Beratung und Überwachung in Zeiten der Pandemie

Durch die Kombination von Überwachung und Beratung kommt den Präventionsabteilungen der Unfallversicherungsträger eine besondere Bedeutung gerade in der aktuellen Pandemiesituation zu. Dabei helfen den Aufsichtspersonen ihre branchenbezogenen Kenntnisse und die Befugnis zu hoheitlichem Handeln. Es gilt, die Gesundheit aller Beteiligten zu schützen – in den Betrieben, aber auch für die Aufsichtspersonen selbst.

Die derzeitige Pandemie durch das Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19) hat gravierende Auswirkungen auf alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens. Nicht nur im privaten Umfeld und in der Öffentlichkeit, sondern auch bei der Arbeit gilt es, die Ausbreitung des Virus so weit als möglich einzudämmen und daran mitzuwirken, die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten.

Die durch die Bundesregierung festgelegten Verhaltensregeln und Schutzmaßnahmen für den öffentlichen Raum gelten grundsätzlich auch am Arbeitsplatz. Dazu hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht. Dieser ist eine Richtschnur zur Auslegung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) und bietet eine Hilfestellung für die Unternehmen bei der Gefährdungsbeurteilung zu Pandemievorkehrungen auf betrieblicher Ebene.

Die Arbeitsschutzbehörden der Länder und die Unfallversicherungsträger wirken auch in Zeiten der Corona-Pandemie durch Beratung und Überwachung in den Unternehmen und Betrieben daran mit, dass Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sichergestellt werden. Bei der Beratung und Überwachung zu allen Themen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes wird der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard mit den Maßnahmen zum Infektionsschutz immer mitgedacht. Die DGUV hat hierzu einen Muster-Handlungsleitfaden erarbeitet, der den Präventionsabteilungen der Unfallversicherungsträger als Rahmen für die Beratung und Überwachung von Betrieben durch die Aufsichtspersonen dienen kann.

Besondere Herausforderung für Beratung und Überwachung

Auf die Unternehmen der einzelnen Branchen kommen die unterschiedlichsten Herausforderungen zu. Das beginnt schon mit der Fragestellung, ob überhaupt gearbeitet werden darf. Durch die weitreichenden Einschränkungen in den letzten Monaten sind viele an den Rand ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten geraten. Kurzarbeit und Schließungen sind in manchen Bereichen an der Tagesordnung, während in anderen Wirtschaftszweigen ein erhöhtes Arbeitsaufkommen zu verzeichnen ist. Die Wiederaufnahme der Tätigkeiten wird überschattet von wirtschaftlichen Zwängen und einer gewissen Unsicherheit darüber, mit welchen konkret auf den einzelnen Arbeitsplatz bezogenen Maßnahmen der Infektionsgefahr wirksam begegnet werden kann.

Die Wiederaufnahme der Tätigkeiten wird überschattet von wirtschaftlichen Zwängen und einer gewissen Unsicherheit darüber, mit welchen Maßnahmen der Infektionsgefahr wirksam begegnet werden kann.

Je nach Arbeitsort, Tätigkeit, Gestaltung des Arbeitsbereichs, Anzahl der Beschäftigten sowie Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Zusammenarbeit lassen sich die besonderen Anforderungen durch die omnipräsente Infektionsgefahr mehr oder weniger gut beherrschen.

Bei der Überwachung und Beratung müssen die Aufsichtspersonen die individuelle Situation des einzelnen Unternehmens im Blick haben und bei Bedarf die Anforderungen aus dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard in branchen- und arbeitsplatzbezogene Maßnahmen übersetzen.

Die Unternehmen – Berücksichtigung von Pandemievorkehrungen in der Gefährdungsbeurteilung

Die im Unternehmen bei der Arbeit zu berücksichtigenden Gefährdungen und Belastungen werden in der betriebsinternen Gefährdungsbeurteilung ermittelt und bewertet. Auf dieser Grundlage werden angemessene Schutzmaßnahmen für die einzelnen Arbeitsbereiche und Arbeitsplätze entwickelt und festgelegt. Dabei müssen aktuell auch die besonderen Einflüsse durch den Infektionsschutz beachtet werden: Im Rahmen der Erstellung und Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung haben Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard zu berücksichtigen. Abweichende, gleichermaßen wirksame Maßnahmen sind dabei nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Außerdem gibt es bundesländerspezifische Regelungen, die ebenfalls einzubeziehen sind.

Information und Hilfestellung durch die Unfallversicherungsträger

Mit Beginn der Pandemie Anfang März 2020 war auch der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) – wie den meisten Unfallversicherungsträgern – die Besichtigungstätigkeit zunächst nur noch sehr eingeschränkt möglich; der Seminarbetrieb an den Bildungsstätten ruhte.

