Sicheres und gesundes Arbeiten von zu Hause aus: Informationen und Empfehlungen zu Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit
Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit können ohne Prävention ein Risiko für die Gesundheit sein. Durch individuell passende Gestaltung der Arbeitsumgebung und Arbeitszeit sowie die Förderung der Sicherheits- und Gesundheitskompetenz können sie aber auch vielfältige Vorteile für Beschäftigte und Betriebe bieten – auch über die Corona-Pandemie hinaus.
Im Jahr 2018 lag Deutschland mit etwa fünf Prozent der Beschäftigten im Homeoffice im Durchschnitt der EU. Die Situation hat sich durch die Corona-Pandemie deutlich verändert. Inzwischen arbeiten laut einer aktuellen Studie 34 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland teilweise oder vollständig von zu Hause aus. Im Vergleich haben Führungskräfte doppelt so häufig Zugang zu Homeoffice wie andere Beschäftigte und nutzen diese Option entsprechend intensiver. In Funktionsbereichen wie Vertrieb und Marketing wird Homeoffice am stärksten genutzt, in den Bereichen Service, Verwaltung und Dienstleistung weniger und am seltensten in der Produktion (siehe Abb. 1).
Obwohl die meisten Beschäftigten (58 Prozent) sich wegen der aktuellen Pandemie das Arbeiten im Homeoffice wünschen, gibt es viele Fragen zur sicheren und gesunden Gestaltung von Homeoffice-Arbeitsplätzen und der damit verbundenen Arbeitszeitgestaltung.
Rechtlicher Rahmen
Homeoffice ist eine Form der alternierenden Telearbeit, bei der die Beschäftigten teilweise zu Hause und teilweise im Büro oder im Betrieb arbeiten. Anders als bei fester Telearbeit, die nach Arbeitsstättenverordnung (ArbstättV) einen vom Betrieb fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im privaten Bereich der Beschäftigten umfasst und für die die wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung vereinbart werden müssen, unterliegt Homeoffice nicht der Arbeitsstättenverordnung. Jedoch gelten das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) uneingeschränkt.
So hat das Unternehmen zwar keine Pflicht, eine Gefährdungsbeurteilung und nachfolgende Unterweisung nach Arbeitsstättenverordnung vorzunehmen, es muss nach Arbeitsschutzgesetz dennoch sicherstellen, dass seine Beschäftigten sicher und gesund im Homeoffice arbeiten. Dies ist insbesondere bei den rechtlichen Regelungen zur Arbeitszeit eine wichtige Aufgabe.
Eine offene Frage betrifft die Arbeitszeiterfassung. Im diesbezüglichen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Mai 2019 wird ein System zur Erfassung der Arbeitszeit gefordert. Das Urteil macht jedoch keine Aussage dazu, wem die Arbeitszeiterfassung obliegt. Bei der Arbeit im Homeoffice und mit Vertrauensarbeitszeit ist das Dokumentieren der Arbeitszeit oft den Beschäftigten überlassen. Auch wenn es keine gesetzliche Definition von Vertrauensarbeitszeit gibt, ist damit in der Regel gemeint, dass die Beschäftigten selbst entscheiden, wann und wie lange sie arbeiten. Eine formale Zeiterfassung und Anwesenheitskontrolle durch das Unternehmen entfallen.
Aus dem Arbeitszeitgesetz:
§ 3 ArbZG: Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten.
§ 4 ArbZG: Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen.
§ 5 ArbZG: Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben.
§ 16 Abs. 2 ArbZG: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen […].
Chancen und Herausforderungen von Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit
Die flexible Arbeitsgestaltung im Homeoffice und in Vertrauensarbeitszeit bietet viele Vorteile für Betriebe und Beschäftigte. Neben der Zeit- und Kostenersparnis gewährt sie den Beschäftigten mehr Souveränität und Flexibilität über ihre Zeit. Damit werden Beruf und Privatleben besser miteinander vereinbar. Wer im eigenen Rhythmus arbeiten kann und mehr Autonomie beim Arbeiten genießt, erfährt dadurch häufig Entlastung und ist zufriedener. Auch das Commitment mit der Arbeit und dem Unternehmen kann steigen.
Davon profitieren auch die Betriebe. Mit flexibler Arbeitszeit leisten Beschäftigte durchschnittlich mehr als mit festgelegten Arbeitszeiten, insbesondere wenn sie eine hohe intrinsische Motivation haben. Zudem ergeben sich für die Betriebe Möglichkeiten, Kosten zu sparen, beispielsweise durch weniger Büroarbeitsplätze im Betrieb aufgrund von Desk Sharing. Durch die Nutzung von Vertrauensarbeitszeit können zeitaufwendige und kostspielige Kontroll- und Koordinierungsaufgaben wegfallen. Auch verringerte Fehlzeiten können daraus resultieren. Die Betriebe profitieren darüber hinaus von erhöhter Kundenfreundlichkeit durch die Entkopplung von Arbeitszeit und Büroöffnungszeiten. Zudem gewinnt ein Betrieb für viele Beschäftigte – insbesondere Familien – durch flexible Arbeitszeitmodelle an Attraktivität und bietet bessere Chancen für Menschen mit Behinderungen.
Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit funktionieren nur in einer guten betrieblichen Präventionskultur, die die Themen Sicherheit und Gesundheit selbstverständlich im Fokus hat.
Es gibt jedoch auch Herausforderungen sowohl für die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen als auch für die Beschäftigten. Den Betrieben können für die Arbeit im Homeoffice und in Vertrauensarbeitszeit Kosten durch Veränderungen der Arbeitsorganisation und durch Qualifizierungsmaßnahmen entstehen. Arbeit und Arbeitsplätze müssen in der Regel genauer geplant werden. Der Verlust von Kontrollmöglichkeiten und der Verfügbarkeit vor Ort birgt zudem für beide Seiten Konfliktpotenzial.
Beschäftigte mit flexibler Arbeitszeit leisten jedoch eher mehr als weniger Arbeit. Diese Mehrarbeit kann für sie zur Herausforderung werden. Insbesondere hohe Arbeitsanforderungen und mangelndes Zeitmanagement führen möglicherweise zu Entgrenzung von Beruf und Privatleben sowie zu längeren Arbeitszeiten am Abend und am Wochenende oder zu erweiterter Erreichbarkeit. Beschäftigte arbeiten bei Vertrauensarbeitszeit oft intensiver und extensiver. Dies kann einhergehen mit zu wenigen oder zu kurzen Pausen und damit stärkerer arbeitsbedingter Erschöpfung. Eine neue Leistungspolitik, bei der Ziele und Erfolge im Fokus stehen statt der allgemeinen Arbeitsleistung, birgt zusätzlich das Risiko der interessierten Selbstgefährdung 8.[1]
Die Abwesenheit vom betrieblichen Büroarbeitsplatz führt zu einer Abnahme der sozialen Kontakte. Außerdem fühlen sich Beschäftigte im Homeoffice vom Betrieb oft weniger wahrgenommen und anerkannt. Eine geringere Leistungswahrnehmung durch Vorgesetzte und schlechtere Beziehungen in der Arbeitsumgebung bringen nicht nur erhöhte psychische Belastungen mit sich, sondern können auch mit verminderten Aufstiegschancen verbunden sein. Es gibt aber auch Befunde, dass sich das Arbeiten zu Hause positiv auf die Gesundheit von Beschäftigten auswirkt.
Gestaltung von Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit
Ob sich Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit positiv oder negativ auswirken, hängt maßgeblich von deren Gestaltung ab. Neben der Arbeitszeitgestaltung sind für eine sichere und gesunde Arbeit auch die Förderung der Sicherheits- und Gesundheitskompetenz der Beschäftigten sowie eine gute Präventionskultur essenziell.
Neben Betriebsvereinbarungen mit Bezug auf die Regelungen im Arbeitszeitgesetz sollten einvernehmliche Vertrauensarbeitszeitmodelle zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ausgehandelt werden, in denen beispielsweise auch das Recht auf Nichterreichbarkeit geregelt ist. Zudem sollte geklärt werden, wer die Dokumentation der täglichen Arbeitszeit übernimmt.
Eine gut ausgebildete Sicherheits- und Gesundheitskompetenz umfasst die Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Arbeitszeitgestaltung und -erfassung. Dies erfordert Kenntnisse über vorgeschriebene Höchstarbeitsgrenzen, Pausen und Ruhezeiten. Ebenso sollten die Risiken interessierter Selbstgefährdung und durch Entgrenzung von Freizeit und Arbeitszeit frühzeitig angesprochen werden. Anleitungen zur ergonomischen Gestaltung des Arbeitsplatzes sind insbesondere bei Arbeit im Homeoffice hilfreich. Das Erstellen von Zeitplänen kann Beschäftigten im Homeoffice und in Vertrauensarbeitszeit zudem Struktur geben.
Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit funktionieren nur in einer guten betrieblichen Präventionskultur, die die Themen Sicherheit und Gesundheit selbstverständlich im Fokus hat. Gute Führungsqualitäten, faire und realistische Zielvereinbarungen, eine gute Beziehung zur Führungskraft und gegenseitiges Vertrauen spielen hier eine wichtige Rolle. Offene Kommunikation kann nicht nur den Koordinierungsaufwand verringern, sondern gemeinsam mit den zuvor genannten Faktoren sowohl erhöhter Arbeitsbelastung als auch potenziellem Arbeitszeitbetrug durch Beschäftigte vorbeugen. Obwohl im Homeoffice und bei Vertrauensarbeitszeit Arbeitsleistungen schlechter sichtbar sind, dürfen Beschäftigte nicht benachteiligt werden. Kommunikationsroutinen beugen dem vor und stärken zudem das Zusammengehörigkeitsgefühl. Weitere Hinweise, wie eine Präventionskultur im Allgemeinen und speziell im Homeoffice etabliert werden kann, bietet die Kampagne kommmitmensch.
Betriebe sollten gemeinsam mit ihren Beschäftigten die Chancen von Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit durch eine sichere und gesunde Gestaltung nutzen. Nicht nur weil besondere Umstände wie eine Pandemie jetzt dazu zwingen können, sondern vor allem, weil Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit bei zunehmender Digitalisierung und weiteren neuen Entwicklungen in der Arbeitswelt dann auch in Zukunft dabei helfen, flexibel, sicher und gesund zu arbeiten.
Literatur
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