Ist Europa auf dem Weg zu einer starken Gesundheitsunion?

Europaflagge | © Adobe Stock/somartin
©Adobe Stock/somartin

Die Coronapandemie hat Europa auch im Herbst wieder voll im Griff. Stark steigende Infektionszahlen beunruhigen die Menschen nicht nur in Deutschland, sondern auch in allen anderen europäischen Mitgliedstaaten. Und die Politik ringt um die richtigen Antworten. Ausgangssperren, vermehrte Telearbeit, Kontaktbeschränkungen und die Schließung von Restaurants und Cafés sind Maßnahmen, die wir schon aus dem Frühjahr kennen.

Die politische Arbeit geht auch im Risikogebiet Brüssel weiter. Nach wie vor sind viele europäische Initiativen von der Pandemie geprägt. Gerade zu Beginn der Pandemie waren Defizite in der EU-weiten Krisenbewältigung deutlich geworden. Brüssel möchte deswegen die ersten Lehren aus der Krise ziehen und sich nicht noch einmal vorwerfen lassen, es werde zu wenig getan oder es werde zu spät reagiert.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte deswegen schon im September ihre Idee einer Europäischen Gesundheitsunion angesprochen. Eine intensivere und koordiniertere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten sei von großer Bedeutung bei der Bewältigung der aktuellen und auch künftiger Gesundheitsrisiken. Zentrales Ziel solle sein, die Gesundheit aller europäischen Bürgerinnen und Bürger zu schützen und sie in einer Krise medizinisch optimal zu versorgen. Auch viele Abgeordnete des Europäischen Parlaments haben diese Anliegen durch ähnliche Forderungen unterstützt.

Wie möchte die Kommission die Gesundheitsunion erreichen? Sind hier Kompetenzverschiebungen in Richtung Europa abzusehen? Die im November vorgelegten Vorschläge zur Umsetzung dieses strategischen Großprojekts scheinen nicht darauf abzuzielen. Brüssel möchte zusätzliche, aber primär koordinierende Kompetenzen in der Gesundheitspolitik auf EU-Ebene schaffen. Es geht also um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Gesundheit, aber nicht um die Organisation und Finanzierung der Gesundheits- und Sozialsysteme. Denn diese sind und sollen nach wie vor Aufgabe der Mitgliedstaaten sein.

Die Europäische Kommission setzt die ersten Schwerpunkte der angestrebten Europäischen Gesundheitsunion auf den Ausbau des rechtlichen Rahmens bei schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren. Eine intensivere Bekämpfung sowohl der COVID-19-Pandemie als auch ähnlicher künftiger Gesundheitskrisen bedürfe einer engeren Koordinierung mit effizienteren Instrumenten auf EU-Ebene. Brüssel könnte damit bei einer Pandemie einen Gesundheitsnotstand europäischer Tragweite ausrufen. Dieser würde dann eine engere Koordinierung auslösen und die Entwicklung, Bevorratung und Beschaffung von krisenrelevanten Produkten wie zum Beispiel Mund-Nasen-Schutz oder Einmalhandschuhen gestatten. Außerdem möchte die Europäische Kommission die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) stärken und mit erweiterten Kompetenzen ausstatten. Die Kompetenzerweiterung der EU-Agenturen soll unter anderem eine Prüfung der Vorsorgepläne und Überwachung der Gesundheitslage (ECDC) oder das Aufdecken und Beheben von Engpässen bei Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie eine koordinierte Forschung (EMA) ermöglichen.

Gerade zu Beginn der Pandemie ist deutlich geworden, dass die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg besser werden muss. Daher kann hier ein echter europäischer Mehrwert erzeugt werden.