Organisationale Resilienz und Vielfalt

Resiliente Organisationen bewältigen Krisen, ohne daran zu zerbrechen. Doch die entscheidende Rolle kommt hierbei den Beschäftigten und Teams zu, die eine große Vielfalt an unterschiedlichen Verständnissen und Verhaltensweisen aufweisen. Der adäquate Umgang mit dieser Vielfalt ist der eigentliche Kern organisationaler Resilienz.

Resilienz als schnelle Erholung von stressigen Situationen

Resilienz wird oft als „psychische Widerstandskraft“ umschrieben. Der Begriff der Widerstandskraft soll allerdings nicht suggerieren, dass resiliente Personen problematischen Situationen widerstehen können, indem sie diese von sich fernhalten oder diese keine Wirkung auf sie entfalten. Resiliente Personen erleben stressige Situationen ebenfalls als beanspruchend, allerdings erholen sie sich schneller von diesen Situationen aufgrund des Einsatzes von Bewältigungsstrategien. Der Begriff der Resilienz beschreibt somit eine schnelle Erholung[1], die insbesondere bei kurz aufeinander folgenden Problemen die psychische Gesundheit schützt. Resilienz ist somit nicht als „Unerschütterlichkeit“ zu verstehen, sondern bezieht sich vielmehr auf den Prozess der erfolgreichen Bewältigung problematischer Situationen.

In diesem Sinne differenzieren Soucek, Pauls, Ziegler und Schlett[2] zwischen personalen Eigenschaften der Resilienz und resilientem Verhalten. Die resilienten Eigenschaften umfassen dabei situationsübergreifende Eigenschaften, wie etwa eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung oder einen ausgeprägten Optimismus. Diese Eigenschaften fördern wiederum die konkrete Bewältigung von herausfordernden Situationen mithilfe resilienten Verhaltens, das unterschiedliche Bewältigungsstrategien umfasst und sich in vier Facetten untergliedern lässt: emotionale Bewältigung, positive Umdeutung, umfassende Planung und fokussierte Umsetzung.[3] Diese vier Facetten beschreiben unterschiedliche Prozessschritte resilienten Verhaltens, die in ihrer Gesamtheit zu einer erfolgreichen Bewältigung beitragen.

Resilienz von Organisationen

Die Auslegung von Resilienz als ausgeprägte Erholungsfähigkeit kann man gleichermaßen auf Organisationen anwenden. Resiliente Organisationen erholen sich demnach schneller von Krisen und können dadurch ihre Funktionsfähigkeit sicherstellen. Allerdings agiert eine Organisation nicht eigenständig, die eigentliche Bewältigung problematischer Situationen erfolgt vielmehr durch das resiliente Verhalten von Beschäftigten und deren Interaktion in Teams. Vor diesem Hintergrund stellen Soucek, Ziegler, Schlett und Pauls[4] organisationale Resilienz aus einer organisationspsychologischen Perspektive vor. Diese Perspektive betrachtet Organisationen als das Umfeld, in dem Beschäftigte wie auch Teams agieren.

Aus der Sicht von Beschäftigten umfasst organisationale Resilienz unterschiedliche organisationale Ressourcen, wie etwa einen hohen Handlungsspielraum, Unterstützung durch Vorgesetzte oder eine angemessene Arbeitsmenge und Arbeitsintensität.[5] Diese organisationalen Ressourcen sowie die personalen Ressourcen der Beschäftigten ergänzen sich dabei, resilientes Verhalten zu fördern. Beispielsweise kann die Entfaltung der personalen Ressource Selbstwirksamkeit, die eine wichtige Voraussetzung resilienten Verhaltens darstellt, durch organisationale Ressourcen, wie beispielsweise einen ausreichenden Handlungsspielraum, unterstützt werden. Ist die Person davon überzeugt, Dinge zu meistern, und hat sie darüber hinaus den notwendigen Handlungsspielraum seitens der Organisation, kann sich die Selbstwirksamkeit der Person besser entfalten und im verstärkten Maße zum resilienten Verhalten beitragen.

Aus der Sicht von Teams unterstützt organisationale Resilienz gleichermaßen das resiliente Verhalten von Teams. Beispielsweise zeichnet resiliente Teams aus, dass sie relevante Entwicklungen im Unternehmen erkennen und sich gegenseitig darüber auf dem Laufenden halten.[6] Diese Facette der Teamresilienz kann durch die organisationale Resilienz unterstützt werden, indem die Organisation eine fortlaufende Information der Teams über aktuelle Entwicklungen sicherstellt, beispielsweise durch regelmäßige Veranstaltungen oder Informationsplattformen.

