Kein innerer Zusammenhang zwischen einer COVID-19-Impfung und der versicherten Tätigkeit

Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit gehören grundsätzlich zum unversicherten persönlichen Lebensbereich, sodass bei auftretenden Gesundheitsschäden nach einer COVID-19-Impfung im Regelfall kein Arbeitsunfall vorliegt.

Im vom Sozialgericht (SG) Koblenz zu entscheidenden Fall begehrte eine Versicherte die Anerkennung ihrer Gesundheitsprobleme in der Folge einer Corona-Schutzimpfung mit dem Impfstoff AstraZeneca als Arbeitsunfall. Die Versicherte ist als Sozialarbeiterin beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) des Sozial- und Jugendamtes der Stadt K. beschäftigt. Sie war am 9. April 2021 nach erfolgter Impfung am 27. März 2021 mit Gedächtnisverlust, Verwirrtheit und Desorientierung in der Notaufnahme des Klinikums K. stationär aufgenommen und dort bis zum 23. April 2021 behandelt worden. Aufgrund der im Entlassungsbericht genannten Diagnosen (Verdacht auf eine virale Meningoenzephalitis, differenzialdiagnostisch eine Autoimmunencephalitis im Sinne einer limbischen Encephalitis, differenzialdiagnostisch eine Begleitmeningitis nach SARS-CoV-2-lmpfung mit AstraZeneca, weiterhin eine Anpassungsstörung im Rahmen der Hauptdiagnose sowie eine akute Nierenschädigung im Rahmen einer Aciclovir-Therapie) wurde vom 23. April bis zum 27. Mai 2021 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in den Kliniken Sch., A., durchgeführt. Die Beschäftigte war noch während des gerichtlichen Verfahrens weiterhin arbeitsunfähig krank.

In ihrer Unfallanzeige machte die Versicherte geltend, sie sei berufsbedingt geimpft worden. Als Mitarbeiterin des ASD sei sie seinerzeit verantwortlich für den Kinderschutz gewesen und infolgedessen auch bei der COVID-19-Impfung priorisiert worden. Der zuständige Unfallversicherungsträger lehnte aufgrund eines nicht wissenschaftlich nachgewiesenen ursächlichen Zusammenhangs der diagnostizierten Gesundheitsschäden mit der vorangegangenen Impfung die Anerkennung als Arbeitsunfall ab.

Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens gab die klagende Versicherte an, vonseiten des Personal- und Organisationsamtes mehrere E-Mails erhalten zu haben. Darin sei den Beschäftigten die COVID-19-Impfung nahegelegt worden. Darunter habe sich auch ein Formular „Bescheinigung zur Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2“ befunden, mit dem sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur höchsten Prioritätsstufe vorzeitig habe geimpft werden können. Aufgrund ihrer Tätigkeit im Jugendamt sei sie als erhöht gefährdet einzustufen gewesen, sodass die Schutzimpfung für ihre berufliche Tätigkeit erforderlich gewesen sei. Sie habe regelmäßig engen Kontakt zu Familien gehabt und sei in Kindertagesstätten, Schulen sowie sonstigen Betreuungseinrichtungen mit zu erwartendem Kontakt zu infizierten Personen gewesen. Damit habe die Impfung nicht nur dem Selbstschutz, sondern dem Schutz der Klientinnen, Klienten und Familien gedient, unter anderem auch dem Schutz anderer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des ASD, der funktionsfähig gehalten werden sollte.

Das SG lehnte die Anerkennung aufgrund eines fehlenden sachlichen Zusammenhangs der durchgeführten COVID-19-Schutzimpfung mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin ab. Der in § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) geforderte innere oder sachliche Zusammenhang zwischen der zum Gesundheitsschaden führenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls sei die Handlungstendenz der versicherten Person, ob sie eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte. Zu deren Beurteilung sei neben den Angaben der versicherten Person auf die objektiven Umstände abzustellen. Maßgeblich sei dabei, ob die Handlungstendenz darauf gerichtet sei, eine – objektiv bestehende – Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen. Dies sei hier wegen der nicht gegebenen gesetzlichen Impfverpflichtung nicht der Fall. Auch habe die Klägerin keine eigenen unternehmensbezogenen Rechte aus der Beschäftigung ausgeübt, da die Priorisierung bei den Impfungen aufgrund der Mangelsituation in erster Linie dem Schutz von Personen vorbehalten war, die ein erhöhtes gesundheitliches Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf aufwiesen, ferner von Personen mit besonders hohem tätigkeitsbedingtem Infektionsrisiko, zur Unterbindung einer Transmission des COVID-19-Virus, insbesondere in Umgebungen mit hohem Anteil vulnerabler Personen und in solchen mit hohem Ausbruchspotenzial, sowie zur Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen, der kritischen Infrastrukturen, der zentralen Bereiche der Daseinsvorsorge und des öffentlichen Lebens. Daraus seien aber eigene unternehmensbezogene Rechte nicht abzuleiten gewesen.

Schließlich habe die Versicherte auch keine objektiv geschuldete Handlung vorgenommen, um eine vermeintliche Pflicht aus dem Rechtsverhältnis zu erfüllen. Nach den besonderen Umständen der Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung habe sie nicht annehmen dürfen, eine solche Pflicht treffe sie. Auch diese Alternative für das Bestehen eines sachlichen Zusammenhangs zwischen der Impfung mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin lehnte das Gericht mangels einer gesetzlichen Impfpflicht für die berufliche Tätigkeit der Klägerin ab. In erster Linie würde sie ihre eigene Gesundheit mit der Impfung schützen. Ausreichende Alternativen gegen die Verbreitung im Falle einer Infektion durch betriebliche Maßnahmen stünden zur Verfügung.

Mit der ausführlich begründeten, an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ausgerichteten Entscheidung hat das SG Konstanz wegweisend für eine – hoffentlich nicht allzu hohe – Anzahl an weiteren Fällen von gesundheitlichen Komplikationen im Anschluss an eine Impfung (hier mit dem Impfstoff AstraZeneca) eine verhältnismäßig klare Linie vertreten. So tragisch der Fall in seinen Auswirkungen verlaufen sein mag, so ist die Aussage doch sehr deutlich: Bei Nichtvorliegen einer gesetzlichen Impfpflicht für eine besondere Berufsgruppe (wie sie später für Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege eingeführt wurde) ist regelmäßig kein sachlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Impfung anzuerkennen, da in allen anderen Fällen individuelle oder allgemeine Gründe des Gesundheitsschutzes gegenüber der beruflichen Veranlassung überwiegen. Eine individuelle Entscheidungsalternative gegen eine Impfung gab es in allen Fällen, in denen keine gesetzliche Impfverpflichtung bestand. Und auch die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) an die Bevölkerung im Ganzen für eine Impfung spricht eher gegen den inneren Zusammenhang, selbst bei gleichzeitiger betrieblicher Interessenlage für eine Impfung. Daher ist dem Urteil aufgrund der Klarheit der Argumentation zuzustimmen, auch wenn das Ergebnis, mit dem auch die Fragen des medizinischen Zusammenhangs letztlich offenbleiben, bei Betroffenen auf wenig Akzeptanz treffen wird.

Es bleibt abzuwarten, ob es zu einer Berufungs- oder gar Revisionsentscheidung in diesem oder anderen Verfahren kommt.

Die Inhalte dieser Rechtskolumne stellen allein die Einschätzungen des Autors/der Autorin dar.