Homeoffice gesund gestalten – ein Überblick zu aktuellen Erkenntnissen

Die vergangenen Monate erbrachten vielfältige praktische Erfahrungen zur Arbeit im Homeoffice. Dies dürfte dazu führen, dass sich diese Arbeitsform weiterverbreiten und etablieren wird. Aber was sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse über gesundheitskritische Faktoren der Arbeit von zu Hause? Diese gilt es zu betrachten, wenn man Homeoffice in Zukunft sicher und gesund gestalten will.

In den vergangenen Monaten konnte ein großer Teil der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft – aufgrund der pandemiebedingten Schließung vieler Unternehmen – Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice sammeln. Auch wenn es schon seit längerer Zeit Formen des mobilen Arbeitens oder des Arbeitens von zu Hause aus gibt, so waren diese bisher oft begrenzt auf kleinere zeitliche Intervalle oder auf bestimmte Personengruppen. Je nach Wirtschaftszweigen und Tätigkeiten gab es deutliche Unterschiede in der Nutzung von Homeoffice. Vor allem unter Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeitern sowie höher qualifizierten Angestellten und Führungskräften in größeren Betrieben waren räumlich flexible Arbeitsformen wie Homeoffice verbreitet.

Zum Schutz vor Infektionen wurden in diesem Frühjahr viele Beschäftigte von einem Tag auf den anderen für mehrere Monate ins Homeoffice entsendet. Hier fand ein aus arbeitswissenschaftlicher und sozialpsychologischer Perspektive betrachtet interessantes Experiment statt, aus dem wir wichtige Erkenntnisse ziehen können, wie die Arbeit im Homeoffice gesundheitsgerecht gestaltet werden sollte.[1]

Begriffsdefinition

Aber was wird unter Homeoffice eigentlich konkret verstanden, und wie verbreitet ist dieses auch unabhängig von pandemiespezifischen besonderen Umständen?

Der Begriff wird oftmals synonym verwendet für jedwedes Arbeiten, das nicht in den Räumlichkeiten des Unternehmens stattfindet. Dabei müssen verschiedene gesetzliche Begrifflichkeiten auseinandergehalten werden, für die jeweils spezielle Regelungen gelten:

Telearbeit

Unter Telearbeit oder Teleheimarbeit wird verstanden, wenn die Arbeitsleistung – in der Regel dezentrale Bürotätigkeiten mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) – in den privaten Räumlichkeiten einer oder eines Beschäftigten erbracht wird. Ein Arbeitsplatz im Unternehmen existiert dabei zumeist nicht.

Alternierende Telearbeit

Unter alternierender Telearbeit wird das wechselnde Arbeiten von zu Hause aus und im Unternehmen verstanden. Es stehen hierfür oftmals keine festen Arbeitsplätze für die Mitarbeitenden im Unternehmen zur Verfügung, sondern es findet Desksharing statt. Nach Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) muss Tele(heim)arbeit vertraglich geregelt und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar und Arbeitsmitteln inklusive Kommunikationseinrichtungen bereitgestellt werden.

Mobile Arbeit

Beim Arbeiten von zu Hause aus, so wie es in den letzten Monaten zur Reduktion des Infektionsgeschehens praktiziert wurde, handelt es sich um eine Form der mobilen Arbeit. Diese unterliegt nicht der Arbeitsstättenverordnung, denn die Arbeit erfolgt ohne Bindung an einen fest eingerichteten Arbeitsplatz außerhalb des Betriebes. Sie kann nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin der Definition nach von überall her erbracht werden.[2]

Detaillierter geht der Artikel "Rechtliche Grundlagen zum Homeoffice und der Telearbeit" von Prof. Dr. Katrin Kanzenbach in dieser Ausgabe (Seite 17 bis 23) auf die verschiedenen Formen und die jeweiligen rechtlichen Implikationen ein.

