregelung bei, die dazu diente, finanzielle und medizinische Unterstützung zu leisten. Die Tragödie machte deutlich, wie wichtig eine angemessene Arbeitsunfallversicherung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ist.

Arbeitsunfallversicherungen sind keine Neuheit. In vielen Ländern sind sie ein Grundpfeiler der sozialen Sicherheit. 60 Prozent der Erwerbstätigen weltweit verfügen jedoch nicht über eine solche Absicherung.

Einer der wichtigsten Arbeitsbereiche des Fund ist die Stärkung der Arbeitsunfallversicherungen in den Projektländern und die Verringerung des Bedarfs an reaktiven Entschädigungsregelungen infolge von Unglücksfällen. Zu den Aktivitäten gehören die Bereitstellung technischer Unterstützung für Sozialversicherungseinrichtungen und die Durchführung von Initiativen zum Aufbau von Kapazitäten vor Ort. Myanmar ist wiederum ein gutes Beispiel dafür, was alles erreicht werden kann.

Im Jahr 2017 ging der Fund eine Partnerschaft mit dem Sozialversicherungsverband von Myanmar ein, um seinen Mitgliedern bessere Leistungen zu bieten und sie wirksam gegen Risiken im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu versichern. Der Fund unterstützte den Sozialversicherungsverband von Myanmar bei der Durchführung einer umfassenden Rechts-, Verwaltungs- und IT-Reform zur Verbesserung der Gesamteffizienz und der Kommunikation mit Arbeitgebenden und Beschäftigten. Zu den Empfehlungen gehörten die Modernisierung des IT-Systems und die Optimierung der Antragsverfahren.

Zwei Gemeinden profitierten von dem Pilotprojekt, bei dem eine Reihe von optimierten Verfahren in Bezug auf Arbeitsunfähigkeit, Bestattungsbeihilfen und Hinterbliebenenleistungen sowie eine verbesserte Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden getestet wurden. Dabei wurden neu organisierte Arbeitsabläufe, die strategische Überwachung und Berichterstattung sowie die Trennung von Front- und Back-Office-Funktionen gefördert.

In einer unabhängigen Beurteilung wurden die Reformen als Erfolg gewertet. Die Beschäftigten erhielten bessere und schnellere Leistungen. So wurde beispielsweise die Bearbeitungszeit für Anträge auf vorübergehende Arbeitsunfähigkeit um 77 Prozent verkürzt. Für die Mitarbeitenden des Sozialversicherungsverbandes von Myanmar wurden die Prozesse optimiert und effizienter gestaltet.

Förderung der Geschlechtergleichstellung

Frauen sind mit spezifischen berufsbedingten Gefahren und Risiken konfrontiert. Die Anerkennung der Arbeitsteilung unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten ist der erste Schritt zur Förderung von sicheren und gesunden Arbeitsplätzen.

2019 hat der VZF einen systematischen Ansatz für das Gender-Mainstreaming eingeführt, um Frauen in wichtigen Bereichen des Arbeitsschutzes besser zu unterstützen.[6] Ein Team von Gender-Fachleuten überprüfte dabei die Methodik zur Beurteilung der Triebkräfte und Hemmnisse für die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Auf dieser Grundlage entwickelte der VZF einen thematischen Leitfaden, der klare Anleitungen für die Konzeption, Umsetzung, Überwachung und Bewertung von geschlechtergerechten Projekten enthält.[7] Gleichzeitig sammelten die Länderteams des Fund geschlechtsspezifische Daten in den Ziellieferketten und nutzten diese Informationen zur Entwicklung geschlechtergerechter Maßnahmen.

Ein Beispiel dafür, wie geschlechtergerechte Maßnahmen leichter umgesetzt werden können, ist die Arbeit des Vision Zero Fund im Kaffeesektor in Mexiko. Die Beurteilung des VZF ergab, dass die Präsenz von Frauen im Kaffeeanbau in Mexiko verbessert werden muss. Das Team untersuchte die Rolle der Frauen und gewann Erkenntnisse über ihre Einstellung zu Sicherheit und Gesundheit. Dabei ging das Team eine Partnerschaft mit der International Women’s Coffee Alliance ein und nutzte deren umfangreiches Netzwerk von Kaffeeproduzentinnen, um mehr Beschäftigte zu erreichen. Diese Erhebung ermöglichte dem Team ein besseres Verständnis der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit von Frauen in der Kaffeebranche, einschließlich des Sozialschutzes und der Leistungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit, der psychosozialen Risiken und der Gefahren bei der Arbeit. Auf dieser Basis konnten Maßnahmen und Schulungsmaterialien konzipiert werden, die besser auf die spezifischen Lernbedürfnisse von Frauen eingehen.

Umgang mit neu entstehenden Risiken

Der Klimawandel und die damit einhergehende Schädigung der Umwelt stellen ein zunehmendes Risiko für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten dar. Diese sind oft als Erste den Auswirkungen des Klimawandels ausgesetzt, und zwar länger und intensiver als die allgemeine Bevölkerung.

Im Jahr 2022 beauftragten die G7 den VZF, sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit in Lieferketten zu befassen.[8] Im Rahmen dieses Mandats wählte der Vision Zero Fund zur Durchführung von Pilotprojekten drei Projektländer auf drei verschiedenen Kontinenten aus (Madagaskar, Mexiko und Vietnam). Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Konzeption und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen, die einigen der am stärksten gefährdeten Beschäftigten in der Landwirtschaft und im Baugewerbe zugutekommen werden.

In Madagaskar hat der Fund Untersuchungen in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten im Baumwollanbau und im Baugewerbe zu beurteilen. In Mexiko wird im Rahmen des Projekts eine Methode zur Messung der Hitzebelastung bei Beschäftigten in der Tomaten- und Paprikabranche in Jalisco eingeführt und die wahrgenommenen und direkten Auswirkungen auf die Gesundheit und Produktivität der Beschäftigten werden beurteilt. In Vietnam führt der Fund eine umfassende Machbarkeitsstudie durch, um die Gesamtauswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in der Landwirtschaft zu beurteilen und geeignete Anpassungsmaßnahmen zu ermitteln, die mit Unterstützung des VZF durchgeführt werden können.

Schlussbemerkungen

Damit das Modell der geteilten Verantwortung des Vision Zero Fund funktioniert, müssen die wichtigsten beteiligten öffentlichen und privaten Akteurinnen und Akteure dazu bereit sein, kollektiv und gemeinsam zu handeln, um die Herausforderungen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit branchenweit anzugehen. Dazu gehören nicht nur die drei beteiligten Parteien der ILO – Regierungen, Arbeitgeber und Beschäftigte –, sondern auch Fachleute für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit und global ausgerichtete Institutionen wie die DGUV. Diese sind wichtige Partner bei der Unterstützung des VZF bei der Entwicklung branchenweiter Lösungen und der Verbesserung der Bedingungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit für gefährdete Beschäftigte weltweit.