Nachhaltige Lieferketten
Die Bundesregierung rückt Menschenrechte und Nachhaltigkeit in den Fokus ihrer Außen- und Entwicklungspolitik. Arbeitsschutz und soziale Sicherheit sind wichtige Elemente dieses Ansatzes. Beispiele aus der weltweiten Beratungstätigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung zeigen: Beratung führt zu Innovationen in den betroffenen Ländern, das hilft auch deutschen Unternehmen.
Am 8. Dezember 2021 hat die neue Bundesregierung ihr Amt angetreten. Die Regierungsparteien beschreiben ihre künftige Zusammenarbeit im Koalitionsvertrag als ein Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Der Koalitionsvertrag zeigt an mehreren Stellen, dass Menschenrechte und Nachhaltigkeit integraler Bestandteil deutscher Politik auf europäischer und internationaler Ebene sein sollen.
Als Teil einer sozial-ökologischen Wende in der deutschen Entwicklungspolitik ist die Unterstützung und Mitwirkung an der Ausgestaltung des „Global Fund for Social Protection“ zum Aufbau sozialer Sicherungssysteme weltweit geplant, mit dem Ziel Armut und Fluchtursachen zu bekämpfen. Umwelt- und Sozialstandards sollen auch die deutsche Handelspolitik stärker prägen. Und an der Umsetzung des nationalen Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten hält die Bundesregierung ebenso fest, wie sie ein wirksames EU-Lieferkettengesetz unterstützt.
Dabei trifft auch auf globale Lieferketten zu, was Bundesarbeitsminister Hubertus Heil anlässlich der Jahreskonferenz des Europäischen Forums Unfallversicherung im Juni 2021 mit Fokus auf den technologischen Wandel auf den Punkt brachte: „Der technologische Wandel muss Hand in Hand gehen mit dem Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.“[1]
Nicht minder deutlich formulierte Heil dies auch beim 2. Netzwerktreffen zum Corporate-Social-Responsibility-(CSR-)Preis der Bundesregierung am 13. April 2021: „Wir brauchen den Wandel zu einer Wirtschafts- und Lebensweise, die die natürlichen Grenzen unseres Planeten respektiert. Dazu müssen wir internationale Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards besser durchsetzen als bisher. Das Lieferkettengesetz ist hierfür ein unverzichtbarer Meilenstein, um dem Ziel einer nachhaltigen Wirtschaft näher zu kommen.“[2]
Nach alledem ist davon auszugehen, dass nachhaltige Lieferketten ganz oben auf der Agenda der deutschen G-7-Präsidentschaft 2022 stehen werden – so wie dies bereits 2015 der Fall war. Während der G7-Präsidentschaft Deutschlands im Jahr 2015 war die DGUV an der Einrichtung des Vision Zero Fund beteiligt. Vision Zero ist die Vision einer Welt ohne Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen. Die höchste Priorität ist hierbei, tödliche und schwere Arbeitsunfälle sowie Berufskrankheiten zu vermeiden.
Welchen Beitrag kann die DGUV zukünftig auf dem Weg zu einer Welt ohne tödliche Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten leisten? Kann die DGUV der neuen Bundesregierung Lösungen im Hinblick auf mehr Nachhaltigkeit in weltweiten Lieferketten anbieten? Und wie kann die DGUV Unternehmer und Unternehmerinnen sowie Beschäftigte dabei schützen und begleiten?
Das Lieferkettengesetz: Chance und Herausforderung zugleich
Am 11. Juni 2021 wurde das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten vom Deutschen Bundestag beschlossen. Zuvor waren die Inhalte dieses Gesetzes zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ausgehandelt worden.
Dieses Gesetz, das umgangssprachlich oftmals als „Lieferkettengesetz“ oder „Gesetz für nachhaltige Lieferketten“ bezeichnet wird, verpflichtet ab 2023 Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten zur Einhaltung vorgegebener Sorgfaltsstandards entlang ihrer gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette. Ab 2024 findet dieses Gesetz auch Anwendung für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten.
Im Kern verpflichtet es diese Unternehmen zur Einhaltung menschenrechtlicher, sozial-ökonomischer und umweltbezogener Sorgfaltsstandards. Damit entspricht dieser Dreiklang von ökologischen, sozialen und ökonomischen Sicherungsmaßnahmen auch den Grundlinien der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, in der 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung beschrieben sind.
