Corona-Pandemie – eine Herausforderung für die deutsche Ratspräsidentschaft
Die Europäische Union sieht sich aufgrund der Corona-Pandemie der größten Bewährungsprobe ihrer Geschichte ausgesetzt. Jetzt müssen die Weichen dafür gestellt werden, die Schäden durch die Krise langfristig zu beheben und Perspektiven für die nächste Generation zu eröffnen. Deutschland wird vor allem wegen seiner Ratspräsidentschaft in den kommenden sechs Monaten eine besondere Rolle einnehmen.
„Gemeinsam Europa wieder stark machen“
Vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 übernimmt Deutschland unter dem Motto „Gemeinsam Europa wieder stark machen“ von Kroatien den turnusmäßigen Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Dort sind die EU-Länder mit ihren jeweiligen Fachministerinnen und Fachministern vertreten (Ministerrat). Alle sechs Monate übernimmt ein anderer EU-Mitgliedstaat die Ratspräsidentschaft, Deutschland hatte zuletzt 2007 den Vorsitz.
Die Erwartungen an Deutschland in einem durch die COVID-19-Pandemie gezeichneten Europa sind groß. Neben der unmittelbaren Bewältigung der Pandemie sollen auch wichtige Zukunftsthemen vorangebracht werden. Die deutsche Ratspräsidentschaft kann hier einen großen Beitrag leisten, indem sie bei schwierigen Themen Kompromisse schmiedet oder Impulse liefert, auch über die deutsche Ratspräsidentschaft hinaus. Europa langfristig aus der Krise zu führen, das können nur die EU-Mitglieder zusammen erreichen.
Um diese Aufgabe gemeinsam und zukunftsgerecht zu meistern, hat die Bundesregierung in den vergangenen Wochen ihr Programm inhaltlich angepasst. Der Kampf gegen das Coronavirus und die Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie stehen nun im Fokus. Deutschland will seine ganze Kraft dafür einsetzen, dass Europa gestärkt aus der Krise hervorgeht.
Pläne für eine wirtschaftliche und soziale Erholung der Europäischen Union nach der Corona-Krise werden eine große Rolle spielen. Die notwendigen Entscheidungen über den EU-Haushalt (Mehrjähriger Finanzrahmen), der bedingt durch die Krise zusätzlich mit einem über 750 Milliarden Euro dotierten Aufbauinstrument „Next Generation EU“ zur Konjunkturbelebung ausgestattet werden soll, soll möglichst unter dem deutschen Vorsitz abgeschlossen werden. Außerdem werden Themen eine Rolle spielen, die für die Zukunft Europas von großer Bedeutung sind. Dazu gehören vor allem der Klimaschutz, die Digitalisierung, Rechtsstaatlichkeit, Europas Rolle in der Welt und die Verhandlungen zur Ausgestaltung des künftigen Verhältnisses der EU zum Vereinigten Königreich.
Während der COVID-19-Pandemie sind auch soziale Fragen und der Arbeitsschutz noch bedeutender geworden und haben damit die politischen Schwerpunkte beeinflusst. Die Pandemie hat deutliche Spuren hinterlassen, zum Teil zusätzliche Schwierigkeiten erzeugt, aber auch bereits bestehende Probleme deutlicher gemacht oder offengelegt. Daran orientieren sich die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) für die Ratspräsidentschaft definierten Schwerpunkte. Gesellschaftlicher Zusammenhalt, soziale Sicherheit und Solidarität sind hier zentrale Grundpfeiler, die mit Leben gefüllt werden müssen, um zu einem gerechteren Europa zu führen.
Soziales Europa – starker Zusammenhalt
Das Coronavirus ist in allen Mitgliedstaaten dasselbe. Dennoch hat es nicht alle gleich getroffen. Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen sowie das Potenzial einer Erholung sind unterschiedlich. Auch deshalb möchte Deutschland die soziale und wirtschaftliche Aufwärtskonvergenz in Europa voranbringen. Zur Einkommensstabilisierung in Wirtschaftskrisen könnte ein europäischer Rahmen für nationale Mindestlöhne beitragen. Dafür setzt sich das BMAS ein und hofft auf eine baldige Vorlage des von der Europäischen Kommission angekündigten Gesetzesvorschlags. Auch Mindestsicherungsregelungen könnten hier eine Rolle spielen, vor allem um Bedürftigen die Teilhabe an der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Erste Ideen für einen europäischen Rahmen nationaler Grundsicherungssysteme möchte Deutschland mit den Sozial- und Gesundheitsministerinnen sowie -ministern der Europäischen Union in den kommenden Monaten im Rat diskutieren.
