Etwas Altes, etwas Neues – Wandel in Unternehmen unter dem Schlagwort New Work

Der Wandel von Arbeitsformen, Arbeitsverständnissen oder Rahmenbedingungen von Arbeit unter dem Schlagwort New Work wirkt sich auf Unternehmen und deren Haltung und Handlungen aus. Der Beitrag beschäftigt sich mit den Grundlagen und den Treibern des Wandels und dem Umgang der Betriebe mit diesen Veränderungen.

New Work ist seit Jahren ein Schlagwort, das es aus einem kleinen Kreis, einer Bewegung, in die breite Öffentlichkeit geschafft hat. In seiner heutigen Ausformung steht New Work für Veränderungen in der Arbeitswelt und Neugestaltung der Arbeit, die ineinandergreifen. Ein einheitliches Verständnis oder eine Definition des Begriffes gibt es nicht.[1] Vielmehr werden unterschiedliche Puzzleteile wie Flexibilisierung oder Selbstorganisation genannt. Alle diese Teile fügen sich zu einem Bild, nämlich dem Wandel von starren Arbeitsstrukturen hin zu neuen Arbeitsweisen und Haltungen in Organisationen. Als Treiber gelten der demografische Wandel, die Globalisierung, die digitale Transformation und der Wandel von Werten.[2] Die Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) sieht drei Veränderungsdimensionen in Unternehmen, auf die die Treiber wirken. Diese nimmt iga in den unterschiedlichen Projekten in den Blick und stellt unter anderem diese Fragen: Woran orientieren sich die Menschen in den Unternehmen (Dimension People)? Wie werden Unternehmen und Organisationen gesteuert? Wie wird die Arbeit gestaltet und organisiert (Dimension Place)?

Die Treiber und Dimensionen der Veränderung der Arbeitswelt | © Initiative Gesundheit und Arbeit (iga)
Die Treiber und Dimensionen der Veränderung der Arbeitswelt ©Initiative Gesundheit und Arbeit (iga)

Unternehmenskultur im Fokus und im Wandel

Der iga.Report 47 (in Vorbereitung) befasst sich mit der Bedeutung von Kultur in Unternehmen. Neben den theoretischen Hintergründen von Unternehmenskultur wird im Report der kulturelle Wandel betrachtet, der sich in einigen Unternehmen unter dem Schlagwort New Work vollzieht. Ausgangspunkt der Untersuchung war das Interesse daran, welche Umsetzungsformen von „neuer“ Arbeit in deutschen Unternehmen zu beobachten sind. Der Fokus lag dabei auf Unternehmen, die nicht von Beginn an eine Arbeitskultur aufweisen, wie sie in der Start-up-Szene oder technologieintensiven Branchen zu finden ist und die häufig als Ausdruck von New Work verstanden wird. Vielmehr wurde etablierten und traditionellen Unternehmen Aufmerksamkeit geschenkt, die eine Veränderung unter einem eigenen Verständnis von New Work angegangen sind. Ziel war es, das Spektrum der Vorgehensweisen zu beschreiben, wie solche Unternehmen Veränderungsprozesse umsetzen.

Die Untersuchung

Die Erfahrungen der betrieblichen Akteurinnen und Akteure bei der Umsetzung von Veränderungen standen im Zentrum des Interesses. Ein qualitativer Forschungsansatz eignete sich zur Erhebung, da dieser die Sichtweise des Subjekts miteinbezieht.[3] Denn es ging nicht nur um die Erfassung von Veränderungsbereichen, sondern auch um die damit gemachten Erfahrungen und kulturellen Auswirkungen. Es wurden leitfadengestützte Interviews geführt, das Sample umfasste zwölf Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen. Davon war mehr als die Hälfte im produzierenden Gewerbe tätig, die anderen Unternehmen überwiegend im unternehmensnahen Dienstleistungssektor. Bei der Arbeit mit dem Datenmaterial konnten bestimmte Muster identifiziert werden. Beispielsweise haben diese Unternehmen ein ähnliches Verständnis von New Work oder nehmen Veränderungen zum Beispiel auf struktureller Ebene vor oder rücken den Menschen im Unternehmen in den Fokus. Sie unterscheiden sich in diesen Aspekten von den anderen Gruppen. Insgesamt konnten drei Typen der Veränderung identifiziert werden.