Zusammengefasst betrifft die organisationale Resilienz nicht nur die Feststellung einer widerstandsfähigen Organisation, sondern umfasst die Ausgestaltung von günstigen Arbeitsbedingungen, die Beschäftigte und Teams bei der Bewältigung widriger Umstände unterstützen.

Organisationale Resilienz und Vielfalt

Eine Organisation besteht aus einer Vielfalt von Personen, was gleichermaßen Herausforderung wie auch Chance ist. Eine resiliente Organisation zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf der einen Seite eine Konvergenz dieser Vielfalt im Sinne eines gemeinsamen Verständnisses sicherstellt und auf der anderen Seite eine Divergenz hinsichtlich unterschiedlicher Kompetenzen und Verhaltensweisen zur Bewältigung widriger Situationen anerkennt und fördert.

Konvergenz des Verständnisses

Eine Facette der organisationalen Resilienz ist ein gemeinsames Verständnis darüber, wie die Organisation aufgebaut ist und funktioniert.[7] Eine resiliente Organisation vermittelt den Beschäftigten und Teams ein klares Verständnis der Strukturen und Prozesse innerhalb der Organisation, sodass diese ein gutes Bild davon erhalten, wie Arbeitsabläufe geregelt sind und welche Ressourcen und Kompetenzen in der Organisation vorhanden sind. Beispielsweise könnte der regelmäßige Austausch zwischen verschiedenen Abteilungen relevante Ansprechpersonen offenlegen, die bei spezifischen Problemen weiterhelfen könnten. Die Zielsetzung organisationaler Resilienz besteht darin, den Beschäftigten und Teams ein gemeinsames Verständnis der Organisation zu vermitteln, um sich nicht in unterschiedlichen Deutungen und Interpretationen zu verlieren.

Divergenz des Verhaltens

Die Bewältigung problematischer Situationen erfolgt durch das resiliente Verhalten von Beschäftigten und Teams. Auf individueller Ebene umfasst resilientes Verhalten verschiedene Aspekte, wie etwa den Umgang mit den eigenen emotionalen Reaktionen oder die fokussierte Umsetzung des eingeschlagenen Weges zur Problemlösung. Da alle diese Aspekte gleichermaßen wichtig für eine erfolgreiche Bewältigung sind, kommt es auf eine möglichst vielfältige Abdeckung dieser Facetten resilienten Verhaltens an. Auch wenn man einen Lösungsweg intensiv und ausdauernd verfolgt, so muss man vorher im Sinne einer umfassenden Planung die Vor- und Nachteile aller möglichen Lösungsansätze sorgfältig gegeneinander abgewogen haben.

Einfacher ausgedrückt: Gute Läuferinnen und Läufer müssen nicht nur schnell sein, sie müssen sich auch darüber Gedanken machen, in welche Richtung sie laufen sollen. Eine Organisation profitiert somit von der Vielfalt hinsichtlich der verschiedenen Facetten resilienten Verhaltens ihrer Beschäftigten und sollte günstige Rahmenbedingungen schaffen, die diese Vielfalt zulassen und fördern.

Förderung von organisationaler Resilienz

Eine Möglichkeit zur Förderung von organisationaler Resilienz besteht in der Einschätzung der Resilienz auf organisationaler Ebene. Im Rahmen der organisationalen Resilienz erfolgt eine Einschätzung organisationaler Ressourcen zur Unterstützung resilienten Verhaltens von Beschäftigten und Teams. Dadurch werden möglicherweise unterschiedliche Auslegungen und Interpretationen offengelegt, was schließlich zu einer Konvergenz des Verständnisses beitragen kann. Beispielsweise führt die Diskussion vorhandener Krisenpläne dergestalt zu einem gemeinsamen Verständnis, dass diese allen Beschäftigten bekannt sind und einheitlich ausgelegt werden. Ein Abgleich des gemeinsamen Verständnisses hilft dabei auch, die sogenannte „Silo-Mentalität“ aufzubrechen, und trägt zu einem offenen Austausch von Informationen und Ressourcen bei, was ein wichtiger Bestandteil der organisationalen Resilienz ist.[8]

Eine weitere Möglichkeit zur Förderung von Resilienz stellt die Einschätzung der Vielfalt resilienten Verhaltens dar. Resilientes Verhalten besteht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Strategien zur Bewältigung herausfordernder Situationen. So verfolgen die Beschäftigten ganz unterschiedliche Strategien zur fokussierten Umsetzung und ein gemeinsamer Austausch erweitert das Repertoire an Bewältigungsstrategien der Beschäftigten insgesamt. Beispielsweise bevorzugt ein Teil der Beschäftigten das Homeoffice für konzentriertes Arbeiten abseits des Bürolärms, andere Beschäftigte wiederum bilden Tandems, die sich gegenseitig über den Fortschritt der eigenen Arbeit auf dem Laufenden halten. Dieser Austausch kann im Rahmen eines gemeinsamen Workshops erfolgen, in dem das resiliente Verhalten mittels eines Fragebogens eingeschätzt und Unterschiede zwischen den Beschäftigten aufgedeckt werden. Die Einschätzung anhand eines standardisierten Fragebogens schafft dabei eine gemeinsame Sprache, sodass ein strukturierter Zugang ermöglicht wird und die Beschäftigten sich über ihre unterschiedlichen Bewältigungsstrategien austauschen können. Dieser Workshop wird bei Soucek, Pauls und Schlett[9] beschrieben.