Verbreitung von Homeoffice

Vor dem pandemiebedingten Shutdown kam die Arbeitszeitbefragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zu dem Schluss, dass mit 12 Prozent nur ein geringer Anteil an Beschäftigten über eine Vereinbarung zur Telearbeit verfügt, wie sie ein offizieller Telearbeitsplatz laut Begriffsbestimmung erforderlich macht.[3] Mit 31 Prozent arbeitete demgegenüber ein weitaus größerer Teil der Beschäftigten zumindest gelegentlich ohne betriebliche Vereinbarung von daheim. Die Studie belegt, dass der Anteil der Beschäftigten im Homeoffice stark mit dem Qualifikationsniveau, der Art der Tätigkeit und der Stellung im Beruf korreliert: Bei primär geistigen Tätigkeiten, Büroarbeit, hohen Anforderungen an das Qualifikationsniveau sowie bei Führungskräften generell ist Telearbeit stärker verbreitet und mit 52 Prozent am häufigsten in der Branche Information und Kommunikation vorzufinden. Nach Geschlechtern differenziert zeigt sich, dass Männer häufiger Telearbeit vereinbart haben als Frauen, auch da sie in den genannten Bereichen stärker vertreten sind. Der Anteil der Telearbeitenden unter den Beschäftigten mit jüngeren Kindern ist höher als bei Kinderlosen, und es arbeiten eher Beschäftigte mit längeren Pendelzeiten (über zwei Stunden) von zu Hause aus.

Die Autonomie scheint auch im Homeoffice ein 'zweischneidiges Schwert' zu sein. Es wird ein kurvilinearer Zusammenhang zwischen Autonomie und Arbeitszufriedenheit vorgefunden, wonach ein 'Zuviel' an Autonomie einen gegenteiligen Effekt haben kann.

Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass vor allem die skandinavischen Länder vermehrt mobil-flexibles Arbeiten nutzen. Deutschland liegt zusammen mit Ungarn, Italien und Spanien unter dem europäischen Durchschnitt von 17 Prozent.[4]

Aktuelle Situation in der Coronapandemie

Während der Coronapandemie hat sich die aktuelle Verbreitung von Homeoffice stark verändert. Dies belegen mehrere Studien.[5][6][7] So kommt eine aktuelle repräsentative Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom[8] zu dem Schluss, dass im Pandemiezeitraum von den berufstätigen Befragten knapp die Hälfte (49 Prozent) ganz oder zumindest teilweise im Homeoffice arbeitet. Bei einem Drittel der Berufstätigen (33 Prozent) wurde erstmals Homeoffice eingeführt, bei 43 Prozent wurden bestehende Homeoffice-Regelungen durch den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin ausgeweitet. Dagegen geben 41 Prozent an, ihre Tätigkeit sei grundsätzlich nicht für Homeoffice geeignet. Laut einer Studie der Universität Mannheim[9] ist etwa ein Viertel aller Beschäftigten in Deutschland im Homeoffice tätig, während etwa 50 Prozent weiterhin ihre Arbeitsstätte aufsuchen, wobei starke Unterschiede nach Bildungs- und Einkommensgruppen festgestellt wurden. So arbeiten 44 Prozent der Personen mit Hochschulabschluss im Homeoffice, während der Anteil bei Personen mit Real- oder Hauptschulabschluss bei 15 beziehungsweise 10 Prozent liegt, da sie in der Krise stärker von Freistellungen und Kurzarbeit betroffen sind.

Verschiedene Studien haben aktuell untersucht, wie die Unternehmen und Beschäftigten die Erfahrungen mit Homeoffice der letzten Monate bewerten und was sie für die Zukunft planen. So geben zum Beispiel in einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) 42 Prozent der befragten Unternehmen an, das Angebot für Homeoffice ausweiten zu wollen.[10]

Wie diese Zahlen zeigen, ist davon auszugehen, dass sich mobile Arbeit, insbesondere Homeoffice, zukünftig in der Arbeitswelt etablieren wird. Dies macht es so wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, welche möglichen Risiken und Gefährdungen, aber auch Chancen für die Gesundheit von Beschäftigten mit der Arbeit im Homeoffice verbunden sein können. Hierzu liegt eine Vielzahl von Erkenntnissen aus wissenschaftlichen Untersuchungen vor. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Ergebnisse und Gestaltungsempfehlungen wird im Folgenden dargestellt.