Drei Typen der Veränderung

Die Veränderung in Organisationen wurde über unterschiedliche Ansatzpunkte verfolgt, denen wiederum unterschiedliche Verständnisse von Kultur zugrunde liegen und die verschiedene Auswirkungen haben.

Die Struktur im Fokus
Es konnten Unternehmen identifiziert werden, die sich aufgrund von Neuerungen im Markt anpassen wollen beziehungsweise müssen, um weiterhin erfolgreich zu sein. New Work wird in diesen Unternehmen als Anpassung der innerbetrieblichen Rahmenbedingungen an äußere, hauptsächlich vom Markt ausgehende Anforderungen verstanden. Der gewählte Ansatz einer Veränderung ist die Umstellung der Organisationsform.

Alle interviewten Personen waren in der Geschäftsführung tätig. Sie hatten die Position entweder als Nachfolgegeneration aus der Familie übernommen oder waren selbst Gründungsmitglied. Veränderungsprozesse wurden direkt durch die Geschäftsleitung initiiert und gesteuert, somit konnten strukturelle Anpassungen schnell umgesetzt werden. Als Folge musste aber auch eine Befähigung aufseiten der Beschäftigten erreicht werden. Diese übernehmen nach der Veränderung mehr Verantwortung, benötigen dafür eine stärkere Transparenz im Unternehmen und erhalten teils neue Arbeitsprofile.
 
Die Unternehmenskultur wird als Gedächtnis einer Organisation gesehen. In diese fließt ein, was zuvor stattgefunden hat. Die Kultur ist somit eine Folge gemachter Erfahrungen. Nach diesem Verständnis verändert sich die Kultur erst, wenn andere Wege beschritten und über einen längeren Zeitraum gelebt werden. Andere Wege werden in den Unternehmen eingeschlagen, da mit strukturellen Umstellungen von Organisationsformen gewisse Grundhaltungen gegenüber dem Menschen wie Eigenverantwortung, Mitgestaltung und Befähigung einhergehen. Diese neuen Erfahrungen werden sich langfristig auch auf die Kultur auswirken, so die Annahme der Betriebe. Die Arbeit an der Unternehmenskultur wird aber nicht aktiv verfolgt.

Der Mensch im Fokus
Vor allem unter den größeren Unternehmen mit Konzernanbindung konnte ein anderer Zugangsweg beobachtet werden. In dieser Gruppe zielten unternommene Veränderungen weniger darauf, auf eine komplett „neue“ Art zu arbeiten, sondern waren vielmehr eine Reaktion auf einen spürbaren Wandel. Das, was diese Unternehmen unter New Work verstehen, hat keine feste Form und Methoden, sondern kennzeichnet sich durch maximale Anpassungsfähigkeit sowohl der Organisation als auch der einzelnen Menschen.

Im Kern der Veränderung steht der Mensch. Ein Umbruch der Organisationsstruktur konnte nicht erkannt werden; die Veränderungen wurden über weiche, personenbezogene Faktoren eingeleitet. Es wurde an Positionen oder organisatorischen Aufteilungen augenscheinlich nichts verändert. Vielmehr wurde der Anspruch formuliert, die Formalstruktur nicht als Hierarchie zu leben. Es wurde klar benannt, dass es aufgrund der Unternehmensgröße nicht möglich erschien, die gesamte Firmenstruktur anzupassen.

Die Personen, die den Wandel begleiten, waren in der Organisationsentwicklung tätig. Als grundlegende Basis für Veränderungen wird die aktive Arbeit an der Unternehmenskultur benannt, erst danach folgen Organisationsformen und Arbeitsmethoden. Anders als beim zuvor beschriebenen Typus kann nach der hier vertretenen Auffassung Kultur aktiv gestaltet werden. Dies geschieht im alltäglichen Handeln. Personen, die im Unternehmen im Fokus stehen, können diese Kultur stärker beeinflussen, weil sie mehr Aufmerksamkeit erfahren. Diese Personen können die Transformation vorantreiben.