Besonders sichtbar wurden während der COVID-19-Pandemie die strukturellen Probleme von Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeitern sowie Grenzgängerinnen und Grenzgängern. Viele sind für die Bereitstellung von kritischen Gütern und Dienstleistungen in essenziellen Wirtschaftszweigen zuständig, unter anderem in der Landwirtschaft und Nahrungsmittelerzeugung sowie dem Sozial- und Gesundheitswesen. Diese Personen waren besonders von den Grenzschließungen betroffen. Sie werden häufig im Rahmen kurzfristiger Arbeitsverträge mit einer unzureichenden oder teilweise gar keiner sozialen Absicherung beschäftigt. Aber auch die Arbeitsbedingungen wurden in der Corona-Pandemie deutlich, als in deutschen Schlachtbetrieben zahlreiche Infektionen auftraten. Dass hier etwas getan werden muss, um die Durchsetzung der Arbeits- und Sozialvorschriften für diese Gruppe von Erwerbstätigen zu verbessern, ist unumstritten. Vor allem möchten aber auch die Bürgerinnen und Bürger Europas wissen, wie die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sowie für Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter insgesamt in der EU verbessert werden können.
Das Europäische Parlament hat bereits in einer Resolution an die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten appelliert, bestehende EU-Rechtsvorschriften ordnungsgemäß umzusetzen. Die Europäische Kommission hat angekündigt, dass sie die Rechte von Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeitern stärken möchte und wird hierzu in einem ersten Schritt eine „Guidance Note“ veröffentlichen. Aus Sicht der Europäischen Kommission ist nicht die rechtliche Situation das Problem, sondern vielmehr die unzureichende Umsetzung der bestehenden Regelungen sowie fehlende Kontrollen der Einhaltung der Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften am Arbeitsplatz. Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeier sowie Grenzgängerinnen und Grenzgänger müssten genauso behandelt werden wie inländische Beschäftigte. Freilich lässt diese Forderung offen, ob dies auch für die Zahlung von Steuern und Sozialabgaben gilt. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat auch dieses Thema auf ihre Agenda gesetzt und plant als Antwort auf die von der EU-Kommission geplante „Guidance Note“ einen gemeinsamen politischen Standpunkt (Schlussfolgerungen) aller Sozial- und Arbeitsministerinnen sowie -minister der Europäischen Union zu verabschieden.
Gute Arbeit durch nachhaltige Lieferketten
Die COVID-19-Pandemie hat noch einmal die Verletzlichkeiten globaler Lieferketten und der Menschen, die darin arbeiten, offengelegt. Durch die Pandemie sind viele Schwellen- und Entwicklungsländer in eine dramatische Hunger- und Wirtschaftskrise geraten. Nicht nur die Gesundheitssysteme kommen dort sehr schnell an ihre Grenzen. Während in Europa die Mitgliedstaaten ihre Unternehmen und Beschäftigten mit bislang nie dagewesenen finanziellen Hilfspaketen unterstützt haben, konnten sich dies nicht alle Länder leisten. Fehlende staatliche Sicherheitsnetze und ein unzureichender Arbeitsschutz am Anfang der Lieferkette verstärken die Krise in diesen Ländern.
Deutschland hat sich schon lange zum Ziel gesetzt, den Menschenrechtsschutz in globalen Lieferketten weiter zu verbessern. Bereits 2013 hat der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch das Bewusstsein dafür geschärft, dass wir in einer globalen Wirtschaft Verantwortung dafür tragen, dass Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards weltweit umgesetzt werden müssen. Mit einem Schlag waren die unwürdigen, lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen der Näherinnen in Bangladesch ein internationales Thema.
