PSA und Nachhaltigkeit: Ist das machbar?

Die nachhaltige Gestaltung und Fertigung Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) ist eine komplexe Aufgabe, die von der Materialauswahl über Logistik und Nutzung bis hin zu Reinigung und Reparatur viele Aspekte umfasst. Dabei muss immer die wichtigste Funktion im Auge behalten werden: der Schutz vor Risiken für die Gesundheit oder Sicherheit bei der Arbeit.

Der Begriff PSA ist eindeutig definiert: „Ausrüstung, die entworfen und hergestellt wird, um von einer Person als Schutz gegen ein oder mehrere Risiken für ihre Gesundheit oder ihre Sicherheit getragen oder gehalten zu werden.“[1] Die Definition von Nachhaltigkeit hingegen ist nicht so eindeutig. Werden verschiedene Personen zum Thema Nachhaltigkeit befragt, erhält man unterschiedliche Antworten: Einige legen den Schwerpunkt auf Recycling, andere auf Wiederverwendung, wieder andere erwähnen die Kreislaufwirtschaft oder die soziale Verantwortung oder noch ganz andere Aspekte. Alle diese Antworten sind richtig, wenngleich sie nur Teilaspekte der Nachhaltigkeit abdecken. Bevor die Fragestellung aus der Überschrift beantwortet werden kann, müssen verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit untersucht und mit PSA in Verbindung gebracht werden.

Zunächst einmal ist da das Produkt selbst. Ein wesentlicher Aspekt ist das Recycling von Produkten. Das Recycling ist jedoch bereits eine Form der Abfallwirtschaft, und Abfall sollte man so weit wie möglich vermeiden. Daher ist es besser, die Haltbarkeit von PSA zu prüfen, bevor die Produkte wiederverwendet werden und dann den Schritten der Abfallwirtschaft folgen. Das Prinzip der Haltbarkeit ist einfach: Je länger ein Produkt verwendet werden kann, desto weniger Abfall entsteht. Was also macht die Haltbarkeit von PSA aus? Die Gestaltung eines Produkts ist von entscheidender Bedeutung. Das betrifft zum Beispiel die Wahl der Materialien, die Produktionstechniken, die Möglichkeit der Reparatur oder des Austauschs von Teilen und die Möglichkeit der Reinigung/Dekontaminierung.

PSA muss Schutz bieten

Natürlich muss bei PSA immer deren wichtigste Funktion im Auge behalten werden: der Schutz des Trägers und der Trägerin vor Risiken für seine und ihre Gesundheit oder Sicherheit. Diese Funktion muss auch nach einer Reparatur oder Reinigung erhalten bleiben, was Einschränkungen bei der Auswahl mit sich bringt. Andererseits spielt auch der Käufer beziehungsweise die Käuferin des Produkts eine Rolle. Allzu oft wird PSA nach dem Motto gekauft: „Wir haben uns an dieses Produkt gewöhnt, warum sollten wir etwas anderes kaufen?“ oder – noch schlimmer: Allein ausschlaggebendes Kriterium für den Kauf sind die Anschaffungskosten. Das ist bei öffentlichen Ausschreibungen zweifellos der Fall. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sollten jedoch auch alternative Möglichkeiten für die von ihnen verwendete PSA prüfen. Werden haltbarere Produkte mit derselben Funktionalität in Betracht gezogen, wenn sie verfügbar sind? Auch wenn das bedeutet, dass die Handhabung der PSA angepasst werden muss, um zum Beispiel eine Reinigung oder Reparatur zu ermöglichen? Dabei müssen die Gesamtbetriebskosten im Zusammenhang mit PSA berücksichtigt werden, was eine komplexere Überlegung darstellt als die bloße Berücksichtigung der Anschaffungskosten.

Ein weiterer Aspekt, der berücksichtigt werden muss, ist all das, was nötig ist, um das Produkt an die Nutzerinnen und Nutzer zu bringen. Das sind zum einen die gesetzlich vorgeschriebenen Anweisungen für den Benutzer und die Benutzerin. Zweifellos handelt es sich hierbei um ein sehr wichtiges Element für die Sicherheit. Der Gesetzgeber verlangt jedoch nach wie vor, dass diese Anweisungen jeder PSA in gedruckter Form beigefügt werden. Die European Safety Federation (ESF)[2] als repräsentative Organisation der PSA-Lieferanten in Europa regt bereits seit mehreren Jahren an, die Anweisungen in rein elektronischer Form zuzulassen. Dies wäre ein enormer Fortschritt für den gesamten ökologischen Fußabdruck von PSA: Da sind zum Beispiel das zusätzliche Gewicht, das die Anweisungen für den Transport darstellen, oder die Menge an Papiermüll, die durch die Anweisungen entsteht, zu berücksichtigen. Das elektronische Format hat weitere Vorteile: Es ist einfach, Videoanleitungen einzubinden, die klarere Anweisungen als die Schriftform bieten, und der Wechsel zwischen den Sprachen ist ebenfalls problemlos möglich.

Zweitens muss auch die Verpackung berücksichtigt werden. Dabei geht es nicht nur um das Verpackungsmaterial, sondern bei einigen PSA auch darum, ob jedes einzelne PSA-Element separat verpackt werden muss. Wäre es nicht möglich, mehrere PSA-Elemente miteinander zu kombinieren? Diese letzte Überlegung muss je nach Bedarf gemeinsam von Anbietenden und Kunden beziehungsweise Kundinnen angestellt werden. Dies könnte ein gewisses Maß an Flexibilität auf beiden Seiten erfordern, sollte aber in Betracht gezogen werden, wenn es zur Nachhaltigkeit beiträgt.