Dem Lieferkettengesetz und den 17 Zielen der Vereinten Nationen ist eines gemeinsam: Sie sind Ausdruck eines neuen, globalen Wohlstandsverständnisses, das den Fokus nicht mehr ausschließlich auf die Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens von Volkswirtschaften legt, sondern diese Fokussierung zugunsten eines differenzierten Paradigmas ins Verhältnis setzt zu einer nachhaltigen Entwicklung neuer, verantwortungsvoller Konsum- und Produktionsmuster, der Sicherstellung von sozialen Standards und der Nutzung von sauberen und zugleich bezahlbaren Ressourcen.
Lösungsansätze für Unternehmen
Mit Inkrafttreten des Gesetzes müssen Unternehmen für die Beschaffung von Gütern und Erzeugnissen im Ausland Verantwortung für die bei ihren Zulieferern eingesetzten Produktionsverfahren und Arbeitsbedingungen übernehmen. Missstände müssen zurückverfolgt und bei Kenntniserlangung müssen Maßnahmen zur Abstellung eingeleitet werden. Bei Verstößen gegen diese Rechtspflichten droht ein Bußgeld oder Schadensersatz. Auch kleine und mittelständische Unternehmen müssen ab Mitte 2022 mit steigenden Anforderungen an ihre Geschäftspartner und Geschäftspartnerinnen rechnen.
Was dies für deutsche Unternehmen konkret heißt und wie Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen mit den damit verbundenen Herausforderungen umgehen können, zeigt beispielsweise die Studie „Mit Verantwortung zum Erfolg“[3]. Diese Studie enthält eine Reihe von Anregungen, wie die ab 2023 vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten in die Geschäftsabläufe von Unternehmen integriert werden können. Hierzu wurde unter anderem eine Reihe von Interviews mit Vorreiterunternehmen im Bereich Nachhaltigkeit wie Adidas, A. P. Møller-Maersk, BASF, Continental, Deutsche Telekom oder Siemens geführt.
Auf der Grundlage dieser Studie führt die Agentur für Wirtschaft & Entwicklung auf ihrer Website als positives Umsetzungsbeispiel Bierbaum-Proenen an. Der Hersteller von Arbeits- und Schutzkleidung aus Köln sieht in den Sorgfaltspflichten einen sozialen wie auch geschäftlichen Wert und fokussiert dabei ganz besonders auf die Bereiche Einkauf und Nachhaltigkeit. Ein weiterer zentraler Baustein ist die Mitgliedschaft von Unternehmen in Multi-Stakeholder-Initiativen wie der „Fair Wear Foundation“, deren Hauptziel es ist, die Arbeitsbedingungen in der Textilbranche zu verbessern.
Als weiterer Erfolgsfaktor in der Umsetzung der Sorgfaltspflichten wird darüber hinaus eine ganzheitliche Risikoanalyse zur Identifikation von Zulieferern empfohlen, die sozial- und umweltverträglich produzieren. Dabei hilft der „CSR Risiko-Check“ des „Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte“[4] genauso wie die Etablierung langfristiger Kooperationen mit Zulieferern in den Ländern Afrikas und Asiens. Denn gerade durch eine langfristige Zusammenarbeit können die Produktionsbedingungen vor Ort schrittweise nachhaltiger gestaltet werden.
Auf der einen Seite können durch die Umsetzung einer Vielzahl von Maßnahmen deutsche Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten gezielt nachkommen, ohne dadurch wesentliche Abstriche in ihrer Wirtschaftskraft in Kauf nehmen zu müssen – so der Tenor der Studie. Auf der anderen Seite führen gerade solche Maßnahmen, die auf eine langfristige Verbesserung der Produktionsbedingungen mit Zulieferern aus aller Welt abzielen, zu steigenden ökologischen und sozialen Standards in den zuliefernden Volkswirtschaften.
Dies wiederum schlägt sich direkt in besseren Arbeits- und Lebensbedingungen für die Menschen in Ländern wie Bangladesch, Indien oder Zentralafrika nieder.
