„Null Toleranz bei Gewalt“ – Gewaltprävention im Fokus im Landratsamt Rastatt

Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind immer wieder von Gewaltsituationen betroffen. Welche Maßnahmen können Arbeitgebende ergreifen, um ihre Beschäftigten zu schützen? Beim Landratsamt Rastatt war das Thema Gewaltprävention im Zuge der systematischen, hausweiten Erstellung der Gefährdungsbeurteilungen bereits seit vielen Jahren ein Thema.

Die Unfallkasse Baden-Württemberg (UKBW) hat drei praxisbewährte Arbeitsschutzkonzepte ausgezeichnet. Das Landratsamt Rastatt wurde mit seinem Projekt „Null Toleranz bei Gewalt“ als Vorzeigebeispiel ausgewählt und mit 10.000 Euro prämiert. Laut der UKBW zielt das Konzept auf eine nachhaltige und umfassende Prävention von Gewalt ab. Erarbeitet wurde das Konzept von einer Projektgruppe innerhalb des Amts. Geleitet wird diese Gruppe von Iris Mezger, stellvertretende Personalchefin, und Sarah Hoppe, ausgebildete Gesundheitsmanagerin und Arbeitsschutzexpertin. Bereits seit 2008 sind sie für den Bereich „Arbeitsschutz und Prävention“ im Landratsamt zuständig.[1]

„Wir haben vor vielen Jahren in Rastatt angefangen mit einem Konzept der Gefährdungsbeurteilung, das ist ein zentrales Element im Arbeitsschutz“, sagt Sarah Hoppe.

In der Vergangenheit kam es bereits mehrfach zu Alarmsituationen, unter anderem im Jugend- und Sozialamt sowie im Bereich Ausländerwesen. Als im Sommer 2023 ein mit einem Messer bewaffneter Mann versuchte, in das Landratsamt einzudringen, konnte schnell reagiert und die Türen verriegelt werden, berichtet Hoppe. Dieser Vorfall lenkte die Aufmerksamkeit erneut auf die Gewaltprävention.[2]

„Mittlerweile gibt es bei uns einen Sicherheitsdienst, der tagsüber im Haus ist, zwar nicht alle Personen kontrolliert, aber doch auch mal bei den hereinkommenden Menschen nachfragt, ob sie überhaupt einen Termin haben – und auch den Mitarbeitenden im Haus bei schwierigen Situationen punktuell zur Seite steht“, sagt Hoppe.[3]

Technische Maßnahmen sorgen für mehr Sicherheit

Im Landratsamt Rastatt wurde ein spezielles Alarmierungssystem für die Mitarbeitenden eingeführt, mit dem sie im Ernstfall bei eskalierenden Gewaltsituationen per Mausklick und Telefonalarm auf sich aufmerksam machen können. Der Alarm ist zwar nicht im eigenen Raum hörbar, aber in allen anderen Bereichen, sodass Kolleginnen und Kollegen schnell zur Hilfe eilen können. „Im Alarmfall wird die Notsituation auf den Bildschirmen der Kolleginnen und Kollegen in den umliegenden Büros angezeigt. Eine Person muss den Alarm bestätigen und übernimmt die Verantwortung für die erste Hilfe“, erklärt Sarah Hoppe den Ablauf der Notfallkette.[4]

Im Landratsamt gibt es außerdem nicht nur einen Alarm für Evakuierungen, beispielsweise im Falle eines Brandes. Auch auf Amoklagen ist man mit einem speziellen Amoksignalton vorbereitet. Zudem wurden Sicherheitsschlösser an den Türen installiert.

Für Kolleginnen und Kollegen, die im Außenbereich im Einsatz sind, hat die Verwaltung eine praktische Unterstützung für Konfliktsituationen entwickelt.