Zusammengefasst verstehen wir unter organisationaler Resilienz die Gestaltung von Rahmenbedingungen, die den Umgang von Beschäftigten und Teams mit widrigen Situationen fördern. Obwohl die konkrete Bewältigung der widrigen Situationen insbesondere durch Beschäftigte und Teams erfolgt, bedeutet dies allerdings nicht, dass diese Bewältigung allein in deren Verantwortung liegt. Genauso wenig würde man Beschäftigten mit einer hohen Resilienz eine höhere Arbeitsintensität zumuten wollen.[10] Ebenso wenig sollte die Notwendigkeit resilienten Verhaltens zur Regel werden. Dies deutet vielmehr auf strukturelle Probleme innerhalb der Organisation hin und die organisationalen Rahmenbedingungen sollten einer eingehenden Überprüfung unterzogen werden.[11] Resilienz im Arbeitskontext betrifft gleichermaßen die organisationale Resilienz, die für die Beschäftigten förderliche Arbeitsbedingungen mit einem ausreichenden Handlungs- und Entscheidungsspielraum sicherstellen muss. Damit ist Resilienz im Arbeitskontext in einem ganzheitlichen Sinne zu verstehen, die individuelle wie auch organisationale Aspekte berücksichtigen und aufeinander abstimmen muss.

Kurs „Stark in Alltag und Arbeit“

Die angesprochenen Ansätze zur Resilienz im Arbeitskontext werden im Kurs „Stark in Alltag und Arbeit – Resilienz auf individueller und kollektiver Ebene“ der Virtuellen Hochschule Bayern vertieft und anwendungsnah vorgestellt. Der Kurs behandelt Resilienz auf den Ebenen von Individuen, Teams und Organisationen und vermittelt einen Einblick in zentrale Wirkfaktoren und Ansatzpunkte zur Förderung von Resilienz. Der im Beitrag angesprochene Workshop zur Förderung von Resilienz wird im Kurs detailliert beschrieben. Dieser Kurs ist kostenfrei und Sie können sich unter der folgenden URL anmelden: https://open.vhb.org/blocks/ildmetaselect/detailpage.php?id=116

Literatur

Soucek, R.: Für eine gute Erholungsfähigkeit. In: Weiterbildung – Zeitschrift für Grundlagen, Praxis und Trends, Ausgabe 1/2022, Augsburg.

Soucek, R.; Pauls, N.; Schlett, C.: Resiliente Führung. In: ZFO – Zeitschrift Führung + Organisation, Ausgabe 1/2018, Stuttgart.

Soucek, R.; Pauls, N.; Ziegler, M.; Schlett, C.: Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung resilienten Verhaltens bei der Arbeit. In: Wirtschaftspsychologie, Ausgabe 4/2015, Lengerich.

Soucek, R.; Schlett, C.; Pauls, N.: Stark im Arbeitsleben – Instrumente zur Erfassung und Förderung von Resilienz. In: Heller, J. (Hrsg.): Resilienz für die VUCA-Welt, Wiesbaden 2019, S. 101–113.

Soucek, R.; Schlett, C.; Pauls, N.: Interventionen zur Förderung von Resilienz im Arbeitskontext. In: Michel, A. & Hoppe, A. (Hrsg.): Handbuch Gesundheitsförderung bei der Arbeit, Wiesbaden 2021, S. 1–16.

Soucek, R.; Ziegler, M.; Schlett, C.; Pauls, N.: Resilienz im Arbeitsleben – Eine inhaltliche Differenzierung von Resilienz auf den Ebenen von Individuen, Teams und Organisationen. In: Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), Ausgabe 2/2016, Heidelberg.

Soucek, R.; Ziegler, M.; Schlett, C.; Pauls, N.: Resilienz als individuelle und organisationale Kompetenz: Inhaltliche Erschließung und Förderung der Resilienz von Beschäftigten, Teams und Organisationen. In: Janneck, M.; Hoppe, A. (Hrsg.): Gestaltungskompetenzen für gesundes Arbeiten, Heidelberg 2018, S. 27–37.