Personalrat 4.0 – Beschlussfassung und Sprechstunde mittels moderner Telekommunikationstechnologie

Der Beitrag behandelt die Möglichkeiten des Einsatzes moderner Kommunikationstechnologien im Rahmen der Geschäftsführung von Personalräten nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) unter Berücksichtigung der Gesetzesanpassungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie.

A. Einleitung

Die rechtliche Grundlage für die Personalratsarbeit findet sich im BPersVG aus dem Jahre 1974.[1] Dieses besteht zum Teil seither unverändert, insbesondere eine Anpassung an die fortschreitende Digitalisierung hat nicht stattgefunden. Dies galt bis vor Kurzem auch für die mit Blick auf die Personalratstätigkeit sehr wichtigen Vorschriften in § 37 und § 43 BPersVG, die innerhalb der Geschäftsführung die Beschlussfassung und die Sprechstundentätigkeit des Personalrats regeln. Im Zuge der COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber sich nunmehr dazu entschlossen, die Regelungen (vorübergehend) an die besonderen Bedürfnisse der Krisenbewältigung anzupassen und den Einsatz moderner Kommunikationstechnologien bei der Personalratsarbeit zu ermöglichen.

B. Die Beschlussfassung des Personalrats gemäß § 37 BPersVG

I. Grundsätze und Bedeutung der Beschlussfassung

§ 37 Abs. 1 BPersVG regelt die Modalitäten der Beschlussfassung durch den Personalrat. Beschlüsse werden danach grundsätzlich mit einfacher Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst, wobei eine Stimmenthaltung als Ablehnung gilt und bei Stimmengleichheit ein Antrag abgelehnt ist. Abs. 2 der Vorschrift befasst sich mit der Beschlussfähigkeit des Personalrats, die vorliegt, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist, wobei im Falle der Verhinderung eine Stellvertretung durch sogenannte Ersatzmitglieder zulässig ist.

Nach allgemeiner Auffassung kann die Beschlussfassung nur in einer (ordnungsgemäß einberufenen und durchgeführten) Sitzung des Personalrats erfolgen,[2] was sich aus einem Zusammenspiel der Formulierung "anwesend" in § 37 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, dem Erfordernis einer der Beschlussfassung vorausgehenden Beratung aus § 38 BPersVG und aus dem Fehlen einer Ausnahmeregelung, wie sie in einzelnen Landespersonalvertretungsgesetzen existiert, ergibt.[3] Für das Vorliegen einer Sitzung wiederum entscheidend ist das Merkmal der "Anwesenheit". Durch diese soll sichergestellt werden, dass für jedes Personalratsmitglied die Möglichkeit besteht, die Ansichten und Argumente der anderen Mitglieder in Erfahrung zu bringen, diese gegeneinander abzuwägen und seinerseits auf die Meinungsbildung innerhalb des Personalrats einwirken zu können.[4]

Die Nichteinhaltung dieser Anforderungen führt zur Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses. Dies kann erhebliche Konsequenzen für die aufgrund des Beschlusses getroffenen Maßnahmen haben, insbesondere bei arbeitsrechtlichen Maßnahmen, die in der Folge unwirksam wären.[5]

Trotz teilweise inhaltlicher Kritik ist die Ergänzung der Regelungen im Bundespersonalvertretungsgesetz insgesamt positiv zu bewerten.

II. Einsatz moderner Kommunikationstechnologie nach bisheriger Rechtslage

Unter diesen Prämissen ist auch die Nutzung "technischer" Möglichkeiten bei der Beschlussfassung zu beurteilen. Dabei sind in der Vergangenheit verschiedene Konstellationen immer wieder diskutiert worden:

1. Beschlussfassung im Umlaufverfahren

Es liegt auf der Hand, dass die genannten Anforderungen bei einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren, gleichgültig ob digital oder analog, nicht gewährleistet sind. Daher wird allgemein vertreten, dass eine Beschlussfassung auf diesem Wege nicht zulässig ist.[6] Das Bundesarbeitsgericht hat dies für den insoweit sinngleichen § 33 BetrVG[7] bereits vor längerer Zeit so entschieden.[8]