Beschäftigte können einen Schrill- oder Taschenalarm bei sich tragen, der wie ein Schlüsselanhänger funktioniert. Bei Aktivierung gibt er einen lauten Alarmton ab und blinkt. „Die Gefahr ist dann zwar vielleicht nicht gebannt. Aber es ist eine Schrecksekunde, und da kann der Mitarbeitende fliehen“, erklärt Sarah Hoppe den Sinn des Geräts. Eine weitere Maßnahme: Der Eingangsbereich des Landratsamts soll nun umgestaltet werden, da „Gebäude und deren räumliche Gestaltung einen wesentlichen Einfluss auf die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten haben“, wie die UKBW betont. Zu Beginn des nächsten Jahres soll das Kundenservicecenter (KSC) in Richtung des Eingangsbereichs zum Windfang verlegt werden. Beim Umbau ist geplant, das KSC vollständig zu verglasen. Die Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden und der Kundschaft wird künftig über ein Mikrofon erfolgen.[5]

Das angewandte TOP-Prinzip

Landrat Prof. Dr. Christian Dusch erklärt den Arbeitsschutz zur Chefsache. Alle Beschäftigten arbeiten zum Wohle des Landkreises Rastatt und seiner Bürgerinnen und Bürger. Um ihre Arbeit bestmöglich erledigen zu können, benötigen sie ein gutes und sicheres Arbeitsumfeld. Daher ergreift das Landratsamt geeignete Maßnahmen, um Gewaltvorfälle und Gefährdungen für Mitarbeitende, Kundschaft sowie alle anderen Personen in seinem Verantwortungsbereich zu verhindern, und setzen diese konsequent um.

Die Gewaltprävention ist in die Gefährdungsbeurteilungen integriert und technische, organisatorische sowie personelle Maßnahmen (TOP-Prinzip) greifen ineinander. Die baulichen Maßnahmen werden ergänzt durch Unterweisungen zum Notfallmanagement und personenbezogene Präventionsmaßnahmen wie Schulungen zur Handlungskompetenz und Deeskalationstrainings.[6]

Der Landrat macht zudem deutlich: „Gewaltexzesse gegen Staatsdiener wie zuletzt gegen den Mannheimer Polizisten Rouven Laur dürfen wir als Gesellschaft niemals hinnehmen. Daher halte ich es für ein richtiges und wichtiges Signal, dass sich dem Thema Gewalt gegen Bedienstete im öffentlichen Dienst nun verstärkt angenommen wird.“

Ein Projekt mit Vorbildcharakter

Aufgrund der effektiven Verbindung von Arbeitsschutz-Basisarbeit mit dem TOP-Schema Gewaltprävention hat das Konzept Vorbildcharakter – zumal es auch digitale Strukturen (wie zum Beispiel flächendeckender Einsatz der UKBW-Software GefBU, E-Learnings) beinhaltet und durch die Beteiligung vieler Akteurinnen und Akteure geschaffen wird.

Wie geht es mit der Projektgruppe weiter? Sie plant, nun auch die Nachsorge und Erstbetreuung in den Fokus zu rücken, um betroffene Mitarbeitende zu unterstützen und zu stärken. Landrat Prof. Dr. Christian Dusch und Personalratsvorsitzender Joachim Klöpfer haben im vergangenen Mai die Grundsatzerklärung „Null Toleranz bei Gewalt!“ unterzeichnet. Ein Beispiel, das Schule machen sollte.[7]

Das Landratsamt Rastatt wurde für sein Konzept von der Unfallkasse Baden-Württemberg (UKBW) mit dem UKBW-Preis ausgezeichnet. Der Preis prämiert gelungene Konzepte zur Gewaltprävention und zeigt mit Best-Practice-Beispielen, wie Gewaltprävention in der Praxis gelingt. Im Mittelpunkt stehen Mitgliedsbetriebe, die mit ihren Umsetzungen Beispiele geben, die zur Nachahmung anregen. Der UKBW-Preis wird alle zwei Jahre zu aktuellen Themen verliehen. Den Film zum Projekt findet man unter: https://www.ukbw.de/ukbw-preis. Die Unfallkassen beraten zu Strategien der Gewaltprävention im Betrieb.