Deutschland möchte nun die Ratspräsidentschaft nutzen, um einheitliche menschenrechtliche, soziale sowie ökologische Bedingungen für ein nachhaltiges Management globaler Lieferketten anzustoßen. Ein europäischer Aktionsplan zur Stärkung der Unternehmensverantwortung in globalen Lieferketten könnte hier ein erster Schritt sein. Ein Thema, für das sich auch die DGUV seit vielen Jahren einsetzt. Denn es geht hier vor allem um die Implementierung guter Arbeitsbedingungen am Anfang der Lieferkette. Davon profitieren nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Unternehmen. Sie leisten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit, übernehmen Verantwortung durch die Umsetzung ihrer Sorgfaltspflicht und können sich gleichzeitig auf stabilere Lieferketten verlassen, auch in Krisenzeiten.
Die Europäische Kommission hat das Thema bereits aufgegriffen. Eine im Februar veröffentlichte Studie zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen entlang der Lieferkette hatte dargelegt, dass freiwillige Regelungen nicht ausreichen, um die Wahrung von Menschenrechten und Umweltstandards in internationalen Lieferketten sicherzustellen. Die Brüsseler Behörde hatte daraufhin im April angekündigt, die Unternehmen durch sektorübergreifende Regeln zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu verpflichten. Aber auch klare Regeln zur Durchsetzung der Vorschriften sowie Sanktionen seien notwendig, um zu gewährleisten, dass mögliche Standards auch eingehalten werden. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag könnte im kommenden Jahr vorgelegt werden, zuvor möchte die Brüsseler Behörde jedoch die Interessenvertreter im Rahmen einer Konsultation zu ihrem Vorhaben befragen. Die deutsche Ratspräsidentschaft möchte schon jetzt die Diskussion auf europäischer Ebene voranbringen und plant in einem ersten Schritt, sich mit den Arbeits- und Sozialministerinnen sowie -ministern auf gemeinsame Schlussfolgerungen zu verständigen.
Neue Arbeitswelt und faire Tätigkeitsbedingungen
Auch die Gestaltung der Zukunft der Arbeit durch Umschulung und Weiterbildung, der Einsatz von künstlicher Intelligenz am Arbeitsplatz sowie die schon seit einiger Zeit auf europäischer Ebene geführte Diskussion über faire Tätigkeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten stehen auf der Agenda der deutschen Ratspräsidentschaft. Deutschland möchte seinen Vorsitz im Rat in den kommenden Monaten nutzen, um den Diskurs auf europapolitischer Ebene fortzusetzen und den Weg für weitere Diskussionen der nachfolgenden Präsidentschaften (Portugal und Slowenien) zu ebnen.
Soziale Sicherheit ist ein hohes Gut und sollte allen Erwerbstätigen zugutekommen. In Krisenzeiten gilt dies ganz besonders. Wie schon in der Finanzkrise haben sich die solidarischen Sozialsysteme als stabil erwiesen. Sie haben dabei vielfach staatliche Aufgaben geschultert und öffentliche Stellen vor Überforderung geschützt. Zahlreiche Maßnahmen geben den Versicherten auch in der Krise Sicherheit. Über die Bereitstellung von Gesundheitsleistungen, Krankengeld, Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder zur Vermeidung selbiger über Kurzarbeitergeld sind die Existenzgrundlagen der Menschen in Europa gesichert und neue Bedarfslagen bedient worden. Die Umsetzung einer Vielzahl von zusätzlichen Maßnahmen, wie die Vereinfachung der Verfahren für den Zugang zu und die Gewährung zusätzlicher Leistungen für die am stärksten betroffenen Personen, haben den Versicherten viele Sorgen genommen. Auch die Situation von entsandten Beschäftigten sowie solchen, die grenzüberschreitend tätig sind, werden bedacht. Diese Personen waren besonders von den Grenzschließungen betroffen. Unabhängig davon soll den Menschen und Unternehmen in der Krise möglichst schnell geholfen werden, um zum Beispiel wirtschaftliche Folgen abzufedern. In dem Zuge gibt es auch Erleichterungen bei Zahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen.
