Gemeinsam durch Höhen und Tiefen – die Behandlung ausländischer COVID-19-Erkrankter in den BG Kliniken
Expertise in intensivmedizinischer Betreuung zeichnet die BG Kliniken aus. Daher waren zwei von ihnen auch erste Anlaufstellen für ausländische Krankenhäuser bei ihrem Hilfegesuch zur Betreuung schwer kranker COVID-19-Infizierter. Im BG Klinikum Bergmannstrost Halle wurden vier Personen aus Italien, im BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum drei aus den Niederlanden behandelt.
In Halle werden drei Männer und eine Frau der Jahrgänge 1954 bis 1970 vom Team um Professor Hermann Wrigge, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin und Schmerztherapie, in Empfang genommen – nach dem Spezialtransport aus Bergamo mit der Schweizer Rettungsflugwacht Swiss Air-Ambulance (REGA) zum Flughafen Leipzig/Halle. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BG Klinikums Bergmannstrost übernehmen vier schwer kranke Personen, die bereits seit zwei Wochen beatmet werden, ein schweres Lungenversagen haben und von den italienischen Kolleginnen und Kollegen in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt wurden. Schon die ersten Diagnosen zeigen gesundheitliche Probleme, „die wir in dieser Kombination so noch nie gesehen haben“, berichtet Professor Wrigge. Schlaganfall, Magenblutung, Darmblutung, Gefäßverschluss, eine extreme Schwäche der Atemmuskulatur – die Auswirkungen der COVID-19-Infektion sind bei diesen Menschen enorm. Die Behandlung in Halle wird mehrere Wochen dauern, schätzt Professor Wrigge zu diesem Zeitpunkt. Am Ende werden es 53 Tage sein, die vor allem für einen Patienten auch zum Überlebenskampf werden. Die Behandlung im BG Klinikum basiert vor allem auf einer möglichst schnellen Entwöhnung vom Beatmungsgerät – bei diesen Erkrankten besonders problematisch –, einer schnellstmöglichen Mobilisation und so wenig Medikamenten wie möglich.
Die Übernahme der Erkrankten aus Italien war für die Klinikleitung eine Selbstverständlichkeit. „Italien hat es in Europa zuerst und mit am härtesten getroffen. Auch durch die Erfahrungen der italienischen Kolleginnen und Kollegen konnten in Deutschland zahlreiche Leben gerettet werden. Daher habe ich mich darüber gefreut, dass die Aufnahme der Erkrankten in unserem Haus nie zur Debatte stand und die Mitarbeitenden in der professionellen und hilfsbereiten Art, die unser Haus prägt, alles für die Genesung der vier Menschen getan haben“, sagt Thomas Hagdorn, Geschäftsführer des Bergmannstrost, rückblickend.
53 Tage Intensivbehandlung
Auch für das engagierte Pflegepersonal der Intensivstation steht von Anfang an fest: Unser Ziel ist es, diese erkrankten Personen wieder in ein Flugzeug nach Hause zu setzen und ihnen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen. Dass dies am Ende auch gelingt, ist der langjährigen Erfahrung und der Zusammenarbeit des interdisziplinären Teams aus fachärztlichem, therapeutischem und Pflegepersonal zu verdanken. Genau diese Arbeit im Team ist es, die Marcel Schuchert während dieser Zeit begeistert hat. Der Pfleger gehörte zum Aufnahmeteam der italienischen COVID-19-Infizierten im BG Klinikum Bergmannstrost in Halle. „Wir wussten alle nicht recht, was uns erwartet. Gemeinsam mit den Ärzten haben wir uns da super reingefuchst und zusammen die nächsten Schritte besprochen“, berichtet Schuchert. Ihm hilft, dass er in der Schule Italienisch gelernt hat und sich so mit den Patienten und der Patientin verständigen kann. Aber gerade in der ersten Zeit sind sie dazu noch gar nicht in der Lage – zum einen, weil sie beatmet werden, zum anderen, weil die Kraft fehlt. Die Dolmetscherin, die dem Bergmannstrost eigens zur Betreuung der Erkrankten zur Verfügung steht, ist eine große Hilfe, aber nicht immer da. Und so geht es mit Händen und Füßen oder mit Zettel und Stift.
Schuchert nimmt aus dieser Zeit viel an erlerntem Wissen mit: „In diesen Wochen ist ja das komplette Spektrum der Intensivmedizin zur Anwendung gekommen.“ Er steckt gerade mitten in seiner Fachweiterbildung und wird eine der Prüfungen zu der speziellen Beatmungsmethode namens NAVA (Neurally Adjusted Ventilatory Assist) ablegen, die bei einem der Patienten die ersehnte Wendung zur Besserung gebracht hat. Dafür war eigens ein Gerät aus Zwickau geholt worden. Natürlich ist zu den Erkrankten aus Italien auch eine gewisse Bindung entstanden. „Wir haben gemeinsam so viele Höhen und Tiefen erlebt und mit ihnen gefühlt. Das war für sie ja auch ein ganz heftiger Schicksalsschlag.“
Die „Corona-Fighter“ nehmen den Kampf auf
Für die Behandlung der vier COVID-19-Infizierten wird ein Teil der Intensivstation zum abgetrennten Spezialbereich. Das eigens für diese Personen zusammengestellte Pflegeteam nennt sich selbst „Corona-Fighter“ und nimmt gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten den Kampf gegen die unbekannte Krankheit auf, für die es noch keine wirksame Therapie gibt. „Das bedeutet, wir beschränken uns auf die Behandlung von Komplikationen und von Begleitproblemen und führen eine allgemeine Intensivtherapie durch mit dem Ziel, die Betroffenen durch die Erkrankung zu führen, ohne sie weiter zu schädigen“, erläutert Professor Wrigge.