Anpassung auf allen Ebenen
Der dritte Zugangsweg ist charakterisiert durch die Kombination von Anpassung der Struktur und neuem Blick auf die Beschäftigten. In dieser Gruppe wird unter New Work ein kontinuierlicher Veränderungsprozess für Unternehmen verstanden. Als veränderte Anpassungsleistung im Vergleich zu früheren wurde der Umgang mit Unsicherheit beschrieben. Bei den Anpassungen im Unternehmen wurde kein Schwerpunkt gesetzt, von dem die größte Hebelwirkung erwartet wurde. So zeichnet sich die Arbeitsorganisation mal als agil, mal als projektorientiert oder mal als strukturiert aus. Parallel wurden sowohl Beschäftigte als auch Führungskräfte befähigt, mit den zukünftigen Anforderungen umzugehen.

Die interviewten Personen waren in Funktionen der Unternehmensentwicklung tätig. Nach deren Aussagen standen im Hintergrund der Veränderungsprozesse aber Personen der Geschäftsführung, die als Treiber der Veränderungen fungieren und diese flankieren. Um in einem traditionellen Unternehmen neue Haltungen oder Arbeitsverständnisse einzubringen, benötige es einen Kulturveränderungsprozess. Dieser könne nur von „oben“ initiiert werden. Die Weichen für eine tiefgehende (Kultur-)Veränderung würden dort gelegt. Es benötige Treiber auf der oberen Ebene, die für die Akzeptanz des „Neuen“ sorgen.

Es gibt keine Blaupause

Die Interviews in den Unternehmen haben deutlich gemacht, dass je nach den betrieblichen Belangen, involvierten Personen oder bereits gemachten Erfahrungen unterschiedliche Ansätze gewählt wurden. Die Zugangswege zu Veränderungen entsprachen den individuellen Ausgangslagen. Die Prozesse wurden teilweise als Experimentierraum in Pilotbereichen genutzt und dort auch Fehler oder Kehrtwenden zugelassen. Denn nicht jede (agile) Arbeitsform passt für jedes Unternehmen. Es ist möglich, dass innerhalb eines Unternehmens im Sinne der Ambidextrie die alte und die neue Arbeitsform parallel existieren und dies das passende Konzept des Unternehmens ist[4] – Bei der Auswahl kommt es auf die Arbeitsweise, die Komplexität des Aufgabenbereiches und der Projekte sowie das Commitment der Beschäftigten an. Es gibt keine Blaupause, die eins zu eins von einem auf ein anderes Unternehmen übertragen werden kann.

Die Initiative Gesundheit und Arbeit (iga)

Seit zwei Jahrzehnten arbeiten in der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) Verbände der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung zusammen. Das gemeinsame Ziel ist es, Prävention und Gesundheitsförderung im Arbeitsleben zu unterstützen. Dazu beleuchtet iga aktuelle Entwicklungen in der Arbeitswelt, macht Erkenntnisse für die Praxis nutzbar und entwickelt erfolgreiche Vorgehensweisen weiter mit dem Fokus, Fachberaterinnen und -berater der Krankenkassen und Unfallversicherungsträger sowie Betriebe in ihrer praktischen Tätigkeit zu unterstützen.

New Work – Aktueller Themenschwerpunkt in iga:

www.iga-info.de/themen/new-work/

Flick, U.; Kardoff, E. & Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch, 2015.

Hackl, B.; Wagner, M.; Attmer, L. & Baumann, D.: New Work: Auf dem Weg zur neuen Welt. Management-Impulse, Praxisbeispiele, Studien, Wiesbaden 2017.

Kozica, A.; Müller, M. & Roser, P.: iga.Report 44. Evolution der Unternehmens- und Arbeitsorganisation. Neue Perspektiven für Prävention und Gesundheitsförderung durch Arbeit 4.0, iga, 2021.

McGregor, D.: The Human Side of Enterprise, 1960.

Schneeberger, S. J. & Habegger, A.: Ambidextrie – der organisationale Drahtseilakt. In: Schellinger, J.; Tokarski, K.; Kissling-Näf, I. (Hrsg.): Digitale Transformation und Unternehmensführung, Wiesbaden 2020.