Selbstständige unter dem Druck der Pandemie
Aber nicht alle Erwerbstätigen konnten von diesen Maßnahmen profitieren. Vor allem diejenigen mit instabilen oder kurzen Beitragszeiten sowie viele Selbstständige und andere atypisch Beschäftigte sind oft nicht oder schlecht geschützt. Sie profitieren deswegen nicht immer von den Leistungen der Sozialversicherungseinrichtungen, auch nicht während der Corona-Pandemie. Gerade Branchen, in denen überdurchschnittlich viele Selbstständige arbeiten, waren von Schließungen betroffen, zum Beispiel die Gastronomie, Kunst und Kultur, körpernahe Dienstleistungen oder Kosmetik- und Friseurbetriebe. Nach einer in den Niederlanden durchgeführten Umfrage verzeichneten beispielsweise 48 Prozent der Selbstständigen einen Rückgang der Arbeitszeit, jedoch nur 27 Prozent der Angestellten. Ohne angemessene Unterstützung werden viele Selbstständige Schwierigkeiten haben, regelmäßige Ausgaben wie Wohnungs- und Geschäftslokalmieten zu tragen. Diese Kosten lassen sich kurzfristig nur schwer senken, ein Umzug während der Zeit der Ausgangsbeschränkungen war kaum möglich. Selbstständige sind darauf angewiesen, ihre Ersparnisse – die in vielen Fällen auch ihre Altersvorsorge darstellen – aufzubrauchen. Dies könnte die Situation der fehlenden sozialen Absicherung Selbstständiger langfristig verschärfen.
Für diese Gruppe von Erwerbstätigen gibt es in vielen Ländern dann nur die Möglichkeit, Grundsicherungsleistungen mit Bedürftigkeitsprüfung zu beantragen. Die Voraussetzungen für diese Leistungen werden jedoch vielfach nicht erreicht, insbesondere nicht von Selbstständigen mit durchschnittlichem Einkommen oder mit Vermögenswerten wie Firmenkapital oder Betriebsmitteln. Diese können sie nicht einsetzen, um ihre laufenden Ausgaben zu decken, sie werden jedoch in der Bedürftigkeitsprüfung in Ansatz gebracht. In manchen Ländern wurden daher aufgrund der Corona-Pandemie die Anspruchsvoraussetzungen in der aktuellen Situation für einen bestimmten Zeitraum gelockert.
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass die Bearbeitung von Leistungsanträgen Zeit in Anspruch nimmt. Viele Bereiche der öffentlichen Verwaltung sind in den Mitgliedstaaten noch nicht vollständig digitalisiert, hierdurch entstehen weitere Verzögerungen. Selbstständige benötigen jedoch unverzüglich Leistungen, um ihre laufenden Kosten zu decken. Ihre Existenzgrundlage ist in Gefahr und ihre Ersparnisse schrumpfen – ein Abwarten während der staatlich vorgeschriebenen Betriebsschließungen ist nicht nur eine zusätzliche psychische Belastung. Einige Länder haben spezifische und kurzfristige finanzielle Hilfen für Selbstständige eingeführt, teilweise jedoch mit erheblicher Rechtsunsicherheit für die Antragstellenden: In Deutschland wird wohl eine Vielzahl von Selbstständigen die zu Unrecht erhaltene Soforthilfe zurückzahlen müssen.
In vielen Mitgliedstaaten haben Selbstständige damit oft nur begrenzten Zugang zu Einkommensersatzleistungen der klassischen Systeme. Mehrere Länder haben deswegen finanzielle Hilfen für Selbstständige bereitgestellt, um diese während der Corona-Pandemie zu unterstützen. Oft hängen diese Übertragungen entweder von früheren Einkünften oder von Verlusten aufgrund der Krise ab. Die Höhe reicht aber selten an das heran, was beschäftigungslos gewordene oder unterbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten.
Während der Corona-Pandemie sind damit im Bereich der sozialen Absicherung von Selbstständigen noch einmal bestehende Lücken deutlich geworden. Dies trifft auch Erwerbstätige, die auf Online-Plattformen tätig sind, möglicherweise sogar „informell“. In vielen Fällen muss hier ein angemessener Sozialschutz noch geschaffen oder durchgesetzt werden.
Auf europäischer Ebene ist dies schon seit einiger Zeit ein Thema. Deutschland möchte deswegen seinen Vorsitz im Rat in den kommenden Monaten nutzen, den Diskurs dazu auf europapolitischer Ebene fortzusetzen und den Weg für seine Triopartner (Portugal und Slowenien) für weitere Aktivitäten zu ebnen. (Unter Triopartnern versteht man die drei Staaten, die für die nächsten 18 Monate jeweils den Vorsitz des EU-Rats übernehmen werden. In enger Zusammenarbeit mit der Kommission und nach entsprechenden Konsultationen mit den übrigen Mitgliedsstaaten entwerfen sie ein Programm für die Tätigkeit des Rates in diesem Zeitraum.)
