Neue DGUV-Qualifizierungsangebote zur Ermittlung von Berufskrankheiten

Ein neues Seminarkonzept der DGUV soll helfen, die Qualifizierung der mit der Ermittlung von Berufskrankheiten (BK) betrauten Beschäftigten der Unfallversicherungsträger zu verbessern. Das Konzept umfasst ein Grundlagenseminar sowie BK-spezifische Aufbauseminare und gewährleistet somit einen je nach Vorwissen der Teilnehmenden maßgeschneiderten Wissenstransfer.

Auf den 8. BK-Qualitätssicherungstagen 2019 in Dresden konnten im Rahmen eines Workshops mit Führungskräften der Unfallversicherungsträger Themenschwerpunkte für eine Optimierung der Bearbeitung von BK-Feststellungsverfahren identifiziert werden[1]. Verbesserungspotenzial wurde unter anderem beim trägerübergreifenden Erfahrungsaustausch und in Fragen der Qualitätssicherung bei der Ermittlung und Bewertung der Einwirkung von Berufskrankheiten gesehen. In der DGUV-Arbeitsgruppe „AG BK-Einwirkung“[2] wurden diese Ansätze aufgenommen und Lösungen für die Praxis entwickelt.

Trägerübergreifende Qualifizierung in der BK-Ermittlung

Nach einem Abgleich mit dem bestehenden Angebot zur trägerübergreifenden Aus-, Fort- und Weiterbildung für BK-Ermittelnde wurde deutlich, dass dieses in der Regel nicht ausreicht, um einen trägerübergreifenden Qualitätsstandard zu gewährleisten. So wird das Thema „BK-Ermittlung“ in der allgemeinen Ausbildung der Aufsichtspersonen nur kurz angerissen. Das bisher zum Thema „Ermittlung von Einwirkungen“ angebotene Seminar im Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) kann als Einzelseminar lediglich Einblicke, aber keine vertiefenden Kenntnisse zur Ermittlungsarbeit bei heute über 80 verschiedenen Berufskrankheiten vermitteln. Die Angebote der Hochschule der DGUV (HGU) richten sich in erster Linie an die Zielgruppe BK-Sachbearbeitende, die Seminare des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) dienen unter anderem der Softwareschulung von bereits ausgebildeten BK-Ermittelnden.

Aus den genannten Gründen wurde Handlungsbedarf abgeleitet und ein modulares Seminarkonzept entwickelt, das den unterschiedlichen Anforderungen der Zielgruppe „BK-Ermittelnde“ gerecht werden soll.

Als Ausgangsbasis für neue und wenig erfahrene Personen in der BK-Ermittlung wird nun das „Grundlagenseminar Ermittlung und Bewertung der Einwirkung im BK-Verfahren“ angeboten. Darauf aufbauend können fach- beziehungsweise BK-Gruppen-spezifische Seminare je nach Bedarf besucht werden. Folgende Aufbauseminare sind derzeit in Vorbereitung: „Mechanische Einwirkungen“, „Einwirkungen durch Stäube, Fasern, Quarz, Irritantien und Allergene“ sowie „Einwirkungen durch aromatische Amine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Benzol/Lösemittel, Metalle und Schweißrauch“ (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Modulares Seminarkonzept für BK-Ermittelnde | © DGUV
Abbildung 1: Modulares Seminarkonzept für BK-Ermittelnde ©DGUV

Im Folgenden sollen die einzelnen Seminarmodule kurz vorgestellt werden.

Ermittlung und Bewertung der Einwirkung im BK-Verfahren

Das neue Grundlagenseminar „Ermittlung und Bewertung der Einwirkung im BK-Verfahren“ richtet sich an Beschäftigte der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die sich vertieft in die Thematik der BK-Ermittlung einarbeiten möchten und somit an neu ausgebildete Aufsichtspersonen oder speziell mit der BK-Ermittlung betraute Personen aus den Bereichen Prävention, Reha und Entschädigung. Es ist weniger geeignet für erfahrene oder fortgeschrittene BK-Ermittelnde, kann zur Auffrischung des Wissens und insbesondere zum Erfahrungsaustausch aber auch von diesen Personen genutzt werden. In diesem Sinne wird das Seminar auch ausschließlich als Präsenzveranstaltung angeboten, um den Erfahrungsaustausch und die Entwicklung fachlicher Netzwerke unter den Teilnehmenden zu fördern.

Die Inhalte der „DGUV Handlungsempfehlung: Ermittlung und Bewertung der Einwirkung im Berufskrankheitenverfahren“[3] liefern die Richtlinien für das Seminar. Diese werden von erfahrenen Beschäftigten der Unfallversicherungsträger aus den Bereichen BK-Ermittlung und BK-Sachbearbeitung vermittelt, sodass auch die wichtigen Schnittstellen zwischen diesen beiden Bereichen im BK-Verfahren beleuchtet werden.

Im Seminar werden einheitliche Qualitätsstandards und Werkzeuge für die Ermittlung und Bewertung der Einwirkungen in BK-Verfahren vorgestellt. Sie sollen den ermittelnden Personen helfen, alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen und alle vorhandenen relevanten Beweismittel auszuschöpfen. Zu den Themen zählen im Einzelnen rechtliche Grundlagen, Prozesse und Abläufe, allgemeine Verfahrensgrundsätze, Workflows, Grundlagen der BK-Ermittlung, Beweismittel, geeignete Hilfsmittel und Informationsquellen, Bewertung der Einwirkung, Dokumentation der Ermittlungsergebnisse sowie insbesondere Praxisbeispiele zu häufig vorkommenden Berufskrankheiten. Daneben gibt es Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch und zur Gruppenarbeit.