Nachhaltigkeit und internationale Beratungsansätze
Dass ein Teil dieser mit dem Gesetz für nachhaltige Lieferketten einhergehenden Lösungsansätze auch eine hohe Relevanz für die deutsche gesetzliche Unfallversicherung hat, unterstreicht Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der DGUV, in seinem Artikel „Nachhaltigkeit basiert auf gemeinsamen Werten“[5]. Dies kommt insbesondere durch das folgende Zitat zum Ausdruck: „Das Thema Nachhaltigkeit ist für die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) aus verschiedenen Gründen relevant. Zum einen wollen wir uns als Spitzenverband zukunftsorientiert aufstellen. Zum anderen hat die Unfallversicherung einen gesetzlichen Auftrag, der eng verwoben ist mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung, wie sie in der Agenda 2030 beschrieben sind.“ Und weiter betont Hussy in diesem Artikel: „Der Aufbau sicherer Lieferketten ist auch ein Ausdruck von Wertschätzung für Menschen an allen Punkten der Liefer- und Wertschöpfungskette.“[6]
Auch die vielfältigen Erfahrungen der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung bei der Etablierung und Weiterentwicklung sozialer Standards für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in Afrika, Amerika und Asien zeigen, dass viele Schnittstellen zwischen dem Kernauftrag der gesetzlichen Unfallversicherung, den Vorgaben des Lieferkettengesetzes sowie dem internationalen Engagement der DGUV der vergangenen Jahre bestehen. Dies illustrieren die folgenden Beispiele.
China
Vertrauensvolle Zusammenarbeit und Erfolg kennzeichnen die Aktivitäten der DGUV in China. Das Land hat sich bei der Einführung einer Unfallversicherung sehr am System der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland orientiert. Schwerpunkte der erfolgreichen Zusammenarbeit mit den Ministerien für Arbeit sowie für Arbeits- und Katastrophenschutz sind die Prävention und die berufliche Wiedereingliederung.
Anfang Januar 2021 begann die DGUV mit der Umsetzung eines durch die Europäische Kommission finanzierten Arbeitsschutzprojekts in China. Mit dem Projekt sollen Verfahren zur Erhebung und Auswertung von Daten über Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren in China entwickelt sowie in einer Pilotphase zur Anwendung gebracht werden.
Das Projekt schafft somit die Basis für eine evidenzbasierte Politik der Europäischen Union im Dialog mit China zur Sicherung und Verbesserung der Arbeitsschutzstandards sowie zur Vermeidung von Sozialdumping zulasten europäischer Unternehmen.
Damit trägt das Engagement der DGUV auf der einen Seite dazu bei, soziale Sorgfaltsstandards zusammen mit China weiterzuentwickeln. Auf der anderen Seite werden dadurch europäische Unternehmen sowohl hinsichtlich ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit als auch mit Blick auf deren ab 2023 hinzukommenden Sorgfaltspflichten gerade in sozialer Hinsicht gestärkt.
Bangladesch
Ein anderes Beispiel für das langjährige Engagement der DGUV in Asien ist Bangladesch. Durch das schwere Unglück in der Textilfabrik Rana Plaza im April 2013 wurde die Aufmerksamkeit der Welt auf die schlechten Arbeitsbedingungen in einer international agierenden Branche gelenkt. Eine Konsequenz war das Engagement der Bundesregierung für sichere Lieferketten in der Textilindustrie. Seitdem unterstützt die DGUV gemeinsam mit verschiedenen Unfallversicherungsträgern und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) das Land dabei, die Arbeitsbedingungen in den Fabriken vor Ort zu verbessern und die nationalen Standards zur Vorbeugung und Behandlung von Berufskrankheiten, zur Vermeidung von Unfällen und deren Folgen weiterzuentwickeln.
Ein gutes Beispiel hierfür ist der Aufbau eines National Occupational Health and Safety Training & Research Institute (NOHSTRI). Bei diesem Vorhaben unterstützt die DGUV das Arbeitsministerium der Volksrepublik Bangladesch sowie die nachgeordnete Arbeitsinspektionsbehörde (Department of Inspection for Factories and Establishments) beim schrittweisen Aufbau eines nationalen Trainings- und Forschungszentrums. Durch gezielte, auf die Rahmenbedingungen vor Ort zugeschnittene präventive Schulungen werden die Arbeitsbedingungen in Bangladesch verbessert. Zudem werden Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in den Fabriken des Landes qualifiziert. Perspektivisch sind auch Forschungsprojekte in engem Austausch mit vergleichbaren Einrichtungen in Europa und anderen asiatischen Ländern wie Sri Lanka oder Singapur geplant, um den Präventionsansatz noch stärker in den verschiedenen Industrien in Bangladesch zu verankern.