2. Beschlussfassung mittels Videokonferenz

Hinsichtlich des Einsatzes von Videokonferenzsystemen existiert bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung. In erstinstanzlichen Entscheidungen finden sich gelegentliche Ausführungen zu der Problematik, die – vorsichtig formuliert – eher zurückhaltend ausfallen. So hat etwa das Arbeitsgericht Stuttgart noch jüngst entschieden, dass die Beschlussfassung des Betriebsrats "nach derzeitigem Gesetzeswortlaut eben auch nur von Angesicht zu Angesicht im selben Raum und nicht mittels Skype oder Umlaufverfahren erfolgen kann".[9] Im Schrifttum ist der Meinungsstand uneinheitlich. Zunehmend wird allerdings die Beschlussfassung mittels Videokonferenz für zulässig erachtet.[10]

Eine entscheidende Rolle dürfte dabei die Auslegung des Merkmals "anwesend" spielen. Verlangt man hierfür eine körperliche Anwesenheit am selben Ort, so wäre die Durchführung einer Sitzung und damit auch eine Beschlussfassung mittels Videokonferenz nicht möglich. Wie oben dargelegt soll die "Anwesenheit" aber in erster Linie eine Beratung im Sinne eines offenen Meinungsbildungsprozesses bezüglich der zu beschließenden Angelegenheit ermöglichen. Dies ist im Rahmen einer Videokonferenz in gleicher Weise wie bei körperlicher Anwesenheit am selben Ort möglich.[11]

Die dagegen vorgebrachten Bedenken beziehen sich in der Regel auf das Gebot der Nichtöffentlichkeit der Sitzungen des Personalrats aus § 35 Satz 1 BPersVG, das bei der Nutzung von Videokonferenzsystemen nicht immer zu gewährleisten sei.[12] Dies dürfte indes eher eine – lösbare – technische Problematik sein. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass auch der Gesetzgeber eher restriktiv mit der Problematik umgeht. So ist etwa auf den – ursprünglich aus dem Jahre 1996 stammenden – § 28 EBRG[13] zu verweisen, der in seiner Formulierung betreffend die Beschlussfassung deckungsgleich mit § 37 BPersVG ist und für den der Gesetzgeber erst im Jahre 2017 durch § 41a EBRG (nur) unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Teilnahme an Sitzungen für Seeleute "mittels neuer Informations- und Kommunikationstechnologien" geschaffen hat. Diese Sonderregelung spricht eher dafür, dass der Gesetzgeber eine solche Möglichkeit der Sitzungsteilnahme im Regelfall – und damit auch für Personalräte – als nicht zulässig ansieht. Angesichts dessen konnte dem Personalrat bislang – trotz beachtlicher Argumente für die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens – nur geraten werden, von Sitzungen mittels Videokonferenzsystemen nach Möglichkeit abzusehen.

3. Beschlussfassung mittels Telefonkonferenz

Naturgemäß noch schwächer ist die Position bei einer Befürwortung der Zulässigkeit von Sitzungen und Beschlüssen mittels Telefonkonferenz. Neben den auch hier geltend gemachten (technischen) Bedenken[14] fehlt es insoweit insbesondere an der Möglichkeit einer visuellen Kontaktaufnahme, womit die erforderliche Kommunikation zwischen den Personalratsmitgliedern nur eingeschränkt stattfinden kann.[15]

Zwar wird ganz vereinzelt vertreten, dass trotz dieser eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten der notwendige unmittelbare mündliche Austausch und damit die erforderliche Meinungsbildung noch gewährleistet sei,[16]  in der Praxis muss man dem Personalrat aber deutlich davon abraten, von der Möglichkeit einer Beschlussfassung mittels Telefonkonferenz Gebrauch zu machen.

