Chronobiologie und Arbeitsschutz – die Rolle der Beleuchtung
Licht ist das wichtigste Signal zur Anpassung des Körpers an den Tag-Nacht-Rhythmus der Erde. Zu den Lichtmustern am Arbeitsplatz und in der Freizeit, deren gesundheitlichen Auswirkungen sowie möglichen Präventionsansätzen wird am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA) intensiv geforscht.
Die Lichtexposition ist ein entscheidender Faktor für die visuelle Wahrnehmung des Menschen. Licht beeinflusst aber auch eine Vielzahl wichtiger physiologischer Parameter des Körpers, beispielsweise den Schlaf, das psychische Wohlbefinden und die Konzentrationsfähigkeit. Diese Wirkungen werden als nichtvisuelle Lichtwirkungen bezeichnet.
Spezifische Ganglienzellen im menschlichen Auge leiten das Licht im blauen Wellenbereich an ein Zentrum im Gehirn weiter, das als zentrale biologische Uhr fungiert und die verschiedenen biologischen Tagesrhythmen – auch zirkadiane Rhythmen genannt – synchronisiert. Der Tag-Nacht-Wechsel der Erde wird somit an unsere innere biologische Uhr weitergegeben. Licht wird aus diesem Grund als wichtigster „Zeitgeber“ für den menschlichen Körper bezeichnet. Dauerhafte Störungen im Zusammenspiel der zirkadianen Rhythmen können sich nachteilig auf die Gesundheit auswirken. Aus Sicht der Prävention ist es notwendig, Kenntnisse über zirkadiane Rhythmen und mögliche Folgen ihrer Desynchronisation für die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu berücksichtigen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Beleuchtung am Arbeitsplatz, vor allem bei Schichtarbeit.
Licht als gesundheitsrelevanter Faktor
Ist der über das Licht vermittelte Tag-Nacht-Rhythmus nicht gleichmäßig und regelmäßig, kann sich dies nachteilig beispielsweise auf Schlaf, Hormone oder auf die Psyche auswirken. Wegen der vielfältigen Wirkungen müssen für eine gesundheitsgerechte Gestaltung der Beleuchtung verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Was beispielsweise für die nächtliche Ausschüttung von Hormonen von Vorteil sein kann – Beleuchtung mit geringen Anteilen im blauen Wellenbereich –, kann sich auf die Konzentrationsfähigkeit auswirken und somit das Risiko für Unfälle und Fehler am Arbeitsplatz erhöhen. Aktuell fehlen größtenteils noch die wissenschaftlichen Grundlagen für konkrete Praxisempfehlungen, wie nachteilige nichtvisuelle Lichtwirkungen reduziert werden können. Hierbei ist besonderes Augenmerk auf gegenteilige Effekte wie eine verminderte Aufmerksamkeit zu legen, die möglichst ausgeschlossen werden sollten.
Aktuelle Empfehlungen
Eine aktuelle internationale Studie formuliert Empfehlungen für die Beleuchtung in Innenräumen.[1] Für den Tag werden konkrete Mindestwerte für eine nichtvisuell wirksame Beleuchtung angegeben. Empfohlen wird eine Beleuchtung mit polychromatischem weißem Licht, das wie natürliches Tageslicht einen hohen Blaulichtanteil aufweist. Idealerweise sollte künstliches Licht am Tag durch Tageslicht ersetzt werden. Mindestens drei Stunden vor dem Zubettgehen sollte kurzwelliges Licht reduziert werden. Die Schlafumgebung sollte dann so dunkel wie möglich sein. Aktuell können auf Basis wissenschaftlicher Daten jedoch noch keine Empfehlungen für die Beleuchtung bei Schichtarbeit oder auch für dynamische Beleuchtungsansätze in der Nacht gegeben werden.
Forschung zu Licht
Seit mehreren Jahren befasst sich auch die DGUV mit dem Thema Beleuchtung und der gesundheitlichen Beanspruchung durch Schichtarbeit. Am IPA wird in Feld- und epidemiologischen Studien intensiv zum Einfluss von Nachtarbeit und Licht in der Nacht auf zirkadiane Rhythmen, akute gesundheitliche Effekte und chronische Erkrankungen geforscht. Neben krebsepidemiologischen Studien wurden beispielsweise auch verschiedene Schichtsysteme mit Nachtarbeit verglichen und konkrete Änderungen in Lichtmustern über den Tag nach Schichttypen untersucht. Betrachtet man die Lichtexposition von Beschäftigten über 24 Stunden hinweg, so werden die beobachteten Lichtmuster über die Zeit bei Schichtarbeit nicht nur verschoben, auch ihre Form verändert sich. Beides könnte sich nachteilig auf die zirkadiane Rhythmik auswirken.[2]
Gesunde Lichtmuster sind aktuell Forschungsgegenstand einer Interventionsstudie zu dynamischer Beleuchtung am Arbeitsplatz und zur Verbesserung der Lichtexposition in der Freizeit. Gemeinsam mit dem Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin in Hamburg und der TU Ilmenau erforscht das IPA in einem Industrieunternehmen die Auswirkungen einer dynamischen, an den Tagesgang angepassten Beleuchtung am Arbeitsplatz auf den Schlaf, die zirkadianen Rhythmen von Hormonspiegeln, Stress, psychische Faktoren sowie die Konzentrationsfähigkeit.
In verschiedenen Werksbereichen werden hierzu neue, dynamische Beleuchtungsstrategien eingesetzt. Vor und nach der Umstellung der Beleuchtung werden die oben genannten Gesundheitsparameter bei den Studienteilnehmenden untersucht. Um einen Gewöhnungseffekt nach mehreren Monaten auszuschließen, werden Studienteilnehmende auch längerfristig beobachtet. Ob individuelle Empfehlungen für Licht in der Freizeit hilfreich sein können, wird in einer unabhängigen Vergleichsanalyse geprüft. Das Forschungsvorhaben stellt einen Baustein für die Einschätzung der Rolle dynamischer Beleuchtungssysteme am Arbeitsplatz und individueller Licht-Empfehlungen für gesundheitliche Parameter dar.
Fazit
Licht ist der wichtigste Zeitgeber für die zirkadianen Rhythmen des Körpers. Neben allgemeinen Empfehlungen für Beleuchtung in Innenräumen spielt die Beleuchtung am Arbeitsplatz daher insbesondere für die Gestaltung von Schichtarbeit eine bedeutende Rolle. Dynamische Beleuchtungssysteme könnten ein Beleuchtungsmodell der Zukunft sein.