Umfang der von einem Schädiger zu ersetzenden Krankenhauskosten

Das Amtsgericht Aichach stärkt mit einem Urteil zur subjektbezogenen Schadensbetrachung Unfallversicherungsträger, die im Regressverfahren die Erstattung der ärztlichen Behandlungskosten von den zuständigen Haftpflichtversicherern einfordern.

Urteil des AG Aichach vom 26. Mai 2020, Az. 101 C 177/20

Der bei einem Unfallversicherungsträger Versicherte wurde bei einem Verkehrsunfall verletzt und mit dem Rettungswagen zunächst in durchgangsärztliche Behandlung in ein Krankenhaus verbracht. Dort wurde Schwindel und Zittrigkeit festgestellt, zudem bestanden Beschwerden und Schmerzen in der Halswirbelsäule. Prellmarken und Abschürfungen konnten nicht festgestellt werden. Röntgenologisch konnten traumatische Verletzungen ausgeschlossen werden. Unfallunabhängig litt er an Diabetes Mellitus Typ I.

Als Erstdiagnose wurden sodann eine HWS-Distorsion und eine posttraumatische Stressreaktion diagnostiziert, ebenso ein Verdacht auf eine Gehirnerschütterung. Deswegen wurde der Verletzte zur Überwachung ins Krankenhaus überwiesen, wo er – nach nochmaliger ärztlicher Untersuchung – bis zum nächsten Tag in stationärer Behandlung blieb. Der Unfallversicherungsträger zahlte unter anderem die Kosten dieser stationären Behandlung und forderte gemäß § 116 SGB X die Erstattung der Summe vom Kfz-Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Pkw. Der Haftpflichtversicherer behauptete aber, die Diagnosen seien nur aufgrund der subjektiven Schmerzangaben des Versicherten gestellt worden und eine stationäre Aufnahme sei nicht indiziert gewesen. Eine Zahlung der Kosten erfolgte trotz Mahnung und Schriftwechsel nicht. Der Unfallversicherer klagte daraufhin.

Das Amtsgericht Aichach hat in seinem rechtskräftigen Urteil die Klage des Unfallversicherers ohne Beweisaufnahme als in vollem Umfang begründet erachtet. Dabei stellt es auf eine sogenannte subjektbezogene Schadensbetrachtung ab. Der Geschädigte habe sich unfallbedingt in die Hände von Fachleuten begeben und sei in dieser besonderen Situation dem Rat dieser Fachleute – Aufnahme zur stationären Behandlung über Nacht – gefolgt. Da der Geschädigte die Bewertung des Arztes nicht beurteilen kann (die wenigsten Patientinnen und Patienten haben eine medizinische Ausbildung), liege ein der subjektbezogenen Schadensbetrachtung vergleichbarer Fall vor. Sofern es tatsächlich ein rechts- und sachwidriges Verhalten des Krankenhauses gegeben habe, sei dieses Risiko dem Schädiger zuzuordnen. Hätte der Geschädigte sich nämlich entgegen ärztlichem Rat nicht stationär beobachten lassen und hätte sich dann mangels ärztlicher Überwachung der Schaden vergrößert, läge sogar ein Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht vor. In einer solchen Situation darf der Geschädigte also uneingeschränkt auf den ärztlichen Rat und die ärztlichen Empfehlungen vertrauen.

Das Urteil des Amtsgerichtes Aichach ist deswegen zu begrüßen, weil eine Vielzahl von Haftpflichtversicherern mittlerweile dazu übergegangen ist, die Rechnungen von unter anderem stationären Behandlungen durch externe Dienstleistungsbetriebe prüfen und vor allem kürzen zu lassen. Es sind deswegen mittlerweile eine Vielzahl gleichgelagerter Verfahren anhängig, weil Unfallversicherungsträger eine Kürzung tatsächlich angefallener Kosten nicht akzeptierten und diese im Regressweg bei den Unfallverursachenden und deren Haftpflichtversicherern geltend machen. Dies ist misslich, zumal es häufig „nur“ um dreistellige Beträge geht, aber daran führt offenbar kein Weg vorbei. Denn die Unfallversicherungsträger sind gemäß § 76 Abs. 1 SGB IV verpflichtet, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben. Nur wenn die Haftpflichtversicherer durch eine Vielzahl von Verfahren auch mit kleinerem Streitwert die Erfahrung sammeln, dass „auch Kleinvieh Mist verursacht“ und die Unfallversicherer sich die unberechtigten Kürzungen nicht gefallen lassen, kann es zu einer dortigen Verhaltensänderung kommen.

Wenn Geschädigte also gemäß ärztlichem Rat stationär behandelt werden, sind alle tatsächlich angefallenen Tage der stationären Behandlung von einem Schädiger oder einer Schädigerin zu erstatten. Erstattet dessen Haftpflichtversicherer nur die niedrigeren Kosten einer fiktiv angenommenen kürzeren Verweildauer im Krankenhaus, sollte die Differenz eingeklagt werden. Dass dies Erfolg verspricht – wenn auch nicht in jedem Fall ohne eine Beweisaufnahme über die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Kosten – zeigt dieses Urteil.