Europäische Strategie zur psychischen Gesundheit
Das Thema mentale Gesundheit steht aktuell weit oben auf der politischen Agenda der Europäischen Kommission. Denn es ist so relevant wie noch nie: In Europa leiden 84 Millionen Menschen unter psychischen Gesundheitsproblemen, einschließlich Depressionen und Angstzuständen – und das bereits vor der Corona-Pandemie. Während der Pandemie haben sich Angstzustände und Depressionen laut der OECD in einigen EU-Ländern sogar verdoppelt.
In dieser Legislaturperiode lenkten verstärkt EU-Bürgerinnen und Bürger sowie das Europäische Parlament die Aufmerksamkeit auf das Thema. In der Konferenz zur Zukunft Europas – einem Forum, in dem Menschen aus der EU ihre Wünsche für das Miteinander in Europa äußern konnten – kam die Forderung nach mehr Aufmerksamkeit für das Thema mentale Gesundheit auf. Kurz danach nahm auch das Europäische Parlament eine Entschließung zur psychischen Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt an. Zentrale Forderung des Parlaments war die Stärkung der Prävention psychischer Erkrankungen.
Der Druck auf Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stieg. 2023 kündigte sie eine Strategie zur psychischen Gesundheit an. Bisher ist unklar, was die Europäische Kommission konkret plant. Dennoch ist das Vorhaben zu begrüßen. Denn psychisch bedingte Gesundheitsprobleme sind nicht nur für Betroffene und deren Angehörige eine Herausforderung, sondern auch für das öffentliche Gesundheitswesen und die Sozialsysteme in der EU.
Psychische Leiden zählen in vielen europäischen Ländern zu den Hauptursachen für Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung. Schauen wir nach Deutschland: Der Arbeitsausfall wegen psychischer Erkrankungen erreichte 2021 einen neuen Höchststand. Von 2011 bis 2021 nahm die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen um 41 Prozent zu. Eine entsprechende Krankschreibung dauerte im vergangenen Jahr durchschnittlich 39,2 Tage. Auch dieser Wert war so hoch wie noch nie.
Prävention und eine betriebliche Gesundheitsförderung, zum Beispiel arbeitsplatzbezogene Programme zur Stressprävention oder Führungskräfteseminare zum Umgang mit Betroffenen, sind von großer Bedeutung. Gemeinsam mit ihren Partnern in der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) bieten Berufsgenossenschaften und Unfallkassen den Unternehmen und Einrichtungen vielfältige Unterstützung an bei diesem Thema. Ein wichtiges Instrument, um psychische Belastungen frühzeitig zu erkennen und vorzubeugen, ist die Gefährdungsbeurteilung. Auch hierbei unterstützt die gesetzliche Unfallversicherung.
Alle Bereiche der Gesellschaft müssen Verantwortung für die psychische Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger tragen. Sektorübergreifende Zusammenarbeit und Partnerschaften – wie sie bereits in Deutschland stattfinden – sind hierfür unerlässlich. Mit der Strategie zur psychischen Gesundheit könnte die Europäische Kommission noch einen Schritt weitergehen und dazu beitragen, Wissenslücken zu schließen: Denn wir benötigen mehr Forschung zu den Folgen von Maßnahmen zur Bewältigung gesellschaftlicher Krisen, insbesondere für vulnerable Gruppen wie Kinder, Jugendliche, Migrantinnen und Migranten sowie ältere Menschen. Die Ergebnisse können dazu beitragen, Strategien abzuleiten, um die Belastungen für Betroffene zu verringern.
Vor diesem Hintergrund hatte die Europäische Kommission ein Konsultationsverfahren eröffnet. Betroffene Organisationen waren dazu aufgerufen, ihr Feedback zur geplanten Strategie mitzuteilen. Auch die gesetzliche Unfallversicherung hat sich mit einem DSV-Feedback in die Diskussion eingebracht. Nun heißt es warten bis Juni. Dann will die Europäische Kommission die Strategie zur psychischen Gesundheit vorstellen und ihr Vorhaben konkretisieren.