Schwerpunkt
Ausgabe 11/2021

Psychische Gesundheit

Schwerpunkt

Psychische Belastung: Zusammenhänge mit Sicherheit und Gesundheit

Key Facts:
  • Mehr als 42 Prozent aller bewilligten Anträge auf Erwerbsminderungsrente entfielen 2019 auf psychische Störungen
  • Psychische Störungen werden in der Regel durch eine Kombination verschiedener Faktoren verursacht
  • Psychische Störungen werden generell nicht als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit von der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt. Eine Ausnahme stellen psychische Störungen infolge traumatischer Erlebnisse bei der Arbeit und psychoreaktive Störungen nach einem Arbeitsunfall mit körperlicher Verletzung dar.

Psychische Belastungen führen im Gegensatz zu physikalischen, chemischen und biologischen Risiken häufig noch ein Schattendasein bei der Beurteilung möglicher Risikofaktoren für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Die Hinweise auf Zusammenhänge mit Sicherheit und Gesundheit führen aber langsam zu einem Umdenken.

Psychische Erkrankungen und Corona

Key Facts:
  • Die psychische Belastung durch die Pandemie war nicht gleich verteilt und hat verschiedene Personen- und Berufsgruppen unterschiedlich stark getroffen
  • An COVID-19 Erkrankte, deren Angehörige, Pflegefachkräfte, bereits psychisch Erkrankte, ältere und pflegebedürftige Personen sowie Kinder und Jugendliche hatten ein besonders hohes Risiko, psychische Beschwerden während der Pandemie zu entwickeln
  • Die Zahl der Anfragen von Patientinnen und Patienten in psychotherapeutischen Praxen ist deutlich gestiegen, weswegen es weitere psychotherapeutische Behandlungskapazitäten braucht

Die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung hatten vielfältige Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Im Beitrag wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf die Entwicklung psychischer Belastungen und Erkrankungen hat und welche Personengruppen in besonderem Maße psychisch belastet sind.

Psychische Belastung und Beanspruchung während der Coronavirus-Pandemie

Key Facts:
  • Laut NAKO-Gesundheitsstudie klagen vor allem junge und mittelalte Menschen über eine Zunahme von Angst- und Depressionssymptomen
  • Während des ersten Lockdowns nahmen sich 31,7 Prozent der Studienteilnehmenden als einsam wahr
  • Die Arbeit im Homeoffice erhöht das Risiko der interessierten Selbstgefährdung

Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen stellen die Gesellschaft vor große Herausforderungen. Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 oder das Risiko, daran zu erkranken, und die tiefgreifenden Maßnahmen zur Eindämmung des Virus haben viele Menschen psychisch sehr gefordert.

Umgang mit psychisch beeinträchtigten Beschäftigten bei der Arbeit

Key Facts:
  • Die Anzahl der Diagnosen psychisch erkrankter Menschen in der Bundesrepublik steigt seit Jahren an – davon betroffen sind auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
  • Es gehört zu den Aufgaben einer Führungskraft, Veränderungen im Leistungs- und Sozialverhalten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wahrzunehmen und entsprechend zu handeln
  • Wichtig ist Rollenklarheit: Eine Führungskraft ist weder für die Diagnostik noch für die Therapie verantwortlich

Die Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten sowie die Aufsichts- und Organisationsverantwortung gehören zu den grundlegenden Aufgaben einer Führungskraft. Besonders wichtig ist es, Veränderungen im Leistungs- und Sozialverhalten zu erkennen, um frühzeitig und zielgerichtet zu handeln.

Psychosozialen Risiken wirksam begegnen mithilfe der Gefährdungsbeurteilung

Key Facts:
  • Knapp die Hälfte der Beschäftigten leidet häufig unter starkem Termin- oder Leistungsdruck, fast ein Viertel fühlt sich von der Arbeitsmenge überfordert
  • Leider wird in der Gefährdungsbeurteilung der Umgang mit psychosozialen Risiken der Arbeit nach wie vor viel zu selten berücksichtigt
  • Fragen zur Vermeidung von Gefährdungen durch psychische Belastung berühren unmittelbar die betriebliche Arbeitszeit- und Leistungspolitik sowie die Personalplanung und -entwicklung

Gefährdungen durch psychische Belastungen etwa infolge zu hoher Arbeitsmengen oder überlanger Arbeitszeiten betreffen Beschäftigte aller Branchen und Betriebsgrößen. Im Interesse des Gesundheitsschutzes sind Betriebe aufgefordert, auch psychosoziale Risiken bei der Arbeit aktiv zu reduzieren. Die Gefährdungsbeurteilung kann hierfür wichtige Hilfestellung bieten.