Ein weiterer Schwerpunkt ist seit 2020 die Entwicklung einer Präventions-App für die Textilfabriken und deren Beschäftigte in Bangladesch. Diese App hat durch ihre Kundenzentrierung und durch ihre einfache Integration in den Arbeitsalltag sowohl den Corona-Infektionsschutz in den Textilfabriken des Landes verbessert als auch einen Beitrag dazu geleistet, die Arbeitssicherheit in den Fabriken und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten in der Textilindustrie zu verbessern.
Zum Erfolg dieser App hat zudem beigetragen, dass sie in Zusammenarbeit mit Beratenden von Unternehmen in der Textilindustrie, sehr erfahrenen Kolleginnen und Kollegen der deutschen Unfallversicherungsträger sowie Ministerialvertreterinnen und Ministerialvertretern, Sicherheitsbeauftragten und Beschäftigten aus den Textilfabriken in Bangladesch entstanden ist. Vergleichbare digitale Präventionslösungen könnten 2022 auch für andere Länder wie Indien oder Äthiopien entwickelt werden.
Äthiopien
Schon die alte Bundesregierung verfolgte das Ziel, im Rahmen der allgemeinen Entwicklungsarbeit und der Förderung nachhaltiger Lieferketten Äthiopien bei der Verbesserung der Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards in Schlüsselindustrien zu unterstützen. In diesem Zusammenhang wurde das Projekt „Sustainable Industrial Clusters“ mit einer Laufzeit von fünf Jahren aufgesetzt.
Das Projekt leistet damit einen Beitrag, Strukturen zu schaffen, die es auch deutschen Unternehmen erleichtern werden, ihren Sorgfaltspflichten zur Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Vorgaben entlang der gesamten Lieferkette gemäß neuem Lieferkettengesetz nachzukommen. Seit Mitte 2021 unterstützt auch die DGUV dieses Projekt.
Ein Schwerpunkt wird in den nächsten Jahren auf der Beantwortung der Frage liegen, wie positiv sich Investitionen in Präventionsarbeit auf die Profitabilität der Industriecluster in dem Land im Nordosten Afrikas und dadurch auch auf die Profitabilität derjenigen deutschen Unternehmen auswirken, die mit den Textilclustern zusammenarbeiten oder dort investieren.
Erfolgsfaktor internationale Zusammenarbeit
Auch auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette geht es darum, eine Vielzahl von multinationalen Interessen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft miteinander in Einklang zu bringen. Der Erfolg dieser Arbeit wird auch davon abhängen, wie gut es gelingt, die verschiedenen Zielkonflikte konstruktiv miteinander zu verbinden.
Dazu noch einmal ein kurzer Blick nach Äthiopien: Der Aufbau von Wirtschaftszonen für die Textilindustrie kann ein zentraler Schlüssel dafür sein, die Arbeitsbedingungen und Arbeitsstandards vor Ort in enger Kooperation mit Politik und Wirtschaft des Landes zu verbessern. Gleichzeitig können europäische Unternehmen der Modebranche dadurch ihre Importbeziehungen zu Produzentinnen und Produzenten in Afrika nachhaltig verbessern. Der Aufbau alternativer Lieferketten und die damit verbundene wirtschaftspolitische Einflussnahme auf dem afrikanischen Kontinent stellen aus geostrategischer Sicht wiederum einen Beitrag zu einer souveränen europäischen Außenpolitik im Wettstreit zwischen China und den USA dar.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch eine der jüngsten Veröffentlichungen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Unter dem Titel „Responsible Coexistence with Autocracies in Foreign Economic Policy Making“, heißt es hier beispielsweise: „We are committed to the United Nation´s 17 Sustainable Development Goals and to the Paris Climate Agreement. We are continuously working towards the goal of climate-neutrality. “[7]
Dieses Positionspapier ist insofern beachtenswert, als dass sich hiermit der Spitzenverband der deutschen Industrie nicht nur ganz klar zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN bekennt, sondern dabei auch Antworten auf geostrategische Fragen formuliert, wie deutsche Unternehmen entlang von globalen Lieferketten wirtschaftliches Wachstum mit dem Anspruch der Einflussnahme auf Nachhaltigkeitsstandards und freiheitliche Werte verbinden können – als elementarer Teil einer geostrategischen deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik.