Das Grundlagenseminar konnte erstmals im Frühjahr 2023 in Dresden angeboten werden und soll regelmäßig zweimal im Jahr – bei Bedarf auch häufiger – stattfinden. Die Buchung des dreitägigen Seminars erfolgt über die IAG-Seminardatenbank[4] („Grundlagenqualifikation zur Ermittlung und Bewertung von Berufskrankheiten“).

Im modularen Seminarkonzept stellt die Teilnahme am Grundlagenseminar die Voraussetzung für die Zulassung zu den weiterführenden fachspezifischen Aufbauseminaren dar. Als Ausnahme können auch vergleichbare Qualifikationen geltend gemacht werden.

Mechanische Einwirkungen

Im Aufbauseminar „Berufskrankheiten durch mechanische Einwirkungen“ werden die im Grundlagenseminar vermittelten Inhalte hinsichtlich der Berufskrankheiten der „21er-Reihe“ der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vertieft. Es handelt sich insbesondere um Erkrankungen der Wirbelsäule (BK-Nrn. 2108 bis 2110), der unteren Extremitäten (BK-Nrn. 2102, 2112 und 2116) sowie der oberen Extremitäten (BK-Nrn. 2101, 2103, 2104, 2113 und Läsion der Rotatorenmanschette[5]). Dabei wird jeweils ausführlich auf Historie, Statistiken, medizinische Hintergründe, Pathomechanismen, Risikofaktoren und typische Einwirkungen der einzelnen Berufskrankheiten eingegangen. Darüber hinaus gehören – soweit vorhanden – Dosismodelle, Katasterdaten sowie bewährte Ermittlungsansätze und -hilfen zu den Seminarinhalten. Die Teilnehmenden lernen geeignete Plausibilitätskriterien anhand von Praxisbeispielen kennen und können diese in Gruppenarbeit anwenden.

Das Seminar wird ab 2024 zweimal pro Jahr als viertägiges Präsenzseminar im IAG angeboten und kann über die Seminardatenbank[6] des IAG gebucht werden (Aufbauqualifikation „Ermittlung und Bewertung von Berufskrankheiten durch mechanische Einwirkungen“). Als Dozierende fungieren erfahrene Beschäftigte des IFA und der Unfallversicherungsträger, sodass sowohl die wissenschaftlichen Hintergründe als auch langjährige Praxiserfahrungen aus der BK-Ermittlung in adäquater Weise in das Seminar einfließen.

Stäube, Fasern, Quarz, Irritantien und Allergene

Im geplanten Aufbauseminar „Berufskrankheiten mit Einwirkungen durch Stäube, Fasern, Quarz, Irritantien und Allergene“ handelt es sich insbesondere um Berufskrankheiten der Atemwege und der Haut. Im Fokus stehen Erkrankungen durch Asbest (BK-Nrn. 4103, 4104 und 4105) und Quarz (BK-Nrn. 4101, 4102, 4112 und „Chronische obstruktive Bronchitis durch Quarzstaub[7]“), daneben obstruktive Atemwegserkrankungen durch allergisierende oder chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe (BK-Nrn. 4301, 4302 und 1315) sowie Hauterkrankungen durch Hautkontakt mit chemischen Substanzen mit irritativer beziehungsweise allergener Potenz (BK-Nr. 5101).

Die thematischen Inhalte werden derzeit in der AG „BK-Einwirkung“ ausgearbeitet und konzipiert, wobei die Seminarstruktur sich am zuvor beschriebenen Aufbauseminar orientiert. Es ist geplant, das Seminar erstmals ab 2025 im IAG anzubieten.

Aromatische Amine, PAK, Benzol, Metalle und Schweißrauch

Das Thema des dritten geplanten Aufbauseminars „Aromatische Amine, PAK, Benzol, Metalle und Schweißrauch“ sind Berufskrankheiten mit chemischen Einwirkungen durch aromatische Amine (BK-Nr. 1301), PAK (BK-Nrn. 1321, 4113 und 4114), Lösemittel und Benzol (BK-Nrn. 1302, 1317 und 1318), Metalle wie Nickel (BK-Nr. 4109) oder Chrom (BK-Nr. 1103) sowie Schweißrauche (BK-Nr. 4115). Bei den zugrunde liegenden Krankheitsbildern handelt es sich häufig um Krebserkrankungen oder schwerwiegende Atemwegserkrankungen.

Die Planungen zu diesem Seminar wurden zeitlich verschoben, da aktuelle themenbezogene Fachgespräche und Publikationen abgewartet werden sollen, von denen hilfreiche Hinweise für die zukünftige Ermittlung und Bewertung relevanter Berufskrankheiten aus diesem Fachgebiet erwartet werden.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Selbstverwaltung der gesetzlichen Unfallversicherung hatte bei ihren Vorschlägen zur Reform des BK-Rechts („Weißbuch der DGUV“[8]) die Frage nach der Sicherung und Verbesserung der Qualität in BK-Verfahren aufgenommen. Zur Beantwortung dieser Frage wurde der Qualitätssicherung nun ein weiterer Mosaikstein hinzugefügt. Durch den Ausbau der trägerübergreifenden Qualifizierung der Beschäftigten der Unfallversicherungsträger in der BK-Ermittlung werden einheitliche Qualitätsstandards stärker verankert und sowohl der träger- als auch generationenübergreifende Erfahrungsaustausch innerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung gestärkt. Dies dient unmittelbar der im „Weißbuch“ geforderten „sachlich richtigen, schnellen und kundenorientierten Erreichung der Präventions-, Rehabilitations- und Entschädigungsziele im Sinne von § 1 SGB VII“ und somit den Versicherten.