Zwischen Omnibus und REACH-Reform: der neue Kurs der EU-Chemikalienpolitik

Begriffe wie Wettbewerbsfähigkeit, Digitalisierung und Deregulierung prägen seit Jahresbeginn die politische Agenda in Brüssel. Ziel ist es, die Europäische Union (EU) widerstandsfähiger und agiler zu machen. Auch der Chemikaliensektor rückt dabei zunehmend in den Fokus. Neben der lang erwarteten Überarbeitung der REACH-Verordnung soll eine Entbürokratisierung weiterer chemikalienrechtlicher Regelwerke erfolgen.

Im Juli präsentierte die Europäische Kommission hierzu einen Aktionsplan für die chemische Industrie sowie den ersten Teil des sogenannten Chemikalien-Omnibusgesetzes. Dieser bündelt mehrere Gesetzesänderungen in einem Vorschlag, um ein unternehmensfreundlicheres regulatorisches Umfeld zu schaffen. Der Omnibus umfasst drei Regelwerke: die CLP-Verordnung zur Einstufung und Kennzeichnung chemischer Stoffe, die Verordnung über kosmetische Mittel sowie die Düngeprodukte-Verordnung.

Die geplanten Änderungen sind vielfältig: Während bei Kosmetikprodukten unnötige Meldepflichten abgebaut werden sollen, beinhaltet die Überarbeitung der CLP-Verordnung etwa die Rücknahme von Vorgaben zu Schriftgröße und Zeilenabstand von Inhaltsstoffen auf Verpackungen. Ziel ist es, die Vorschriften flexibler zu gestalten und damit den administrativen Aufwand sowie die Kosten für Unternehmen zu senken.

Trotz dieser umfassenden Reformvorschläge wartet die Branche gespannt auf weitere Vorhaben – insbesondere auf die Überarbeitung der REACH-Verordnung, die Ende des Jahres vorgelegt werden soll. Begleitet wird sie von Informationen, die Klarheit zu Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) schaffen sollen und insbesondere für die chemische Industrie mehr Planungssicherheit bringen könnten. Wie konkret diese Klarheit allerdings ausfällt, bleibt abzuwarten. Denn die Stellungnahmen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zur Risikobewertung und zu sozioökonomischen Auswirkungen werden voraussichtlich erst Ende 2026 vorgelegt.

Ein weiterer Vorschlag betrifft die Überführung der Regelungen zur ECHA aus der REACH-Verordnung in eine eigenständige ECHA-Grundverordnung. Beispielsweise soll die personelle Ausstattung der Ausschüsse verbessert werden, um der wachsenden Zahl an Aufgaben gerecht zu werden. Dazu gehört seit 2019 auch die wissenschaftliche Bewertung des Zusammenhangs zwischen den gesundheitlichen Auswirkungen gefährlicher chemischer Arbeitsstoffe und dem Expositionsniveau am Arbeitsplatz, die von der ECHA und ihrem Ausschuss für Risikobeurteilung durchgeführt wird.

Auffällig bleibt: Trotz der Vielzahl an neuen und geplanten Initiativen in der Chemikalienpolitik finden zentrale Elemente der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit, die bereits im Oktober 2020 verabschiedet wurde, bislang kaum Berücksichtigung. Grund dafür sind die geopolitischen Veränderungen der vergangenen Jahre, die auch den Fokus der europäischen Chemikalienpolitik verschoben haben. Zwar bleiben die Herstellung und Verwendung sicherer und nachhaltiger Chemikalien weiterhin eines der zentralen Ziele, doch die Wege zu deren Erreichung wurden neu ausgerichtet. So haben im Jahr 2025 – ganz im Zeichen der Wettbewerbsfähigkeit – wirtschaftliche Interessen zunehmend die umweltpolitischen Ambitionen des europäischen Grünen Deals verdrängt.