Absicherung der Plattformarbeitenden: Ist Europa auf einem guten Weg?

Nachrichten aus Brüssel | © Adobe Stock/somartin
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Digitale Plattformarbeit gewinnt immer mehr an Bedeutung. Eine Studie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2018 hat ermittelt, dass EU-weit bereits eine von zehn erwerbstätigen Personen Erfahrungen mit der Plattformarbeit gesammelt hat:
als „Crowdworker“, der über die Plattformen Upwork oder Clickworker Arbeitsaufträge am heimischen PC bearbeitet, oder auch im Fahrdienst für Uber und Deliveroo. Die Tendenz ist steigend, auch weil die Corona-Krise der Digitalisierung noch einmal einen enormen Schub verliehen hat. Sie hat sowohl die Plattformarbeit als auch die Verbreitung von Plattform-Geschäftsmodellen vorangetrieben.

Tatsächlich ist Plattformarbeit auf vielen Ebenen mit Vorteilen verbunden: Digitale Arbeitsplattformen schaffen Arbeitsplätze, bieten Verbraucherinnen und Verbrauchern Erleichterungen, treiben Innovationen voran und steigern die Wettbewerbsfähigkeit der EU. Für Plattformarbeitende wiederum sind Flexibilität und Ortsunabhängigkeit bei der Plattformarbeit entscheidende Pluspunkte. Darüber hinaus bietet sie Menschen, deren Zugang zum traditionellen Arbeitsmarkt ansonsten erschwert ist, eine Arbeitsmöglichkeit. Doch kann Plattformarbeit auch zu prekären Arbeitsbedingungen führen. Oft mangelt es an Transparenz oder vertraglichen Vereinbarungen, an Gesundheitsschutz sowie einem ausreichenden Zugang zum Sozialschutz.

Der Ruf nach einem EU-weiten sozialen Rahmen für diese Gruppe der Plattformarbeitenden wird daher lauter und wird seit einiger Zeit auf europapolitischer Ebene diskutiert. Ausführliche Untersuchungen zum Thema, an denen auch die deutsche Sozialversicherung mitgearbeitet hat,[1] haben dazu beigetragen, Lücken in den Arbeitsbedingungen der Plattformarbeitenden aufzudecken.

Mit dem Aktionsplan zur Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) hat die Europäische Kommission im Februar 2021 eine konkrete Gesetzesinitiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitenden angekündigt. In einem ersten Schritt wurden die Ansichten der europäischen Sozialpartner zu der Frage eingeholt, wie die Arbeitsbedingungen von Menschen, die über digitale Plattformen arbeiten, verbessert werden können. Die Gewerkschaftsseite sieht weitere europäische Initiativen durchaus positiv, wohingegen die Arbeitgeberseite hier eher zurückhaltend zu sein scheint.

Dennoch hat die Europäische Kommission das Ergebnis der eingegangenen Antworten dahingehend bewertet, dass Handlungsbedarf mit dem Ziel grundlegender europaweit geltender Arbeits- und Sozialstandards besteht, und am 15. Juni 2021 die zweite Phase der Sozialpartnerkonsultation eingeleitet. Sie erhofft sich daraus Impulse zu der Frage, wie menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Plattformarbeitende sichergestellt werden können.

Wie geht es danach weiter? Nach der zweiten Konsultationsphase sind Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern möglich. Sie könnten eine weiterführende Vereinbarung treffen. Ist das realistisch? Wohl eher nicht, da die Auffassungen zu weit auseinanderliegen. Es ist deswegen davon auszugehen, dass die Europäische Kommission bis Ende 2021 eine Gesetzesinitiative vorlegt. Sie hat bereits angekündigt, dass in diesem Fall aber auch die nationalen Zuständigkeiten, die Vielfalt der Arbeitsmärkte in den Mitgliedstaaten sowie die Autonomie der Sozialpartner berücksichtigt würden. Darüber hinaus hat die Europäische Kommission schon jetzt deutlich gemacht, dass man keinen „dritten“ Beschäftigungsstatus neben Selbstständigkeit und Arbeitnehmerschaft auf EU-Ebene einführen wolle. Die Entscheidung einiger Mitgliedstaaten, diesen in ihre nationalen Rechtsvorschriften aufzunehmen, werde aber respektiert.