Anforderungen an technische Ausstattung für virtuelle Besprechungen
Virtuelle und hybride Besprechungen ermöglichen die ortsflexible Zusammenarbeit zwischen Beschäftigten. Die dabei verwendete Hardware kann bei falscher Auswahl die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit beeinträchtigen.
Notebook, Webcam und Headset gehören seit Corona in vielen Unternehmen zur Standardausstattung. Früher wurden die benötigte Hardware, Webcam und Headset nur in begrenzter Stückzahl vorgehalten und bei Bedarf ausgegeben. Mit den pandemiebedingt verhängten Lockdowns wurde die flächendeckende Ausstattung der Beschäftigten vieler Betriebe notwendig, um über Webkonferenz-Software miteinander in Verbindung zu bleiben. Aber nicht jedes Gerät, das zu Pandemiezeiten hastig beschafft wurde, erfüllt langfristig die Anforderungen an sicheres und gesundes Arbeiten.
Doch was sind diese Standards an sichere und gesunde Arbeitsplätze? Gibt es Produkte, die die Anforderungen des Betriebs und der Nutzenden besonders gut erfüllen? Entstehen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit, die bei umsichtiger Auswahl und Beschaffung vermieden werden können?
Diesen Fragen ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe in einem Forschungsprojekt am Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) nachgegangen. Neben einer Literatur- und Marktrecherche erfolgten eine systematische Analyse der Bedarfe und eine Sammlung von Anwendungsfällen. Im nächsten Schritt wurden diese geclustert und typische Anwendungsfälle definiert. Zu den gesammelten und analysierten Anwendungsfällen gehören:
- die Moderation einer Online-Veranstaltung
- das Halten eines Vortrages/einer Präsentation vor Kundinnen und Kunden oder externen Partnerinnen und Partnern sowie
- die alltägliche Nutzung im Rahmen von Videocalls und Besprechungen
Mit einer Anforderungsanalyse wurde dann die technische Ausstattung definiert. Diese beinhaltet: die Webkonferenz-Software sowie die Ausstattung für Webcam, Headset, Licht und Hintergrund. Dann erfolgte die Testung verschiedener Produkte der technischen Ausstattung.
Schließlich wurden Empfehlungen für die technische Ausstattung abgeleitet, um sicheres und gesundes Arbeiten zu ermöglichen sowie psychische und physische Belastungen und Beanspruchungen zu reduzieren.
Webkonferenz-Software
Trotz des Fokus‘ auf technische Anforderungen an die Hardware spielt die Software eine zentrale Rolle. Denn: Die verwendete Webkonferenz-Software übt einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Qualität des eigenen Streams aus. Beim Audiosignal werden automatisch Nebengeräusche herausgefiltert. Das Kamerabild wird zurechtgeschnitten, in der Helligkeit optimiert und für die Übertragung komprimiert. Eine vollständige, systematische Übersicht, welche Software auf welche Art und Weise das Kamerabild und die Audioübertragung beeinflusst, ist in der Literatur derzeit nicht zu finden.
Der Einfluss der Webkonferenz-Software hat zur Folge, dass der Einsatz von hochwertigem Equipment mitunter nicht zu der erwarteten Qualitätssteigerung von Bild- und Tonsignal führt. Das Ausbalancieren von Technik und Software erfordert einen hohen zeitlichen Aufwand, der im Rahmen der flexiblen Nutzung in Homeoffice und Büro schwer leistbar ist. Die Auswahl insbesondere von Webcam und Headset sollte daher immer darauf ausgerichtet sein, mit einfach zu bedienenden Komponenten ein gutes Gesamtergebnis zu erzielen.
Webcam
Nicht erst seit der Corona-Pandemie gibt es zahlreiche Webcams für den Büro- und Heimgebrauch, aber auch für den semiprofessionellen und professionellen Einsatz. Die im Rahmen der Marktrecherche ermittelte Preisspanne liegt zwischen 11 und 250 Euro. Im Preissegment unterhalb von 30 Euro ist eine deutliche Verschlechterung der Qualität des Kamerabilds feststellbar. Dies liegt an der Verwendung minderwertiger Komponenten im Bereich des optischen Systems und des Bildsensors.
Um dynamisches Sitzen während Webmeetings zu ermöglichen, sollte die verwendete Webcam über einen Autofokus verfügen. Dadurch ist sichergestellt, dass die Person vor der Kamera in allen Sitzpositionen scharf dargestellt wird. Eine der erprobten Webcams lieferte ein scharfes Bild nur sehr nah am Bildschirm. Daraus resultierte eine sehr unergonomische Haltung, dynamisches Sitzen bei gleichzeitigem scharfem Kamerabild war mit diesem Modell unmöglich.
