Schutz der Beschäftigten vor Asbest – was macht die EU?

Nachrichten aus Brüssel | © Adobe Stock/somartin
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Seit 2005 gibt es ein europaweites Verbot der Herstellung und Verwendung von Asbest sowie asbesthaltiger Materialien. Diese finden sich aber nach wie vor in Gebäuden, die vor dem europaweiten Verbot errichtet wurden.  Asbest war aufgrund seiner Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit ein insbesondere im Baugewerbe bevorzugtes Material. Auch heute noch sind viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, insbesondere durch Tätigkeiten in Abbruch und Sanierung, einer Exposition gegenüber Asbestfasern ausgesetzt. Deshalb überrascht es auch nicht, dass Asbest trotz des 2005 eingeführten Verbots immer noch eine der Hauptursachen für bestimmte arbeitsbedingte und in Deutschland als Berufskrankheit anerkennungsfähige Krebserkrankungen ist.

Die EU-Kommission hat sich deswegen vorgenommen, die Exposition gegenüber krebserzeugenden Stoffen und schädlicher Strahlung durch die Aktualisierung der Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz zu reduzieren. Die Anhörung der Sozialpartner ist abgeschlossen und voraussichtlich im dritten Quartal dieses Jahres wird ein Gesetzesvorschlag mit einem Expositionsgrenzwert für Asbest erwartet, der in Anbetracht der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse abgesenkt wird.

Auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben sich schon frühzeitig an der Diskussion beteiligt und im Oktober vergangenen Jahres sehr ambitionierte Forderungen an die EU-Kommission verabschiedet.[1] So soll nach Vorstellung der Abgeordneten die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag vorlegen, der für die Anerkennung und Entschädigung von Berufskrankheiten, einschließlich asbestbedingter Krankheiten, Mindeststandards der EU festlegt.

Diese Maßnahme würde für die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland einen tiefgreifenden Eingriff in ihr bewährtes und allgemein anerkanntes Entschädigungssystem mit sich bringen. Aber das ist nicht alles, auch soll die Europäische Liste der Berufskrankheiten nach Vorstellungen der Abgeordneten eine rechtsverbindliche Form erhalten. Auch hier stellt sich die Frage, ob und wie dies mit dem bestehenden System der Unfallversicherung in Deutschland zu vereinbaren wäre.

Die Forderungen des Europäischen Parlaments sind nicht neu. Abgesehen von der Aufnahme von COVID-19 in die Empfehlung über die Europäische Liste der Berufskrankheiten ist jedoch nicht zu erwarten, dass die EU-Kommission weitere Änderungen vorschlagen wird. Weitreichende Überarbeitungen, wie sie von den Abgeordneten vorgeschlagen wurden, würden darüber hinaus ernsthafte und umfassende Untersuchungen und Analysen erfordern, die aktuell nicht durchgeführt werden.

Zentrales Anliegen der Brüsseler Behörde ist derzeit, den Expositionsgrenzwert der Asbest-Richtlinie anzupassen. Auch hierzu haben die Europaabgeordneten konkrete Forderungen an die EU-Kommission gerichtet. So soll der bislang in der Richtlinie festgelegte Grenzwert von 10.000 bis 100.000 Fasern/m3 auf einen verbindlichen Wert von 1.000 Fasern/m3 gesenkt werden. Dies ist eine Forderung, die in Deutschland mit dem System eines Exposition-Risiko-Ansatzes mit zwei Grenzwerten sicherlich große Umsetzungsprobleme mit sich bringen würde und in nur sehr wenigen Arbeitsprozessen zuverlässig eingehalten werden könnte.

Es bleibt abzuwarten, was die EU-Kommission konkret vorschlagen wird. Fest steht, dass sie sich an Stellungnahmen von Fachleuten[2] sowie des Beratenden Ausschusses für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (ACSH) und an den Ergebnissen der Sozialpartnerkonsultation orientieren wird. Hier gehen die Vorschläge von einem verbindlichen Grenzwert von 1.000 Fasern/m3 über einen Expositionsgrenzwert von 10.000 Fasern/m3 bis hin zu einer Exposition-Risiko-Beziehung.