Keine Beitragspflicht von Krankenhausträgern für Medizinstudierende im praktischen Jahr

Im praktischen Jahr befindliche Studierende der Humanmedizin stehen nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in einer abhängigen Beschäftigung zum jeweiligen Ausbildungskrankenhaus und sind deshalb nicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, sondern gemäß § 2 Abs. 8 Buchstabe c) SGB VII bei der für die Universitätsklinik zuständigen Landesunfallkasse versichert.

LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.04.2021, L 6 U 145/17

Die inzwischen rechtskräftige Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (LSG Sachsen-Anhalt) ist eine erste gerichtliche Grundsatzentscheidung zur Versicherungs- und Beitragspflicht von Studierenden der Humanmedizin im praktischen Jahr (PJ) nach Änderung der Approbationsordnung für Ärzte in § 2 Abs. 2 Satz 5 ÄAppO, wonach seit April 2013 das PJ auch in anderen als den Krankenanstalten der Hochschule durchgeführt werden kann. In Reaktion auf diese Änderung hatte der Ausschuss Rechtsfragen der Geschäftsführerkonferenz der DGUV eine Änderung der „Leitlinie Bildungsmaßnahmen“ dahingehend beschlossen, dass Versicherungsschutz für PJ-Studierende über das Praktikumsunternehmen bestehe. Daraufhin hatte die beklagte Unfallkasse einen Beitragsbescheid für das Jahr 2015 unter Einbeziehung der Studierenden im PJ erteilt, gegen den sich die Klage des Ausbildungskrankenhauses richtete.

In zweiter Instanz hob das LSG den Beitragsbescheid auf und vertrat die Auffassung, dass die Ausbildung von Studierenden der Humanmedizin im PJ kein Beschäftigungsverhältnis zum jeweiligen Ausbildungskrankenhaus begründe, sondern als unter der Organisationsgewalt des jeweiligen Universitätsklinikums stehend Teil des Studiums sei. Dies ergebe sich einmal aus der Aufteilung des insgesamt sechsjährigen Medizinstudiums aus einem zwei- und einem dreijährigen Studienabschnitt, der jeweils mit dem ersten und zweiten Teil der ärztlichen Prüfung abgeschlossen werde, als auch dem PJ als drittem Studienabschnitt, der mit dem dritten Teil der ärztlichen Prüfung abschließe (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 2 ÄAppO).

Folgerichtig müsse der oder die Studierende auch während der Ableistung des PJ ordentlich immatrikuliert sein. Mit weitreichender Begründung begegnete das Gericht auch dem Argument der beklagten Unfallkasse, dass die PJ-Studierenden in den betrieblichen Ablauf des Ausbildungskrankenhauses eingegliedert seien und hinsichtlich Art, Ort und Zeit der ausgeübten Tätigkeiten dem Weisungs- und Direktionsrecht des jeweiligen Krankenhauses beziehungsweise des ausbildenden ärztlichen Personals unterlägen. Vielmehr seien Inhalte und Aufgaben der Ausbildung der Studierenden während des PJ durch umfangreiche Vorgaben der jeweiligen Studienordnungen vermittels Logbüchern vorgegeben und die Ausbildenden jeweils nur „verlängerter Arm“ der Universitätskliniken.

Der Einsatz der Studierenden während des PJ begründe keine eigenen rechtlichen Beziehungen zwischen den Studierenden und der Ausbildungsstelle, insbesondere kein Arbeitsverhältnis. Eine gegebenenfalls an der Höhe des BAföG-Satzes orientierte Unterstützung sei auch kein Entgelt für erbrachte Arbeit, was sich schon aus dem geringen Stundensatz im Verhältnis zu der in Vollzeit zu leistenden Ausbildungszeit ergebe. Auch ein betriebliches Ausbildungsverhältnis im Sinne der dem Beschäftigungsverhältnis gleichstehenden betrieblichen Berufsbildung nach § 7 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) komme nicht in Betracht – anders als während der ein- oder zweistufigen Juristenausbildung sei das PJ als Teil der Hochschulausbildung in diese integriert.

Dass die Sonderregelungen für duale Studiengänge der Einordnung des hier betreffenden Teils der Ausbildung als Teil des Studiums entgegenstünden, ließen die Gesetzesmaterialien, die ausdrücklich auch keine Aussage über die Unfallversicherung treffen wollten, nicht folgern. Eine Wie-Beschäftigung komme wegen des dominierenden Ausbildungsbezugs und des Eigeninteresses der Studierenden an dem erfolgreichen Studienabschluss sowie des fehlenden wirtschaftlichen Nutzens ihrer Tätigkeit ebenso wenig in Betracht.

Die Klarstellung seitens des LSG war erforderlich, nachdem wegen der Änderung der ÄAppO der maßgebliche Versicherungsschutz zunächst unklar war und ebenso wie im Falle der Gesetzesänderung zu dualen Studiengängen neue Zweifelsfragen aufgeworfen hatte. Allerdings ergeben sich neue Rechtsfragen im Hinblick auf den Versicherungsschutz während Famulaturen von Medizinstudierenden, auf die Hochschulen häufig, insbesondere wenn sie in Arztpraxen durchgeführt werden, keinen Einfluss haben.