4. Beschlussfassung in Chatrooms

Der Austausch in sogenannten "Chatrooms" wird keinesfalls ausreichen können, um die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beratung zu erfüllen, da hier die Möglichkeit eines adäquaten Meinungsbildungsprozesses derart eingeschränkt ist, dass eine Beschlussfassung nicht mehr als zulässig angesehen werden kann. Zudem bestehen insoweit (überwindbare) Schwierigkeiten bei der sicheren Identifikation der handelnden Personen. Der Einsatz von Chatrooms ist daher unzulässig.[17]

5. Zwischenfazit

Nach bisherigem Rechtsstand war jeglicher Einsatz moderner Kommunikationstechnologie bei der Beschlussfassung – trotz zum Teil beachtlicher Gegenargumente – zumindest mit Zurückhaltung zu betrachten. Mit Blick auf die Konsequenzen fehlerhafter Beschlüsse war dem Personalrat zu empfehlen, seine Beschlüsse ausschließlich in Sitzungen vor Ort unter körperlicher Anwesenheit der Mitglieder zu treffen.

Wenn der Personalrat von der Möglichkeit der Sprechstunde mit­tels Videokonferenz Gebrauch machen will, muss er dies in der Geschäftsordnung festle­gen.

III. Maßnahmen zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Personalrats im Zuge der COVID-19-Pandemie

Die zur Verhinderung einer weiteren Verbreitung des sogenannten Coronavirus getroffenen Entscheidungen zogen starke Einschnitte im Bereich der Wirtschaft, aber auch in öffentlichen Institutionen nach sich, die häufig nur durch ein Zusammenwirken zwischen Dienststelle und Personalrat umgesetzt werden konnten und können (beispielsweise die Freistellung einzelner Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen oder die Beschäftigung im Homeoffice). Daneben waren und sind weiterhin die Maßnahmen zu beschließen, die auch unter "normalen" Verhältnissen stattgefunden hätten, wie etwa die Einstellung oder Entlassung von Personal. Die hierfür erforderliche Sitzungstätigkeit und Beschlussfassung des Personalrats waren aber unter den gegebenen Umständen nur schwer umsetzbar oder sogar völlig unmöglich geworden. Die rechtliche Lösung in dieser Situation konnte letztlich nur so aussehen, dass eine "virtuelle"[18] Personalratstätigkeit ermöglicht wird, wobei diese Terminologie zumindest unglücklich gewählt ist, da sie nach ihrer Bedeutung suggeriert, dass es sich um etwas Unwirkliches handelt.[19] Inhaltlich geht es um nichts anderes als die Ermöglichung des Einsatzes moderner Telekommunikationstechnologien bei der Arbeit des Personalrats. Hierfür kommen verschiedene Ansätze in Betracht.

1. Lösungsansätze außerhalb von Gesetzesänderungen

a) Zunächst hätte die Möglichkeit bestanden, die Regelung des § 37 BPersVG so auszulegen, wie dies von Teilen der Literatur vertreten wird (vgl. oben B.II.2. und 3.), was zumindest die Nutzung von Videokonferenzsystemen ermöglich hätte. Daneben wurde in Anbetracht der "Unmöglichkeit" einer Sitzungsteilnahme über eine Analogie zum oben erwähnten § 41a EBRG nachgedacht,[20] was eine Regelungslücke im BPersVG zur Voraussetzung hätte. Diese könnte darin zu sehen sein, dass der Gesetzgeber bei Erlass des § 37 BPersVG weder die technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts noch eine Pandemiesituation vor Augen hatte. Die Auslegung von Rechtsnormen ist allerdings in erster Linie eine Aufgabe der Gerichte. Man hätte insoweit zuwarten müssen, bis erste Entscheidungen in diesem Zusammenhang ergehen, was zum einen naturgemäß einen gewissen Zeitraum beansprucht, zum anderen nur sehr schwer prognostizierbar ist. Es ist zudem nicht unbedingt davon auszugehen, dass die Rechtsprechung ihre bisherige Haltung zum Einsatz moderner Kommunikationstechnologien aufgibt, was ein erhebliches Risiko für die Beteiligten bedeutet hätte.