Arbeitsorganisation eine wichtige Stellschraube im Homeoffice

Die Arbeit im Homeoffice geht immer auch mit einer veränderten Organisation der Arbeit einher. Vor allem auf die Lage und Dauer von Arbeitszeit scheint sich Homeoffice auszuwirken. Viele Untersuchungen zu mobiler Arbeit und Telearbeit zeigen hier ein eindeutiges Bild und berichten, dass die Gefahr der zeitlichen Entgrenzung bei der Arbeit im Homeoffice sehr groß ist.[11][12][13] Beschäftigte im Homeoffice neigen demnach dazu, durchschnittlich länger zu arbeiten, sie machen mehr Überstunden, weniger Pausen und arbeiten eher auch einmal am Abend oder am Wochenende. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben scheinen durch die Arbeit zu Hause zu verschwimmen. Dies hat nicht nur zur Folge, dass notwendige Erholungspausen sich verkürzen oder ganz wegzufallen drohen, viele Beschäftigte im Homeoffice berichten auch davon, dass es ihnen schwerfällt, nach der Arbeit abzuschalten und nicht mehr über die Arbeit nachzudenken.[14] Dies beeinflusst die Qualität der Erholung in negativer Weise.

Wenn die Führungskraft ihre Rolle bisher als Kontrolleur oder Kontrolleurin verstanden hat, wird die Führung im Homeoffice zu Konflikten führen, die ein Risiko für die Gesundheit der Beschäftigten darstellen.

Darüber hinaus berichten Beschäftigte im Homeoffice, dass höhere Erreichbarkeitsanforderungen erlebt werden und sie häufiger sowohl von Kollegen und Kolleginnen als auch von Vorgesetzten außerhalb der Arbeitszeit für berufliche Belange kontaktiert werden als bei der Arbeit im herkömmlichen Büro.[15][16]  Durch den Einsatz von mobiler IKT wird eine durchgehende Online-Erreichbarkeit (Stichwort "Always-on-Kultur") hergestellt, die leicht zu einer zusätzlichen Aufweichung der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben führen kann.[17][18]

Ein weiteres Risiko für die Gesundheit der Beschäftigten kann entstehen, wenn Homeoffice dazu genutzt wird, hohe Arbeitsmengen durch "Mehrarbeit" auszugleichen.[19][20] Dieses Verhalten steht auch in Zusammenhang mit dem Konzept der "interessierten Selbstgefährdung". Hierbei handelt es sich um eine Art Bewältigungsstrategie, bei der Beschäftigte aus Interesse am beruflichen Erfolg die eigene Gesundheit gefährden.[21][22] Dies geschieht vor allem, wenn Ziele und Erwartungen an die Beschäftigten im Homeoffice nicht klar kommuniziert werden, Handlungsspielräume eingeschränkt sind und eine hohe Arbeitsintensität herrscht. Typische Verhaltensweisen sind die Intensivierung (zum Beispiel Wegfall von Pausen) und Extensivierung (beispielsweise am Wochenende arbeiten) von Arbeit, aber auch Phänomene wie Präsentismus. So konnte in einer aktuellen Studie belegt werden, dass Beschäftigte im Homeoffice sich weniger krankmelden und dazu neigen, auch bei kleineren gesundheitlichen Beeinträchtigungen weiterzuarbeiten.[23]