In dieser Zeit wurde intensiv daran gearbeitet, sehr schnell Hilfestellungen und beispielhafte Konzepte zum Infektionsschutz für die Betriebe und Unternehmen zu entwickeln. Es entstanden Checklisten zur Gefährdungsbeurteilung für die unterschiedlichsten Gewerbezweige und Informationsblätter, die über die Internetseite abrufbar sind. Für die telefonische Beratung wurde bei der BG ETEM eigens eine Corona-Hotline eingerichtet, die branchentypische Fragen beantwortet und häufig gestellte Fragen sammelt. Diese sind dann in einer FAQ-Liste auf der Internetseite exemplarisch auch schriftlich beantwortet zu finden.
 
Alle Unfallversicherungsträger haben ihre Expertise genutzt, um den allgemeinen Corona-Arbeitsschutzstandard mit branchenspezifischen Informationen und Beratungsangeboten zu konkretisieren und weiterzuentwickeln. Eine Übersicht hierzu ist auf den Corona-Seiten der DGUV unter https://www.dguv.de/corona/index.jsp abrufbar.

Muster-Handlungsleitfaden der DGUV

Die Unfallversicherungsträger haben Konzepte und Leitfäden entwickelt, wie Überwachung und Beratung in Zeiten der Corona-Pandemie gelingen kann. Übergreifend ist bei der DGUV ein Muster-Handlungsleitfaden "Überwachung und Beratung während der Corona-Pandemie" entstanden. Darin sind die Konzepte mehrerer Unfallversicherungsträger eingeflossen. 


Der Muster-Handlungsleitfaden enthält auch Beispiele für Umsetzungen von branchenbezogenen Handlungsleitfäden für Überwachung und Beratung, für eine Gefährdungsbeurteilung der Tätigkeit der Aufsichtspersonen in Corona-Zeiten und Muster-Anordnungstexte mit Rechtsgrundlagen. Darüber hinaus sind weiterführende Informationen enthalten wie zum Beispiel Hinweise zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs oder zur Wirksamkeit bestimmter persönlicher Schutzausrüstungen, etwa Gesichtsschilde.

Betriebsbesichtigungen mit Umsicht und Augenmaß – die Arbeit der Aufsichtsperson in Zeiten der Pandemie

Der Bereich Aufsicht und Beratung in der Präventionsabteilung der BG ETEM führt seit Anfang Mai wieder regelmäßig, aber der Situation angepasst Betriebsbesichtigungen durch. Es geht darum, in den Betrieben Präsenz zu zeigen, für die Fragestellungen der Versicherten vor Ort ansprechbar zu sein sowie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Allgemeinen weiter voranzubringen.

Bei allen Betriebskontakten werden die Themen und die Schutzziele im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie thematisiert und gegebenenfalls Unterstützung angeboten.

Dabei erleben die Aufsichtspersonen das ganze Spektrum dessen, was Betriebe und Unternehmen zurzeit bewegt. Überwiegend werden sie als Teil der vorsichtig wiederhergestellten Normalität im betrieblichen Alltag wahrgenommen.

Die Anlässe für Betriebsbesichtigungen können sehr unterschiedlich sein, dazu gehören beispielsweise:

  • Durchführung von Ermittlungen bei Berufserkrankungen und „Präventionsberatung Haut“ vor Ort
  • Durchführung von Unfalluntersuchungen vor Ort (insbesondere die Untersuchung schwerer oder tödlicher Unfälle)
  • Nachbesichtigungen
  • Baustellenbesichtigungen
  • Beratung vor Ort aufgrund konkreter Anfragen

Aber eben auch:

  • Beratung vor Ort aufgrund von Anfragen der Unternehmen, Versicherten und/oder Betriebsräten zur Umsetzung der betrieblichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie aus dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des BMAS
  • Besichtigung bei Gefahr im Verzug und konkreten Hinweisen auf Arbeitsschutzmängel, gegebenenfalls auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie

Für die Vorbereitung des Besuchs erfolgt die Kontaktaufnahme mit dem Betrieb in der Regel telefonisch, um die Möglichkeit der Durchführung eines Besuchs abzuklären. In begründeten und nachvollziehbaren Fällen wird von einem Besuch abgesehen. Ausnahmen von der vorherigen Kontaktaufnahme können Gefahr im Verzug und konkrete Hinweise auf Arbeitsschutzmängel auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sein.

Die Überwachung von Betrieben durch die Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger vor Ort ist in Verbindung mit deren fachkompetenter Beratungsleistung ein wichtiger Baustein für die Erhaltung von Sicherheit und Gesundheit der Menschen bei der Arbeit.

Grundlage des Infektionsschutzes vor Ort ist die vom Robert Koch-Institut (RKI) empfohlene Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen Personen  (www.rki.de). Wo immer es möglich ist, finden Besprechungen im Freien oder in gut belüfteten größeren Räumen statt. Können diese Rahmenbedingungen nicht eingehalten werden, kommen Mund-Nase-Bedeckungen oder höherwertige Infektionsprophylaxe (etwa Atemschutzmasken der Schutzklasse FFP2 oder ähnliche) zum Einsatz. Wenn die Situation es erfordert – zum Beispiel bei unklarem Gesundheitszustand von beteiligten Personen oder anderen sich plötzlich verändernden Gefährdungslagen –, muss die Besichtigung gegebenenfalls abgebrochen und eine Klärung herbeigeführt werden.