b) Eine weitere – gelegentlich auch praktizierte – Lösung könnte eine Vereinbarung zwischen Dienststelle und Personalrat sein, Beschlüsse, die etwa im Umlaufverfahren zustande gekommen sind, trotz Verstoßes gegen das Sitzungserfordernis aus § 37 BPersVG als wirksam anzuerkennen. Indes wäre eine solche Vereinbarung nicht mit dem Gesetz vereinbar. Die Norm des § 37 BPersVG ist nach allgemeiner Ansicht zwingend und kann weder durch den Personalrat selbst noch durch Dienstvereinbarung abbedungen werden. Nicht einmal mittels Tarifvertrags wäre eine Modifikation möglich.[21] Selbst wenn eine solche Vereinbarung zwischen Personalrat und Dienststelle funktionierte (getreu dem Motto: "Wo kein Kläger, da kein Richter."), darf nicht übersehen werden, dass Beschlüsse des Personalrats häufig Dritte betreffen (etwa Arbeitnehmer), die an eine derartige Vereinbarung nicht gebunden wären und gegebenenfalls gerichtlich die Unwirksamkeit des Beschlusses mit entsprechenden Folgen für die aufgrund dessen getroffene Maßnahme feststellen lassen könnten. Durch Vereinbarung zwischen Dienststelle und Personalrat kann daher die Problematik nicht gelöst werden.

c) Durch "Ministererklärung" vom 20. März 2020 verlautbarte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dass aus seiner Sicht "in der aktuellen Lage, wenn beispielsweise die Teilnahme an einer Präsenzsitzung zu Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Betriebsratsmitglieder führt oder wegen behördlicher Anordnungen nicht möglich ist, auch die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz einschließlich online gestützter Anwendungen wie WebEx Meetings oder Skype, zulässig ist" und die dort gefassten Beschlüsse wirksam seien.[22] Diese Erklärung dürfte angesichts der sinngleichen Vorschriften in BetrVG und BPersVG auch für die Personalratstätigkeit gelten. Sie stieß auf unterschiedliches Echo, wobei weitgehend Einigkeit darüber bestand, dass sie im Ergebnis keinen Einfluss auf die gesetzlichen Vorgaben für Sitzungen haben kann.[23] Letztlich handelt es sich hier nur um eine weitere (vertretbare) Auslegung der Vorschriften und nicht etwa um eine Rechtsquelle.[24] Insoweit gilt für die "Ministererklärung" nichts anderes als für die Auslegungen der Normen durch die Wissenschaft (vgl. dazu soeben B.III.1.a).

2. Änderung der gesetzlichen Vorschriften

Der Gesetzgeber hat sich – sicher auch in Anbetracht der Nachteile der anderen dargestellten Optionen – dafür entschieden, die gesetzlichen Vorschriften anzupassen und durch Art. 1 des Gesetzes vom 25.05.2020[25] § 37 BPersVG um einen Absatz 3 mit folgendem Wortlaut ergänzt:

"Personalratsmitglieder können mittels Video- oder Telefonkonferenzen an Sitzungen teilnehmen, wenn

  1. vorhandene Einrichtungen genutzt werden, die durch die Dienststelle zur dienstlichen Nutzung freigegeben sind,
  2. vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Geschäftsordnung kein Mitglied des Personalrates unverzüglich nach Bekanntgabe der Absicht zur Durchführung einer Sitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz diesen Verfahren gegenüber dem Vorsitzenden widerspricht und
  3. der Personalrat geeignete organisatorische Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Eine Aufzeichnung ist unzulässig. Personalratsmitglieder, die mittels Video- oder Telefonkonferenz an Sitzungen teilnehmen, gelten als anwesend. § 41 Absatz 1 Satz 3 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass der Vorsitzende vor Beginn der Beratung die zugeschalteten Personalratsmitglieder feststellt und in die Anwesenheitsliste einträgt."

Die Regelung tritt gemäß Art. 9 Abs. 2 des Gesetzes vom 25.05.2020 rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft und gilt bis zum 31. März 2021 (Art. 9 Abs. 5 i.V.m. Art. 2 des Gesetzes v. 25. Mai 2020).

Damit ist in dem genannten Zeitraum die Beschlussfassung des Personalrats mittels Video- oder Telefonkonferenz zulässig. Nach Ablauf dieses Zeitraums gelten wieder die oben genannten Ausführungen (siehe B.II.) zur bisherigen Rechtslage.

Insbesondere hinsichtlich der Sprechstunde war eine Gesetzesänderung unumgänglich, da diese ansonsten in 'digitaler' Form überhaupt nicht durchführbar wäre.

