Kommunikation als Präventionsmittel – Regressanspruch bei fehlender Kommunikation
Wer nicht oder nicht ausreichend kommuniziert, setzt sich, wie im Fall des OLG Frankfurt am Main, nach einem Arbeitsunfall einem Regressanspruch des Unfallversicherungsträgers aus, der den Versicherungsfall entschädigt.
Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main vom 27.10.2021, Az. 12 U 293/20
Worum ging es im konkreten Fall? Eine Bauträgerin errichtete mit demselben Rohbauunternehmen als Subunternehmerin mehrere Einfamilienhäuser. Das Rohbauunternehmen hatte das erste Haus fertiggestellt und zunächst für eine ordnungsgemäße Treppenhausabdeckung gesorgt. Der Bauleiter der Bauträgerin wies nun während des Rohbaus des zweiten Hauses Beschäftigte der Rohbaufirma an, die Treppenhausabdeckung im ersten Haus wieder zu entfernen, um dort Innenputzarbeiten zu ermöglichen. Mit diesen Innenputzarbeiten war wiederum eine andere Subunternehmerin beauftragt. Ein Mitarbeiter dieser Innenputzfirma stürzte beim erstmaligen Betreten des Hauses Nr. 1 mehrere Meter tief in den völlig ungesicherten Treppenschacht und verletzte sich schwer.
Der Bauleiter der Bauträgerin meinte, sich dahingehend auf die Beschäftigten der Rohbaufirma verlassen zu dürfen, dass diese nicht nur die Treppenhausabdeckung entfernen, sondern diese abschließend auch sichern. Konkret gesagt hat er dies nicht. Die Beschäftigten der Rohbaufirma wiederum meinten, es sei die Aufgabe des Bauleiters, der Innenputzfirma mitzuteilen, dass die Treppenhausabdeckung ohne jegliche Sicherung des Treppenschachtes hinterlassen worden war. Gesagt haben dies die Beschäftigten der Rohbaufirma dem Bauleiter aber nicht. Der Bauleiter fuhr, ohne seine Anweisung an das Rohbauunternehmen intern an andere Beschäftigte der Bauträgerin weiterzugeben, in den Urlaub. Der Chef der Innenputzfirma wiederum erstellte keine baustellenbezogene Gefährdungsbeurteilung und ließ seinen Arbeitnehmer mit einem Generalschlüssel für alle Neubauten auf die Baustelle. Wie der Arbeitnehmer sich vor Ort verhalten und sichern sollte, sagte ihm sein Chef nicht. Der Arbeitnehmer der Innenputzfirma lief im Dunkeln des Rohbaus um eine Ecke, bis er den Boden unter den Füßen verlor und mehrere Meter tief in den Treppenschacht stürzte.
Durch eine Kommunikation der Beteiligten untereinander, vielleicht sogar auch nur eines Teils der Beteiligten, wäre dieser schwere Arbeitsunfall mit Sicherheit verhindert worden. Die Beteiligten haben aber nicht miteinander gesprochen und als Fazit ergab sich: Wenn sich jeder ohne Abstimmung auf einen anderen verlässt, ist am Ende irgendein Dritter verlassen und verunfallt.
In dieser dargestellten Gemengelage hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main – unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten und (im Wege einer gestörten Gesamtschuld) einer Mitverantwortlichkeit der Innenputzfirma von insgesamt einem Drittel – der Klage der Berufsgenossenschaft auf Schadensersatz gegen die Bauträgerin und das Rohbauunternehmen mit einer Haftungsquote von zwei Dritteln zu Recht stattgegeben. Denn das Oberlandesgericht hat herausgearbeitet, dass es rechtlich betrachtet zwingend erforderlich ist, dass die auf einer Baustelle Tätigen sich untereinander abstimmen – entweder schriftlich oder mündlich. Eine bloß nonverbale Kommunikation oder gar das Unterlassen jeglicher Kommunikation sind nicht geeignet, (schwere) Unfälle zu vermeiden, und führen daher im Fall der Fälle zur Haftung. Daher gilt: Kommunikation ist der Schlüssel zur erfolgreichen Prävention.