Bei der Beschaffung sollte das Sichtfeld, häufig als Field of View oder FOV bezeichnet, der Kamera berücksichtigt werden. Die Angabe in den technischen Daten erfolgt in Bogengrad und bezieht sich auf die Diagonale des Sichtfelds. Webcams haben meist ein festes FOV zwischen 60° und 120°. Häufig anzutreffen sind Modelle mit einem FOV von 78° und einer Full-HD-Auflösung von 1.920 x 1.080 Pixel. Die Größe des Sichtfelds definiert, wie viel von der Person vor der Kamera und dem sie umgebenden Raum angezeigt wird. In sensiblen Bürobereichen und beim Arbeiten im Homeoffice sollten besser Webcams mit kleinem Sichtfeld verwendet werden.
Webcams mit großem FOV bewirken eine Verzerrung des Kamerabilds. Die Verzerrung irritiert die Person vor der Kamera und wird als störend wahrgenommen. Webcams mit einem FOV von größer 90° sollten nicht für die Einzelteilnahme an Webmeetings genutzt werden. Ihre Stärke liegt dort, wo ein großer Bildausschnitt benötigt wird, zum Beispiel wenn sich mehrere Personen im selben Raum befinden und nur ein Kamerabild übertragen werden soll. Produktpräsentationen, gemeinsame Moderationen oder die Meetingteilnahme von mehreren Personen aus einem Besprechungsraum heraus sind typische Anwendungsfälle.
Headset
Die wahrgenommene Tonqualität eines Headsets, gemeint ist hier das Mikrofon, hängt von mehreren Faktoren ab. Neben Umgebungsaspekten wie Raumhall oder Störgeräuschen tragen die Positionierung des Mikrofons und der individuelle Stimmapparat der nutzenden Person zum Gesamteindruck bei. Tagesabhängige Schwankungen, wie beispielsweise eine Erkältung, können dazu führen, dass die Tonqualität als besser oder schlechter durch die Teilnehmenden beurteilt wird. Kurz gesagt: Es gibt nicht ein perfektes Headset für alle.
Aufgrund der Beeinflussung durch die Webkonferenz-Software kann für Standardanwendungsfälle auf High-End-Headsets verzichtet werden. Stattdessen sollte ein einfaches USB-Headset gewählt werden, das mit guter Qualität der Sprachaufzeichnung überzeugt.
Unter gesundheitlichen Aspekten sind Modelle mit offenen Muschelkopfhörern die erste Wahl. Ein einohriges Muschelkopfhörer-Headset ist am besten geeignet, weil es die Wahrnehmung von Umgebungsgeräuschen erleichtert. Bei der Verwendung von zweiohrigen Ausführungen ist zu überprüfen, wie gut die Wahrnehmbarkeit der relevanten Außengeräusche (zum Beispiel: Alarmsirenen) ist.
In-Ear-Kopfhörer schirmen aufgrund ihrer direkten Positionierung im Gehörgang stärker von der Außenwelt ab. Die komplette Schallenergie wird ins Ohrinnere abgestrahlt.
Es wird empfohlen, nur Headsets zu verwenden, die über eine Mute-Taste zum Stummschalten und eine Pegelbegrenzung zum Schutz vor Geräuschspitzen verfügen. Die Lautstärkeregelung sollte direkt am Ohr oder am Kabel erfolgen.
Eine gute Passform und ein guter Tragekomfort unterstützen die Akzeptanz bei der Verwendung über einen längeren Zeitraum. Headsets, die nicht funkbasiert sind, sollten über ein passendes Kabel verfügen, das weder zu lang noch zu kurz ist. Bei Funk-Headsets sind eine ausreichende Akkulaufzeit und Reichweite wichtig.
Bügel-Headsets sollten ein geringes Eigengewicht sowie einen verstell- und fixierbaren Bügel besitzen, damit die Lautsprecher direkt auf den Ohren positioniert und fixiert werden können. Bei Menschen, die Ohrschmuck, Ear-Piercings oder Brille tragen, ist es besonders wichtig, auf eine flexible Passung der Headsets zu achten, um Druck auf den Kopf oder das Ohr zu vermeiden. Die Entscheidungshilfe „Auswahl eines Headsets“ unterstützt bei der Auswahl von Headsets.