Die langen Wochen der Bettlägerigkeit führen zum raschen Abbau der Muskulatur – auch der Atemmuskulatur. Daher geht es in der Rehabilitation, die bereits im BG Klinikum Bergmannstrost Halle beginnt, vor allem um die weitere Kräftigung der Muskulatur und der körperlichen Verfassung. Zurück in Italien erwartet alle vier Genesenen nun noch eine lange Zeit der Rehabilitation – pro Beatmungstag rechnet man drei Tage Reha, so Professor Wrigge. Zwei Patienten wurden acht Wochen lang beatmet. Da auch die Ärztinnen und Ärzte bei dieser Krankheit immer noch hinzulernen, kann niemand sagen, wie schnell sich die Lunge und andere betroffene Organe erholen werden und wie lange die Rehabilitation wirklich dauern wird.
Therapie für Patientinnen und Patienten aus den Niederlanden
Als Klinik mit den meisten Intensivkapazitäten in der Region nimmt Anfang April auch das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum neben den lokalen Patientinnen und Patienten drei niederländische Personen mit einer COVID-19-Infektion auf. Ein Viertel aller –Infizierten muss während der Behandlung intensivmedizinisch versorgt und künstlich beatmet werden. Zum Teil sind die Personen so schwer erkrankt, dass sie über einen Zeitraum von mehreren Wochen mit einer „künstlichen Lunge“ (sogenannte ECMO, Extrakorporale Membranoxygenierung) versorgt werden müssen. „Bei fast allen Patienten konnte der Gesundheitszustand deutlich gebessert und stabilisiert werden, sodass sie wieder in die häusliche Umgebung oder in ihre Heimat überführt werden konnten“, sagt Dr. Tina Groll, Geschäftsführerin des BG Universitätsklinikums Bergmannsheil. „Wir haben zudem von den frühzeitig begonnenen Vorbereitungen für den Umgang mit der Corona-Pandemie profitiert. Eine interdisziplinär und interprofessionell besetzte Pandemiegruppe hat bereits Anfang des Jahres einen Pandemieplan erarbeitet, der dynamisch an die nahezu täglich veränderte Situation angepasst wurde.“
In kurzer Zeit werden Corona-Infizierte von den übrigen Patientinnen und Patienten getrennt, Corona-Bereiche eingerichtet, Stabs- und Kommunikationsstrukturen aufgebaut, die Hygiene- und Alarmpläne aktualisiert. Insbesondere das Hygienemanagement und die Erstellung von Lageberichten, um einen Überblick über mögliche Personal-, Raum- und Materialressourcen zu erhalten, sind wichtige Erfolgsfaktoren, um handlungsfähig zu bleiben.
An allen Standorten der BG Kliniken wird zudem die Frage nach der Zuteilung von intensivmedizinischen Ressourcen diskutiert, sollten die Kliniken mit einem besonders hohen Patientenaufkommen konfrontiert werden. Das Klinische Ethik-Komitee im Bergmannsheil in Bochum hat Empfehlungen für den Fall entwickelt, dass die Ressourcen zur intensivmedizinischen Behandlung im Krankenhaus nicht ausreichen. In diesem Worst-Case-Szenario benötigen Ärztinnen und Ärzte in der Patientenversorgung medizinisch-ethische Richtlinien, wie die verfügbaren Behandlungskapazitäten auf die Bedürftigen zu verteilen sind. Der Leitfaden des Klinischen Ethik-Komitees im Bergmannsheil erweist sich als derart fundiert und ausgewogen, dass das Papier als Richtschnur für alle Standorte der BG Kliniken implementiert wird.
Insgesamt verläuft die Behandlung der ausländischen Patientinnen und Patienten sowohl im BG Klinikum Bergmannstrost in Halle als auch im BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum reibungslos. Trotz vieler Einschränkungen durch die Ausbreitung von SARS-CoV-2 ist zudem die Aufnahme und Behandlung aller behandlungspflichtigen unfallversicherten Patientinnen und Patienten in dieser Zeit stets vollumfänglich möglich. Glücklicherweise bleiben die Beschäftigten beider Kliniken von einer Ausbruchsituation verschont, umfangreiche Stationsschließungen oder Quarantäne-Anordnungen werden vermieden. Nicht zuletzt dadurch kann den italienischen und niederländischen Erkrankten die bestmögliche Behandlung zuteil- und ihre Genesung erreicht werden.