Ausblick
Die Überwindung der Corona-Krise verursacht Kosten, auch für die sozialen Sicherungssysteme – in welchem Ausmaß, wird man erst zu einem späteren Zeitpunkt feststellen können. Zur nachhaltigen Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme sind gerade jetzt Entscheidungen erforderlich, nicht zuletzt, um deren bestehende Mängel auszugleichen, die während der Krise augenscheinlich geworden sind, beispielsweise bei der Absicherung von Selbstständigen. Gewiss wird dies mit zusätzlichen Kosten für die betroffenen Branchen und letztlich auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher verbunden sein.
Diese Kosten sollten jedoch auch als „soziale Investition“ zur Stärkung des Zusammenhangs der Gesellschaft verstanden werden. Unterstützen könnte hier das von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Programm „Next Generation EU“ zur Konjunkturbelebung Europas. Eine Summe von 560 Milliarden Euro soll die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Investitionen und Reformen unterstützten, es sollten dabei auch Investitionen in die Beschäftigung und Arbeitsbedingungen für die nächste Generation bedacht werden. Ein Teil des Geldes sollte dem Sozialschutz zugutekommen, wobei Reformen auf nationaler Ebene eine nachhaltige Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme sicherstellen sollten, damit sie nicht dauerhaft auf europäische Hilfen angewiesen sind. Hier müssten auch die Plattformarbeiterinnen und Plattformarbeiter bedacht werden – auf der Leistungs- wie auf der Beitragsseite. Gerade hier muss wegen der oft grenzüberschreitenden Komponenten (Leistungserbringer, Leistungsempfänger und Plattformbetreiber sind oft in verschiedenen Ländern ansässig) eine Infrastruktur geschaffen werden, um die nötigen Verwaltungsaufgaben bei der Erfassung der Einkommen zu unterstützen. Es könnte auch darüber nachgedacht werden, aus den vorübergehend zusätzlich vorhandenen europäischen Mitteln einen gewissen Betrag zum Aufbau einer europäischen Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, damit Daten zwischen der Plattform und den Sozialversicherungsträgern ausgetauscht werden können. Dies wäre eine nachhaltige Investition, denn sie ermöglicht langfristig eine faire Beteiligung neuer Geschäftsmodelle sowie ihrer Akteurinnen und Akteure an den sozialen Folgekosten, ohne ihre Grundlage zu zerstören.
Literatur
Auswärtiges Amt: Gemeinsam. Europa wieder stark machen. Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 www.eu2020.de/blob/2360246/d08098eaeb179a722d91d99f529d5517/pdf-programm-de-data.pdf (abgerufen 30.03.2020)
Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Die Stunde Europas – Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen (SWD(2020)98final) vom 27.5.2020 https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/communication-europe-moment-repair-prepare-next-generation_de.pdf (abgerufen 30.06.2020)
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Juni 2020 zum europäischen Schutz von Grenzgängern und Saisonarbeitskräften im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise (2020/2664 [RSP]), https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0176_DE.pdf (abgerufen 30.06.2020)
Europäische Kommission: Study on due diligence requirements through the supply chain, https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/8ba0a8fd-4c83-11ea-b8b7-01aa75ed71a1/language-en (abgerufen 30.06.2020)
Umfrage der European Social Insurance Platform (ESIP) unter ihren Mitgliedern, https://esip.eu/images/pdf_docs/ESIP_survey_on_social_security__COVID19_overview.pdf (abgerufen 30.06.2020)
von Gaudecker, H. et al. (2020): „Labour Supply in the Early Stages of the COVID-19 Pandemic: Empirical Evidence on Hours, Home Office, and Expectations“, Discussion Paper Series, No. 13158, IZA Institute of Labor Economics, http://ftp.iza.org/dp13158.pdf (abgerufen 30.06.2020)
Policy Brief der OECD: Supporting livelihoods during the COVID-19 crisis: closing the gaps in safety nets vom 20. Mai 2020, https://read.oecd-ilibrary.org/view/?ref=132_132985-hrr3dbjimj&title=Supporting-livelihoods-during-the-COVID-19_crisis%20oe.cd/il/30z (abgerufen 30.06.2020)