Die Forschung zeigt bezüglich der Arbeitsorganisation, dass Arbeiten im Homeoffice die wahrgenommene Kontrolle von Beschäftigten darüber, wie und wann gearbeitet wird, beeinflusst. Dadurch steigt die persönliche Flexibilität, die Beschäftigte in die Lage versetzt, die Erwerbsarbeit und das Privatleben gut zu vereinbaren. Die Studienergebnisse zum Thema Work-Life-Balance sind allerdings insgesamt heterogen.[24][25] Eine Vielzahl von Studien berichtet, dass Beschäftigte im Homeoffice weniger Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleben und das "Mehr" an Autonomie auch mit weniger gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Zusammenhang steht.[26][27] Dieser positive Effekt begründet sich meist mit der größeren (Zeit-)Autonomie beziehungsweise Zeitsouveränität. Wenn Beschäftigte im Homeoffice über größere Handlungsspielräume in Bezug darauf verfügen, wie sie ihre Arbeitszeit legen und wann genau sie welche Arbeitsschritte und Tätigkeiten ausführen, versetzt sie das in die Lage, dies auf private Belange und Verpflichtungen abzustimmen. Darüber hinaus fallen lange Pendelwege und Reisezeiten weg. Dies reduziert nicht nur Stress, sondern kann auch für die Erledigung privater Verpflichtungen genutzt werden.[28]

Diesen potenziell positiven Effekten von Homeoffice auf die Work-Life-Balance stehen zahlreiche weitere Studien gegenüber. Diese berichten, dass das im Homeoffice zu beobachtende Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben auch sehr oft zu Vereinbarkeitsproblemen führt und Konflikte zwischen den beiden Lebenswelten zunehmen (Stichwort "Work-Family-Conflict"). Der Wegfall dieser physischen und zeitlichen Grenzen erschwert es Beschäftigten oft, von der Arbeit abzuschalten. Aufgrund zeitlicher Erfordernisse der Tätigkeit leiden familiäre Verpflichtungen, und potenzielle emotionale Belastungen (zum Beispiel Stress) werden ins Privatleben hineingetragen.[29] Die Autonomie scheint insbesondere auch im Homeoffice ein "zweischneidiges Schwert" zu sein. Es wird ein kurvilinearer Zusammenhang zwischen Autonomie und Arbeitszufriedenheit vorgefunden, wonach ein "Zuviel" an Autonomie einen gegenteiligen Effekt haben kann.[30][31] Es scheint, dass der Vorteil von vorhandenen Freiheitsgraden, wenn die Organisation dessen eine große Herausforderung für die Beschäftigten darstellt und die Vorteile der Flexibilität nicht mehr überwiegen, sich ins Gegenteilige verkehrt.[32][33]

Unternehmen vertrauen darauf, dass Beschäftigte außerhalb des Büros qualitativ hochwertige Arbeit leisten, und im Gegenzug vertrauen die Beschäftigten darauf, von ihren Unternehmen nicht vergessen zu werden. Hierzu braucht es gute Absprachen und passgenaue betriebliche Lösungen.

Abschließend sind in Bezug auf die Arbeitsorganisation im Homeoffice die Erkenntnisse zum Thema Arbeitsunterbrechungen zu berichten. Unterbrechungen der Arbeit gelten als ein wichtiger Stressor bei der Arbeit, der sich negativ auf die Gesundheit von Beschäftigten auswirkt. Beschäftigte, die von zu Hause arbeiten, berichten von weniger Störungen und Unterbrechungen, wodurch konzentrierteres Arbeiten möglich ist.[34][35] Allerdings zeigen die Berichte auch, dass beim mobilen Arbeiten durchaus Störungen durch technische Probleme auftreten können, die das Arbeiten behindern. Hier gilt es, störungsfreies Arbeiten durch die Bereitstellung von angemessenen technischen Rahmenbedingungen zu gewährleisten.

Um den beschriebenen Gesundheitsrisiken in Bezug auf die Arbeitsorganisation vorzubeugen, ist es wichtig, passgenaue betriebliche Lösungen zu finden.[36] Das schließt ein, sich über Vereinbarungen zu verständigen, die Freiräume und gleichzeitig die notwendige Struktur im Homeoffice schaffen. Hierzu zählen nicht nur formale Maßnahmen, wie Vereinbarungen zur Zeiterfassung und Unterweisungen zu Arbeitszeitregelungen, sondern vielmehr auch individuelle Absprachen und Regelungen, die im Team und mit den Vorgesetzten darüber getroffen werden, wie und wann man im Homeoffice erreichbar sein will beziehungsweise muss.

