Blei und Diisocyanate: EU plant neue europäische Grenzwerte
Anfang des Jahres hat die Europäische Kommission angekündigt, zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern neue Grenzwerte für die gesundheitsschädlichen Chemikalien Blei und Diisocyanate einzuführen. Genauer gesagt, sollen die Grenzwerte von Blei überarbeitet und für Diisocyanate erstmals eingeführt werden.
Die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung (DSV) begrüßt diesen Schritt ausdrücklich. Denn Blei kann sich bei Frauen schädlich auf die Sexualfunktion, die Fruchtbarkeit und die Fötusentwicklung auswirken sowie negative Folgen für das Nervensystem, Nieren, Herz und Blut haben. Diisocyanate können zu Atemwegserkrankungen und allergischen Hautreaktionen führen. Allerdings gibt es methodische Probleme bei der Messung von Grenzwerten für diese Stoffe. Deshalb bleiben aus Sicht der Deutschen Sozialversicherung Europavertretung weiterhin Maßnahmen wichtig, um das Expositionsrisiko so gering wie möglich zu halten.
Doch wo genau sind Beschäftigte eigentlich den Stoffen ausgesetzt? Bleibelastung am Arbeitsplatz kann beispielsweise beim Auftragen von bleihaltigen Anstrichstoffen im Zuge einer Restaurierung oder bei der Produktion von Elektroautos vorkommen. Diisocyanate finden in vielen Bereichen des Bauwesens Anwendung, etwa im Bauschaum. Aufgrund der Häufigkeit, mit der diese chemischen Stoffe verwendet werden, ist die Initiative zu den Grenzwerten für Blei und Diisocyanate ein wichtiger Schritt für die Stärkung der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.
Die Europäische Kommission rief betroffene Organisationen dazu auf, sich an einer Konsultation des entsprechenden Richtlinienentwurfs zu beteiligen. Die DSV prüfte in enger Zusammenarbeit mit der DGUV den Richtlinienentwurf und weist in einem Feedback auf methodische und praktische Umsetzungsschwierigkeiten hin.
Die Europäische Kommission schlägt eine Senkung der Grenzwerte zur Exposition von Blei vor. Besonders wichtig ist hier der Biologische Grenzwert (BGW), denn dieser umfasst sowohl die inhalative als auch die orale Exposition gegenüber Blei, die beispielsweise durch bleihaltigen Staub an Händen verursacht werden kann. Der Biologische Grenzwert ist daher aussagekräftiger als der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW), der sich allein auf die Belastung durch Blei in der Luft bezieht. Da aber auch die Einhaltung niedrigerer Grenzwerte keine gesundheitliche Unbedenklichkeit garantiert, bleiben weiterhin persönliche Hygiene- sowie technische und organisatorische Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz wichtig. Dies wurde auch so an die Europäische Kommission kommuniziert.
Auch der vorgeschlagene Arbeitsplatzgrenzwert von Diisocyanaten hat einen Haken. Denn ein und derselbe Grenzwert kann nicht für alle Diisocyanate gleichermaßen angewendet werden, ohne dass wesentliche Informationen verloren gehen, zum Beispiel zur Toxizität der verschiedenen Diisocyanate. Zudem stößt die Berechnung bei bestimmten Diisocyanaten an Grenzen, weshalb im Prinzip ein weiterer, spezieller Grenzwert benötigt wird.
Die Europäische Kommission schlägt zudem einen Grenzwert für die Überwachung von kurzzeitig erhöhten Expositionen vor. Es ist aber schwierig, Werte zu definieren, ab wann genau eine Exposition gegenüber Diisocyanaten nicht gesundheitsschädlich ist. Denn dies ist individuell sehr unterschiedlich. Deshalb bleiben die betriebliche Überwachung und möglichst der Ausschluss von kurzzeitig erhöhten Expositionen relevant.
Da bei Diisocyanaten grundsätzlich Schwierigkeiten bestehen, Expositionen genau festzustellen, sollten auch Messgeräte und -verfahren weiterentwickelt werden. Bis dahin gilt es, bestehende Schutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, anzupassen und für die nötige Schutzausrüstung zu sorgen.
Wie geht es weiter? Der Kommissionsvorschlag wird nun vom Europäischen Parlament und vom Rat erörtert. Im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) können die Abgeordneten Änderungsanträge zu dem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission formulieren. Der Termin der Abstimmung im Ausschuss steht schon fest: Es ist der 7. September 2023. Die Diskussionen werden sich also noch bis in den Spätsommer hinziehen.