IV. Bewertung der Maßnahmen

Die Einführung der Regelung ist im Grundsatz zu begrüßen. Sie stellt die einzige rechtssichere Möglichkeit zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Personalrats in der aktuellen Situation dar.

Bei der Ausgestaltung im Detail wird man dem Gesetzgeber die gebotene Eile bei der Schaffung der Norm zugutehalten können (wobei allerdings angemerkt sei, dass die Anpassung des BPersVG an die technische Entwicklung überfällig war). Soweit der Personalrat auf Einrichtungen verwiesen wird, die durch die Dienststelle zur dienstlichen Nutzung freigegeben sind (§ 37 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPersVG), und geeignete Maßnahmen zur Geheimhaltung zu treffen sind (§ 37 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BPersVG), ist dies dem Gebot der Nichtöffentlichkeit von Personalratssitzungen gemäß § 35 Satz 1 BPersVG, der Verschwiegenheitsverpflichtung gemäß § 10 Abs. 1 BPersVG sowie den Belangen des Datenschutzes geschuldet.[26] Die "Fiktion" einer Anwesenheit nach § 37 Abs. 3 Satz 3 BPersVG hat lediglich klarstellende Funktion.[27] § 37 Abs. 3 Satz 4 BPersVG schließlich ist eine Folgeänderung mit Blick auf die Anwesenheitsliste nach § 41 Abs. 1 Satz 3 BPersVG, da eine eigenhändige Eintragung in die Liste bei Video- oder Telefonkonferenzen nicht möglich ist.

Eher unverständlich ist die Ergänzung in § 37 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BPersVG. Das Gesetz eröffnet hier einzelnen Personalratsmitgliedern – ohne Einschränkungen und ohne Angabe von Gründen – die Möglichkeit, die Durchführung der Sitzung mittels technischer Einrichtungen zu verhindern, indem sie dem Verfahren widersprechen. Zwar kann der Personalrat dies in seiner Geschäftsordnung anders regeln und etwa ein bestimmtes Quorum für den Widerspruch vorsehen,[28] der Erlass oder die Änderung der Geschäftsordnung ist aber ebenfalls nur durch Beschluss nach § 37 BPersVG möglich (erforderlich ist in dem Falle sogar eine qualifizierte Mehrheit nach § 42 BPersVG). Auch ein solcher Beschluss über die Geschäftsordnung könnte daher bei Widerspruch auch nur eines einzigen Mitglieds nicht in einer Video- oder Telefonkonferenz erfolgen. Es ist nicht ersichtlich, welche Belange des einzelnen Mitgliedes die Funktionsfähigkeit des Personalrats derart überwiegen sollen, dass eine solch starke Boykottmöglichkeit gerechtfertigt wäre. Eine Begründung hierfür hat der Gesetzgeber nicht abgegeben.

Ebenfalls vom Gesetzgeber nicht näher begründet wurde die Festlegung der Unzulässigkeit einer Aufzeichnung in § 37 Abs. 3 Satz 2 BPersVG. Auch hier mag der Hintergrund in den Anforderungen zur Verschwiegenheit und zum Datenschutz liegen, es ist allerdings nicht ersichtlich, weshalb nicht zumindest die Option eines Mitschnitts nach Zustimmung aller Sitzungsteilnehmer bestehen sollte. Für Präsenzsitzungen ist eine solche Möglichkeit jedenfalls anerkannt.[29]

Am deutlichsten zu kritisieren ist allerdings nicht die Regelung selbst, sondern deren zeitlich begrenzte Wirkung (nur) bis zum 31. März 2021. Möglicherweise ist diese "Nutzungsdauer" der gesetzgeberischen Vorsicht geschuldet, da angesichts einer Vielzahl von zu erlassenden Vorschriften im Zuge der COVID-19-Pandemie etwaige Fehler oder ungewollte Rechtsfolgen auf diese Weise "von selbst" korrigiert werden sollen und eine weitere Änderung von Normen damit entbehrlich wird. Mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung ist das Vorgehen in diesem konkreten Fall aber nur wenig nachvollziehbar. Hier hätte man dem Gesetzgeber etwas mehr Mut gewünscht.