Licht
Betriebliche Arbeitsplätze, die für Webmeetings genutzt werden, sind überwiegend Büroarbeitsplätze mit einer Beleuchtungsstärke von 500 Lux. Damit ist eine gute Umgebungshelligkeit sichergestellt. Allerdings kann die Deckenbeleuchtung unvorteilhaften Schattenwurf, Kinnschatten und dunkle Augenhöhlen erzeugen. Durch diesen Schattenwurf entsteht ein erschöpfter oder kränklicher Eindruck, den man bei Präsentationen oder Businessmeetings gern vermeiden möchte.
Im Homeoffice werden deutlich geringere Beleuchtungsstärken erreicht, was zu einer unzureichenden Ausleuchtung der Person vor der Kamera führt. Im Internet findet sich der Tipp, sich in diesem Fall mit dem Gesicht zum Fenster zu positionieren, um eine bessere Ausleuchtung zu erzielen. Dies ist aus ergonomischer Sicht falsch und führt bei der Arbeit an einem Bildschirmgerät zu einer Direktblendung der vor dem Gerät sitzenden Person.
In beiden vorgenannten Fällen hat es sich bewährt, eine zusätzliche Beleuchtung einzusetzen, die die Person von schräg vorne anstrahlt. Wird eine gerichtete, weiche Lichtquelle verwendet, wird die Person zusätzlich aufgehellt und unvorteilhafter Schattenwurf vermieden. In der Regel reichen für diesen Zweck LED-Flächenleuchten mit einer Leistung von zehn Watt aus, die Lichtfarbe sollte einstellbar sein.
Abgeraten wird von billigen Leuchten mit fest verbauten Akkus. Sie bergen aufgrund der verbauten Lithium-Akkus von meist zweifelhafter Qualität ein erhöhtes Brandrisiko. Stattdessen sollte auf Leuchten mit eigenem Netzteil oder Betrieb über USB-Anschluss zurückgegriffen werden. Leuchten mit einem Tischständer oder einer Tischklemme können an den Arbeitsplatz und die individuellen Bedürfnisse angepasst werden.
Hintergrund
Mit dem Wechsel ins Homeoffice standen viele Beschäftigte vor dem Problem, dass ihr Arbeitsplatz plötzlich in den privaten Wohnbereich verlegt wurde. Bei fehlendem häuslichem Arbeitszimmer wurde der Arbeitsplatz meist so gewählt, dass er nicht zu viel Einblick in die Privatsphäre bot.
Mittlerweile bieten nahezu alle am Markt verfügbaren Webkonferenz-Softwares die Möglichkeit, den eigenen Hintergrund zu verwischen oder einen virtuellen Hintergrund einzublenden. Die Einblendung eines virtuellen Hintergrunds ist die einfachste Möglichkeit, die Privatsphäre zu schützen und einen professionellen Eindruck zu erzielen.
Der Einsatz von virtuellen Hintergründen hat jedoch Grenzen. Zu viel Bewegung oder Gestikulation überfordert die verwendeten Algorithmen. Es entstehen verwischte Bilder oder häufiges Aufflackern des realen Hintergrunds. In diesen Situationen sollte besser auf physische Hintergründe zurückgegriffen werden.
Bei der Auswahl und Aufstellung eines physischen Hintergrunds müssen das Sichtfeld der Webcam und die mit einem Bildschirmarbeitsplatz einhergehenden grundlegenden Anforderungen an Sicherheit und Gesundheit wie die Mindesttiefe der Bewegungsfläche hinter dem Schreibtisch berücksichtigt werden. Der Hintergrund sollte über eine ausreichende Standfestigkeit verfügen, damit ein unbeabsichtigtes Kippen durch Luftzug oder Umstoßen verhindert wird.
Fazit
Produkteigenschaften von Headsets, Webcams, Licht und Hintergründen können die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit negativ beeinflussen. Vor der Beschaffung sind die Rahmenbedingungen und geplanten Einsatzzwecke abzuklären. Die Personengruppe der intensiven Nutzerinnen und Nutzer wurde in diesem Artikel nicht näher betrachtet. Dies sind beispielsweise Beschäftigte im Vertrieb oder professionelle Trainerinnen und Trainer, die täglich viele Stunden mit Webcam und Headset arbeiten. Hier lohnt es sich, gemeinsam mit den betroffenen Personen eine individuelle Hardwareauswahl durchzuführen.
Literatur
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Entscheidungshilfe für die Auswahl eines Headsets Ausgabedatum (2021.04), Herausgeber: DGUV, www.dguv.de.
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