Der Produktionsstandort spielt eine Rolle

Natürlich ist auch die Logistik in Bezug auf PSA ein Faktor für die Nachhaltigkeit. Ist von Logistik die Rede, geht es automatisch auch um den Produktionsstandort. Im Hinblick auf den ökologischen Fußabdruck von Produkten ist es sinnvoll, das Produkt so nah wie möglich am Ort der Verwendung herzustellen. Das klingt einfach, ist es aber nicht, denn es muss ja nicht nur das Endprodukt berücksichtigt werden, sondern auch die Beschaffung der Rohstoffe, die Verfügbarkeit von Energie und so weiter. Aber auch die Logistik im Zusammenhang mit der Reparatur oder Reinigung und dem Ende der Lebensdauer (Abfall) muss in die Gesamtüberlegungen miteinbezogen werden. Der Blick auf den Produktionsstandort kann sich ebenfalls auf die sozialen Aspekte der Produktion auswirken. Die Hersteller spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass in den Produktionsstätten von Zulieferern oder Subunternehmern angemessene Arbeitsbedingungen herrschen. Es sind Hersteller bekannt, die die Zusammenarbeit mit bestimmten Zulieferern aufgrund der anhaltend schlechten Arbeitsbedingungen bereits eingestellt haben und dieses konsequente Verhalten sollte gefördert werden. Leider kann sich diese Art von Maßnahmen auf die Kosten der Produkte auswirken, womit wir wieder bei der Rolle des Käufers beziehungsweise der Käuferin wären.

Was passiert in der Praxis?

Selbstverständlich ist es gut, verschiedene Aspekte zu betrachten, aber was geschieht tatsächlich in der Praxis? Es gibt derzeit auf europäischer und nationaler Ebene mehrere Gesetzesinitiativen. Das sind zum Beispiel Initiativen zur Abfallwirtschaft, zur Kreislaufwirtschaft oder zum „Green Deal“. Es ist zu hoffen, dass die Verantwortlichen ernsthaft an der Koordinierung und Harmonisierung aller Initiativen arbeiten und nicht nur darauf achten, jeweils ein gutes Ergebnis für ihren Teil des großen Ganzen zu erzielen.

Auch in der Normungsgemeinschaft steht das Thema Nachhaltigkeit für PSA auf der Tagesordnung. Das CEN-CENELEC-Sektorforum PSA[3], eine Beratungsgruppe innerhalb der europäischen Normungsorganisationen, die alle PSA-Akteure zusammenbringt, hat im März 2021 einen Online-Workshop zu diesem Thema organisiert[4]. Mit mehr als 250 Teilnehmenden, die alle Aspekte der PSA-Wertschöpfungskette repräsentierten, wurden interessante Diskussionen geführt. Eines der Ergebnisse dieses Workshops ist die Einrichtung einer Arbeitsgruppe „Nachhaltigkeit“ durch das Sektorforum PSA, die Leitlinien für die Aufnahme von Nachhaltigkeitsaspekten in PSA-Normen erarbeiten soll.

Aber auch einzelne Unternehmen arbeiten an den verschiedenen Aspekten. Sie prüfen das Ökodesign ihrer Produkte, entwickeln neue Materialien, überdenken die Lieferketten und vieles mehr. Entsprechende Fachverbände wie die ESF unterstützen ihre Mitglieder mit Informationen und bei der Vernetzung mit Gesetzgebern, Benutzerorganisationen, Normungsorganisationen, Forschungsinstituten und allen anderen Beteiligten.

Das Thema Nachhaltigkeit geht aber letztlich alle Beteiligten an. Die gesamte Kette muss zusammenarbeiten. Dazu gehören zum Beispiel die Logistik- und sonstigen Dienstleistungsanbieter, aber mit Sicherheit auch die Käuferinnen und Käufer von PSA (einschließlich derjenigen, die mit öffentlichen Ausschreibungen arbeiten). Auch die Trägerinnen und Träger der PSA haben eine Aufgabe, sie müssen zum Beispiel dafür sorgen, dass die PSA richtig verwendet und ordnungsgemäß entsorgt wird.

COVID-Krise verstärkt Trend zur Nachhaltigkeit

Die COVID-Krise hat zweifellos einen Einfluss auf das Bewusstsein für die Notwendigkeit, an der Nachhaltigkeit zu arbeiten. Alle haben Bilder im Kopf von Einwegmasken und -handschuhen, die einfach irgendwohin geworfen werden. Aber wird meist nicht erwartet, dass die anderen etwas unternehmen? Sollte nicht jeder und jede Einzelne darüber nachdenken, welchen Beitrag er oder sie selbst leisten kann?

Die Schaffung nachhaltiger Produkte ist eine komplexe Angelegenheit. Es ist keine Frage des Recyclings ODER der sozialen Verantwortung ODER des Ökodesigns. Vielmehr ist es eine übergreifende Frage des Recyclings UND der sozialen Verantwortung UND des Ökodesigns sowie vieler weiterer Aspekte. Und nicht zuletzt geht es um den Einklang mit der Funktion der PSA: dem Schutz der Trägerinnen und Träger.

Gibt es eine Antwort auf die Fragestellung aus der Überschrift? Zwei Antworten scheinen möglich: Es ist nicht machbar, wenn die Beteiligten der Herstellungs- und Nutzungskette nur für sich selbst arbeiten, wie dies noch allzu oft geschieht. Es ist aber machbar, wenn alle es schaffen, innerhalb der gesamten Kette zusammenzuarbeiten, zumindest auf europäischer Ebene und idealerweise sogar weltweit.