C. Die Sprechstunde des Personalrats gemäß § 43 BPersVG

Nach § 43 BPersVG kann der Personalrat Sprechstunden für die Beschäftigten während Arbeitszeit einrichten. Es handelt sich um eine Befugnis des Personalrats, nicht um eine Verpflichtung. Hinsichtlich Zeit und Ort ist die Einrichtung einer Sprechstunde mit der Leitung der Dienststelle abzustimmen.[30] Neben der Sprechstunde kann der Personalrat auch andere Möglichkeiten der Kontaktaufnahme nutzen, sodass auch schon nach bisherigem Rechtsstand die Kommunikation mittels technischer Einrichtungen eröffnet war. Es handelte sich dann aber nicht um eine Sprechstunde im Sinne des § 43 BPersVG.[31]

Sofern der Personalrat von der Möglichkeit der Einrichtung von Sprechstunden Gebrauch gemacht hatte oder dies beabsichtigte, stellte sich auch hier die Frage, wie dies in Zeiten der COVID-19-Pandemie umgesetzt werden konnte. Zwar ist es nicht zwingend, dass die Sprechstunde in den Gebäuden der Dienststelle stattfindet, jedoch dürfte in den allermeisten Fällen auch die Durchführung an einem anderen Ort nicht möglich sein. Es lag daher auch hier nahe, auf elektronische Kommunikationsmittel auszuweichen. Der Gesetzgeber hat § 43 BPersVG um den folgenden Absatz 2 ergänzt:[32]

"Die Sprechstunde kann mittels Videokonferenz abgehalten werden, wenn

  1. vorhandene Einrichtungen genutzt werden, die durch die Dienststelle zur dienstlichen Nutzung freigegeben sind,
  2. dies in der Geschäftsordnung des Personalrates geregelt ist und
  3. der Personalrat geeignete organisatorische Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Eine Aufzeichnung ist unzulässig."

Die Regelung ist gleichermaßen zeitlich befristet wie die Ergänzung des § 37 BPersVG (vgl. oben B.III.2.). Die Voraussetzungen entsprechen im Wesentlichen denjenigen für die Sitzungstätigkeit des Personalrats. Eine telefonische Sprechstunde ist allerdings nicht möglich. Sehr weitgehend ist die Anforderung in § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BPersVG: Der Personalrat muss, wenn er von der Möglichkeit der Sprechstunde mittels Videokonferenz Gebrauch machen will, dies in der Geschäftsordnung festlegen, was deren Änderung oder Erlass (unter den Voraussetzungen des § 42 BPersVG) bedingt. Ohne diese Regelung hätte ein einfacher Beschluss zur Einrichtung einer Videosprechstunde ausgereicht, was sicher auch sachgerecht gewesen wäre.

D. Zusammenfassung und Fazit

Trotz teilweise inhaltlicher Kritik ist die Ergänzung der Regelungen im BPersVG insgesamt positiv zu bewerten. Insbesondere hinsichtlich der Sprechstunde war eine Gesetzesänderung unumgänglich, da diese ansonsten in "digitaler" Form überhaupt nicht durchführbar wäre. Bezüglich der Beschlussfassung des Personalrats hätten sich die nunmehr eingeführten Möglichkeiten auch durch entsprechende Gesetzesauslegung eröffnen lassen beziehungsweise sind die Regelungen nach zum Teil in der Literatur vertretener Ansicht eher klarstellender Natur. Allerdings ist durch die Ergänzung der Vorschrift des § 37 BPersVG Rechtssicherheit geschaffen worden, was in Zukunft dazu beitragen wird, Streitigkeiten zu vermeiden. 

Kritikwürdig ist dagegen, dass der Gesetzgeber in Zeiten einer digitalen Transformationsgesellschaft die Optionen des Einsatzes von Kommunikationstechnologie (nach derzeitigem Stand) nur befristet eingeräumt hat. Hier wurde eine Chance verpasst, das BPersVG nachhaltig und dauerhaft an die Bedürfnisse und Möglichkeiten einer modernen Arbeitswelt anzupassen.