Qualifikation und Selbstorganisationskompetenzen sind das A und O

Zusätzlich zu den zahlreichen arbeitsorganisatorischen Aspekten gilt es bei der gesundheitsgerechten Gestaltung im Homeoffice, auch die jeweiligen Arbeitstätigkeiten und Fähigkeiten zu berücksichtigen. Neben dem konzentrierten Arbeiten gehen Beschäftigte im Homeoffice vor allem gern planerischen und kreativen Tätigkeiten nach.[37][38] Dies geht mit dem meist höheren Qualifikationsniveau von mobil Arbeitenden einher. Organisatorische Aufgaben wie Besprechungen werden lieber im Büro erledigt.

Diese Abwägung verdeutlicht, dass das Arbeiten im Homeoffice zwar mehr Handlungsspielraum beziehungsweise Autonomie ermöglicht (siehe oben), dafür jedoch höhere Anforderungen an die Selbststeuerung und -organisation der Beschäftigten stellt. Unternehmerische Tätigkeiten wie regulierende und organisierende Aufgaben müssen von den Beschäftigten vermehrt selbst ausgeübt werden.[39][40][41] Hier ist es wichtig, die nötige Selbstorganisationskompetenz der einzelnen Beschäftigten zu stärken, damit sie die neu gewonnene Autonomie sinnvoll nutzen können. Studien zeigen, dass Qualifizierungsmaßnahmen bei der Einführung von IKT und neuen Arbeitsformen mit deutlich positiven Effekten für die Arbeitszufriedenheit einhergehen.[42] Befragungen zeigen allerdings auch, dass Unterweisungen und Qualifizierungsmaßnahmen nicht immer die Regel sind.[43][44] Dieser Gestaltungsspielraum sollte zukünftig noch mehr genutzt werden.

Ein weiterer Aspekt der Arbeitstätigkeit ist der sogenannte Technostress. Technostress ist eine spezifische Form des Stresses, der im Zusammenhang mit Digitalisierung und mobilen Arbeitsformen auftreten kann.[45] Informationsüberflutung, erweiterte Erreichbarkeit, Multitasking-Anforderungen sowie regelmäßige systembedingte Veränderungen erschweren Beschäftigten den gesundheitsgerechten Umgang mit IKT. Damit das nicht die Arbeitszufriedenheit und -motivation schmälert, sollte Arbeit auch in Bezug auf die Technik gut organisiert werden und Beschäftigte sowie Führungskräfte beim Aufbau genereller Handlungs- und Gesundheitskompetenz im Umgang mit neuer IKT und den damit einhergehenden Arbeitsformen unterstützt werden.[46][47]

Auf soziale Beziehungen muss im Homeoffice ein besonderes Augenmerk gelegt werden

Durch die Abwesenheit vom Arbeitsplatz im Büro ist je nach Ausmaß der Tage im Homeoffice die Möglichkeit der sozialen Kontakte (mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit Vorgesetzten) eingeschränkt. In vielen Studien und Untersuchungen wird darauf hingewiesen, dass hierin eine potenzielle Gefahr für die Gesundheit der Beschäftigten besteht.[48][49] So wird beschrieben, dass Beschäftigte im Homeoffice von weniger sozialen Interaktionen mit Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten und von Gefühlen sozialer Isolation berichten. In Bezug auf die Qualität der sozialen Kontakte scheinen vor allem die informellen, nicht sachbezogenen Gespräche zu leiden. Beschäftigte fühlen sich deshalb oft von informellen Informationen abgeschnitten und vermissen emotionale Unterstützung und Wertschätzung. Grundsätzlich ist durch die geringeren Kontakte die Möglichkeit, soziale Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten zu erhalten, eingeschränkt. Hier fehlt also eine sehr wichtige Ressource für die Gesundheit der Beschäftigten. Darüber hinaus haben soziale Beziehungen bei der Arbeit generell einen positiven Einfluss auf das Stresserleben und Wohlbefinden von Beschäftigten. Mit steigender Isolation nehmen deshalb die Auswirkungen psychischer Belastung zu und die empfundene Arbeitszufriedenheit ab.