Es ist davon auszugehen, dass sich auf diesem Weg die Standards für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz in den nächsten Jahren in für den europäischen Markt produzierenden Ländern den europäischen Standards weiter annähern. Die deutsche G-7-Präsidentschaft könnte diesen Trend noch beschleunigen. Denn gestärkt durch den neuen Koalitionsvertrag dürfte unter dieser Präsidentschaft vor allem der politische Gestaltungsfokus deutscher Außenpolitik auf einer Verknüpfung von Nachhaltigkeit, Transformation und ökonomischer Vorbildfunktion liegen.
So heißt es zum Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung auf der Webseite der SPD: „Unser Anspruch ist, dass die klimafreundliche Lösung immer die einfachere ist – für unsere Wirtschaftsunternehmen genauso wie für den Alltag jedes Bürgers und jeder Bürgerin.“[8]
Fazit
Eine stärkere Verantwortung von Unternehmen zur Umsetzung von Standards zur sozialen Sicherung, wie in diesem Artikel beschrieben, leistet also nicht nur einen Beitrag zur Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen im Einklang mit den Zielen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Die daraus resultierende Gestaltungskraft hat darüber hinaus auch das Potenzial, einen strategischen Beitrag zu den übergreifenden geostrategischen Zielen einer deutschen wie europäischen Außen- und Wirtschaftspolitik im Spannungsfeld einer zunehmend komplexer werdenden Weltordnung zu spielen.
Dass auch die deutsche Wirtschaft von hohen Arbeits- und Sozialstandards in der Lieferkette profitiert, das zeigen die Ausführungen zum Engagement der DGUV oder die Best-Practice-Beispiele aus der weiter oben erwähnten Studie „Mit Verantwortung zum Erfolg“ genauso wie die Einschätzungen aus dem Positionspapier des BDI, das hier noch einmal zitiert sei: „The core mission for our companies is to do business successfully and innovatively and, with that, to secure the livelihoods and prosperity of our societies. At the same time, industry is supremely invested in sustainably preserving the natural resources of our planet and strengthening the rule of law as the basis of our success.“[9]
Auch BMAS-Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg betont im DGUV Forum (Ausgabe 10/2019), dass Nachhaltigkeit, Prävention und erfolgreiches Unternehmertum keine in Zielkonflikten zueinander stehenden Ansätze sind, sondern sich zusehendes gegenseitig bedingen: „Immer mehr Unternehmen berichten, dass sich auch verstärkt Investoren und Geschäftspartner für ihre Nachhaltigkeitsleistungen interessieren, zum Beispiel ob der Abbau von Rohstoffen ökologisch verträglich, die Arbeitsbedingungen im Herstellungsprozess gut und die Nutzung der Produkte für Mensch und Umwelt gesund sind. Je stabiler und glaubwürdiger sich Unternehmen in diesen Fragen aufstellen, desto stärker wird die Position im Wettbewerb, desto besser ihr Ruf.“[10]
Gerade in der Beratung von Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette zur Etablierung von Standards für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz wird in den kommenden Jahren ein zentrales Aufgabenfeld für umsetzungserprobte Lösungspartner liegen. Ähnlich wie es die Beispiele für Äthiopien, Bangladesch oder China in diesem Artikel gezeigt haben, könnte die deutsche gesetzliche Unfallversicherung auch in den kommenden Jahren hierbei eine tragende Rolle spielen – auf der einen Seite deutsche Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette beratend zu begleiten und auf der anderen Seite beim Aufbau sozialer Sicherungsstrukturen in Afrika und Asien zu unterstützen.
Die DGUV und die Unfallversicherungsträger profitieren von dieser Rolle als erfahrene wie zuverlässige Partner der neuen Bundesregierung bei der Verwirklichung ihrer sozial- und entwicklungspolitischen Ziele. Dies stärkt die Aufgaben und das System der gesetzlichen Unfallversicherung als Ganzes unter den Vorzeichen eines mehrschichtigen, zeitgemäßen Nachhaltigkeitsbegriffes.