Vier auf einen Streich: Die neue Beschäftigtenbefragung MOLA der UVB

Key Facts:
  • Die UVB hat eine neue Beschäftigtenbefragung namens MOLA entwickelt, wissenschaftlich geprüft und lizenzfrei veröffentlicht
  • Das neue Instrument ist modular aufgebaut und eignet sich besonders für die Themen Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, Betriebliches Gesundheitsmanagement und Organisationskultur
  • Der Fragebogen wurde in verschiedensten Behörden und Betrieben der Bundesverwaltung erprobt, kann aber genauso in anderen Branchen eingesetzt werden

Beschäftigtenbefragungen können ein ideales Instrument zur Organisationsdiagnostik sein. In der Praxis kommt es aber immer wieder zu Problemen durch selbst gemachte Fragebögen, Urheberrechtsstreitigkeiten oder Befragungsmüdigkeit durch zu viele verschiedene Befragungen. Mit dem MOLA-Fragebogen gibt die Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) hier Unterstützung und Orientierung.

RTW: Psychotherapeutischer Ansatz zur Förderung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit

Key Facts:
  • Die Rückkehr an den Arbeitsplatz kann durch spezielle Psychotherapieprogramme gefördert werden, die sich auch bei längerer Abwesenheit vom Arbeitsplatz aufgrund einer psychischen Erkrankung als wirksam erweisen
  • Das Therapieprogramm „Return-to-work“ ist ein Konzept, das problemlos in konventionelle psychotherapeutische Behandlungen integriert werden kann
  • Eigene Untersuchungen zum „Return-to-work“-Konzept zeigen, dass der überwiegende Teil der behandelten Patientinnen und Patienten eine Arbeit wieder aufnimmt und dass die Akzeptanz auf allen Seiten hoch ist

Langfristige Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen können sich negativ auf die Genesung und Arbeitsfähigkeit auswirken. Bislang ist die strukturierte Wiedereingliederung ins Erwerbsleben jedoch kein etablierter Bestandteil von Psychotherapien. Ein neuer psychotherapeutischer Ansatz zur erfolgreichen Rückkehr an den Arbeitsplatz wird vorgestellt.

Erfolgreiche (Wieder-)Eingliederung durch Individual Placement and Support (IPS)

Key Facts:
  • Individual Placement and Support (IPS) bezeichnet den am besten untersuchten manualisierten Ansatz von Supported Employment zur beruflichen (Wieder-)Eingliederung psychisch erkrankter Menschen
  • IPS basiert auf acht Kernprinzipien, deren Umsetzungsgüte unmittelbar auf den Eingliederungserfolg wirkt
  • IPS funktioniert auch in Deutschland und erbringt ebenso hohe (Wieder-)Eingliederungsraten wie die internationalen Referenzstudien

Individual Placement and Support (IPS) ist ein wirksamer Ansatz zur beruflichen (Wieder-)Eingliederung psychisch erkrankter Menschen. IPS fokussiert den hohen Bedarf eines frühen Beginns der (Wieder-)Eingliederung und einer individualisierten, langfristigen Begleitung am Arbeitsplatz. IPS funktioniert auch in Deutschland und bringt psychisch erkrankte Menschen erfolgreich in Arbeit.

JobPsy – Online-Konfigurator zur Erfassung und Beurteilung psychischer Belastungen

Key Facts:
  • Der Online-Konfigurator JobPsy unterstützt öffentliche Verwaltungen bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
  • JobPsy ermöglicht es den Unternehmen, ihren eigenen passgenauen Fragebogen zu erstellen
  • Die Anwendung entspricht den aktuellen Empfehlungen von GDA und BAuA

Der von der Unfallkasse Mecklenburg-Vorpommern entwickelte und durch die Universität Greifswald (Lehrstuhl Gesundheit und Prävention) wissenschaftlich begleitete Online-Konfigurator JobPsy bietet praktische, leicht zu handhabende Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen.

Forschung & Innovation

Aktuelle Ergebnisse des Risikoobservatoriums der DGUV

Key Facts:
  • In der zweiten Runde des Risikoobservatoriums wurden 37 sogenannte Branchenbilder erstellt, die die wichtigsten Entwicklungen in Bezug auf die zukünftige Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in einer Branche beschreiben
  • Die Unfallversicherungsträger können die Erkenntnisse des Risikoobservatoriums nutzen, um den Einsatz ihrer Präventionsressourcen strategisch zu planen
  • Nicht nur neue Entwicklungen sind relevant in der Arbeits- und Bildungswelt, sondern auch bereits bekannte Risiken verdienen weiterhin die Aufmerksamkeit der Prävention

Proaktive Prävention wird mit den stetigen Veränderungen und dem schnellen Wandel der Arbeits- und Bildungswelt immer wichtiger. Das Risikoobservatorium der DGUV leistet durch die branchenspezifische Analyse neuer und neu aufkommender Entwicklungen in der Arbeits- und Bildungswelt einen Beitrag zur frühzeitigen Identifikation von Präventionsschwerpunkten.

Agenda

Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen – Erfahrungen der freiwilligen Feuerwehren

Key Facts:
  • Die FUK Niedersachsen führte eine Umfrage zum Thema Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte durch
  • Mehr als 2.500 aktive freiwillige Feuerwehrmitglieder wurden gefragt, welche Rolle Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen und tätliche Angriffe spielen
  • Mehr als ein Drittel der Befragten gab an, Erfahrungen mit Gewalt, vor allem mit Beschimpfungen und Beleidigungen, gemacht zu haben