Studienergebnisse weisen aber einheitlich darauf hin, dass es Gestaltungsmöglichkeiten des Homeoffice gibt, die diese potenzielle Gefahr abmildern können. Zum einen zeigt sich, dass das Ausmaß, wie lange man im Homeoffice arbeitet, darüber entscheiden kann, ob Gefühle der sozialen Isolation überhaupt entstehen. Erst bei mehr als zwei Tagen pro Woche im Homeoffice nimmt die Produktivität ab und die Einschätzung sozialer Isolation zu.[50][51] Zum anderen kann der virtuelle soziale Austausch über digitale Lösungen gefördert werden.

Mobil-flexible Arbeit kann zwar zunächst innerhalb klassisch-hierarchischer Arbeitsformen eingeführt werden, mit zunehmender Flexibilität verändern sich aber Zusammenarbeit, Führung und die organisationalen Strukturen und somit das Arbeitsmodell mit seinen Regeln, Normen und Werten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die soziale Unterstützung durch die Führungskraft. Wenn die Führungskraft ihre Rolle bisher als Kontrolleur oder Kontrolleurin verstanden hat, wird die Führung im Homeoffice zu Konflikten führen, die ein Risiko für die Gesundheit der Beschäftigten darstellen. Daher ist es wichtig, dass die Führungskraft ihre Kommunikation, Führungsmechanismen und das Verständnis der eigenen Rolle an die Führung im Homeoffice anpasst.[52]

Detaillierter geht der Artikel "Führung im Homeoffice – Wandel der Führungsrolle und neue Herausforderungen" von Elisa Begerow und Dr. Susanne Roscher in dieser Ausgabe (Seite 9 bis 12) auf die Herausforderungen und Gestaltungsempfehlungen von Führung im Homeoffice ein.

Die mobile Arbeitsumgebung sollte auch ergonomisch gestaltet werden

Was die Arbeitsumgebung betrifft, werden in neueren und älteren Studien von Beschäftigten im Homeoffice häufiger Rückenschmerzen berichtet.[53][54] Mobiles Arbeiten unterliegt wie anfangs beschrieben nicht der Arbeitsstättenverordnung. Prinzipiell werden im Homeoffice aber die gleichen ergonomischen Gestaltungshinweise empfohlen, wie sie für Büro- und Bildschirmarbeitsplätze im Unternehmen gelten.[55]

Über ergonomische Probleme hinaus werden im Homeoffice weitere Gesundheitsrisiken berichtet. So müssen meist nur kurze Wege zurückgelegt werden. Das kann sich negativ auf die Bewegung auswirken. In einer aktuellen Studie zum Homeoffice während der Coronapandemie wird neben wenig Bewegung über ungünstige Ernährungsgewohnheiten im Homeoffice berichtet.[56] Daher ist es besonders wichtig, die Gesundheitskompetenz der einzelnen Person zum Beispiel durch Unterweisungen oder Qualifizierungsangebote zu stärken und die Einhaltung ergonomischer Standards zu fördern.

Unternehmenskultur und organisationaler Kontext sind entscheidend für Homeoffice-Erfolg

Neben all den im Zusammenhang mit Homeoffice bereits betrachteten Faktoren dürfen die Unternehmenskultur und der organisationale Kontext als Ganzes nicht aus den Augen verloren werden. Homeoffice wird nicht im luftleeren Raum eingeführt, sondern ist immer im Zusammenhang mit der vorherrschenden Unternehmenskultur zu sehen.[57][58] So führt eine Unternehmenskultur, die stark von Präsenz geprägt ist, eher zu einer langsamen Implementierung mobil-flexibler Arbeitsweisen.