Ermittlungen bei Berufserkrankungen – Schutz für besonders gefährdete Personengruppen

Sowohl im Zusammenhang mit der Erstermittlung im Berufskrankheitenverfahren als auch bei der regulären Expositionsermittlung haben Aufsichtspersonen häufig Kontakt mit schwer erkrankten und durch die Einnahme spezieller Medikamente zusätzlich immungeschwächten Versicherten. Da gerade in dieser Konstellation eine besondere Gefährdung der Versicherten im Zusammenhang mit dem Coronavirus nicht auszuschließen ist, muss geprüft werden, ob die Ermittlung mit den Versicherten telefonisch durchgeführt werden kann. Ein persönlicher Kontakt ist in diesen Fällen die Ausnahme und wird mit den Versicherten abgestimmt. In Zweifelsfällen können sich die Versicherten die Unbedenklichkeit eines persönlichen Kontakts durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt schriftlich bestätigen lassen. Die entsprechenden Schutzmaßnahmen werden gemäß der Gefährdungsbeurteilung gewählt.

Infektionsschutz – nicht nur für die Aufsichtspersonen

Auch die Aufsichtspersonen selbst unterliegen den Regelungen des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards. Durch ihre Tätigkeit kommen sie mit vielen Menschen in Kontakt, daher kommt der Infektionsprophylaxe eine besondere Bedeutung zu – das gilt im Sinne des Eindämmens der Virusverbreitung, aber auch im Sinne des Eigenschutzes. Die Unfallversicherungsträger haben speziell für den Außendienst ergänzende Gefährdungsbeurteilungen zu den Aspekten des Infektionsschutzes durchgeführt und begegnen dieser Herausforderung mit abgestimmten Maßnahmen.

Für die Besichtigungstätigkeit wird dem Außendienst eine Ausrüstung zur Infektionsprophylaxe zur Verfügung gestellt. Dazu gehören Mund-Nase-Bedeckungen, höherwertige Infektionsprophylaxe (wie Atemschutzmasken der Schutzklasse FFP2 oder ähnliche), Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel für Hände und Flächen, Papiertücher und Abfallbeutel sowie Handpflegecreme, um die zusätzliche Hautbelastung durch das häufige Händewaschen auszugleichen. Der Umgang damit sowie Hinweise zur Vorgehensweise während der Betriebsbesichtigung sind in einer Handlungsanleitung und in der ergänzenden Gefährdungsbeurteilung für den Präventionsaußendienst im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie beschrieben.

Zusammenarbeit der Behörden

Es ist damit zu rechnen, dass im Kontakt mit Betrieben und Bildungseinrichtungen auch Fragen auftreten, die andere Sozialleistungsträger oder weitere Institutionen betreffen. Das können zum Beispiel Fragen zu Quarantänebestimmungen oder Krankschreibungen sein. In diesen Fällen übernehmen die Aufsichtspersonen eine Lotsenfunktion und geben entsprechende Hinweise.

Die Unfallversicherungsträger haben Konzepte und Leitfäden entwickelt, wie Überwachung und Beratung in Zeiten der Corona-Pandemie gelingen kann.

Da die Unterstützungsleistungen der einzelnen Sozialleistungsträger und weiterer Institutionen für die Betriebe in dieser Zeit variieren können, ist zu empfehlen, jeweils direkt an den jeweiligen Sozialleistungsträger beziehungsweise die entsprechende Institution heranzutreten. So können diese vor dem Hintergrund der aktuellen Situation eine Auskunft erteilen. Dazu zählen die Koordinierungsstelle zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF-Koordinierungsstelle) der gesetzlichen Krankenkassen und der Firmenservice der gesetzlichen Rentenversicherung ebenso wie die örtlichen Gesundheitsämter, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und das Robert Koch-Institut. Insbesondere die örtlichen Gesundheitsämter haben gemäß dem Infektionsschutzgesetz weitreichende Befugnisse und können konkrete Maßnahmen bis hin zur Schließung von Betriebsstätten veranlassen.

Sicherheit durch Beratung und Überwachung – auch während der Pandemie

Die Überwachung von Betrieben durch die Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger vor Ort ist in Verbindung mit deren fachkompetenter Beratungsleistung ein wichtiger Baustein für die Erhaltung von Sicherheit und Gesundheit der Menschen bei der Arbeit. Das gilt nicht nur für die klassischen Aufgabenfelder wie Maschinensicherheit, Ergonomie, Hand- und Hautschutz oder den Schutz vor Lärm. Während der Corona-Pandemie gilt es auch bezüglich der Infektionsschutzmaßnahmen. Es kommt darauf an, den Betrieben Hilfestellung bei der branchen- und betriebsbezogenen Umsetzung der Vorgaben des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards zu geben. Dabei kommt dem Infektionsschutz und dem Eindämmen der weiteren Verbreitung des Virus eine besondere Bedeutung zu.