Neben den technischen Voraussetzungen müssen somit auch kulturelle Voraussetzungen geschaffen und Ressentiments bei den Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen abgebaut werden, damit das Arbeiten im Homeoffice erfolgreich und reibungslos stattfinden kann. Viele Organisationen haben hohe Erwartungen bei ihren Entwicklungsvorhaben, scheitern aber, da sie nicht bereit sind, den anspruchsvollen transformativen Wandel auf allen Organisationsebenen wirklich anzugehen.[59]

In diesem Sinne kann die Coronapandemie ein Anstoß für eine kulturelle Veränderung sein, wie die Studie des Fraunhofer -IAO zeigt.[60] Von den knapp 500 befragten Unternehmen, von denen mehr als 90 Prozent Mitarbeitende mit einem grundsätzlich eigenen festen Arbeitsplatz im Unternehmen beschäftigen, gaben 47 Prozent an, dass Führungskräfte, die noch Vorbehalte gegen Homeoffice hatten, diese abbauen, da sie inzwischen viele positive Erfahrungen gemacht haben. Weiterhin gaben 70 Prozent der befragten Unternehmen an, durch die Coronapandemie gelernt zu haben, dass ein guter Zusammenhalt und eine starke Kultur gut durch krisenhafte Phasen tragen.

Damit die Unternehmenskultur nicht nur durch die Pandemie trägt, sondern auch nach der Coronapandemie bei der von mehreren Unternehmen geplanten Ausweitung von Homeoffice unterstützt, ist häufig eine Weiterentwicklung der Kultur nötig. Eine Anpassung des psychologischen Vertrags, der ein gegenseitiges Vertrauen voraussetzt, scheint erforderlich. Unternehmen vertrauen darauf, dass Beschäftigte außerhalb des Büros qualitativ hochwertige Arbeit leisten, und im Gegenzug vertrauen die Beschäftigten darauf, von ihren Unternehmen nicht vergessen zu werden.[61] Hierzu braucht es gute Absprachen und passgenaue betriebliche Lösungen.

Organisationen sollten transparent darstellen, weshalb sie Homeoffice fördern, was sie sich davon versprechen, welche Erwartungen an die Beschäftigten damit verknüpft sind, wie der Prozess der Genehmigung aussieht sowie welche Regelungen von Erreichbarkeiten und Reaktionszeiten für Teams festgelegt wurden.

Mobil-flexible Arbeit kann zwar zunächst innerhalb klassisch-hierarchischer Arbeitsformen eingeführt werden, mit zunehmender Flexibilität verändern sich aber Zusammenarbeit, Führung und die organisationalen Strukturen und somit das Arbeitsmodell mit seinen Regeln, Normen und Werten.[62] Bei der systematischen Einführung von Homeoffice sollten daher sowohl Veränderungen der sozialen Systeme als auch der Führungsaufgaben berücksichtigt werden.[63]

Ein erster Schritt hin zu einer kulturellen Verankerung mobil-flexiblen Arbeitens ist eine gute betriebliche Verständigung zu dem Thema. Organisationen sollten transparent darstellen, weshalb sie Homeoffice fördern, was sie sich davon versprechen, welche Erwartungen an die Beschäftigten damit verknüpft sind, wie der Prozess der Genehmigung aussieht sowie welche Regelungen von Erreichbarkeiten und Reaktionszeiten für Teams festgelegt wurden.[64]

So besteht die Chance, dass sich Unternehmensstrategie und Kultur im Einklang weiterentwickeln und sich nicht die Aussage des Ökonomen Peter Drucker "Culture eats strategy for breakfast" bewahrheitet. Nur so kann eine langfristig gesunde und nachhaltige Ausweitung von Homeoffice für die gesamte Organisation gelingen.