Arbeitsmedizinische Forschung und Beratung in Pandemiezeiten

Die SARS-CoV-2-Pandemie stellt auch Akteurinnen und  Akteure im Bereich Sicherheit und Gesundheit vor große Aufgaben. Hier unterstützt das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) Unfallversicherungsträger, Betriebe und Versicherte mit Forschungsprojekten und gezielter Beratung.

Die Gesellschaft sieht sich durch die SARS-CoV-2-Pandemie mit immensen Herausforderungen konfrontiert – Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sind davon maßgeblich betroffen. Hier haben die Unfallversicherungsträger schnell reagiert, entsprechende Arbeitsschutzstandards, Handlungshilfen, Empfehlungen für den Umgang mit der Pandemie in Betrieben und zum Schutz der Versicherten entwickelt. Auch das IPA hat kurzfristig mit neuen Forschungsprojekten und einer verstärkten Beratungstätigkeit auf das Infektionsgeschehen durch SARS-CoV-2 reagiert. Im Folgenden werden die verschiedenen Aktivitäten vorgestellt.

IPA-Maskenstudie

Das Tragen von Masken ist ein wesentlicher Bestandteil zur Prävention einer Infektion mit SARS-CoV-2. In vielen Bereichen, auch an Arbeitsplätzen und in Bildungseinrichtungen, gilt eine Maskenpflicht. Einige Betroffene klagen über schnellere Ermüdung und eine höhere Beanspruchung durch das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen (MNB), Mund-Nase-Schutz (MNS beziehungsweise OP-Masken) oder FFP2-Masken insbesondere bei körperlich beanspruchenden Tätigkeiten im Vergleich zur Ausübung dieser Tätigkeit ohne Maske.

Im Auftrag der für die Bildungseinrichtungen zuständigen Unfallversicherungsträger bereitet das IPA seit Juli 2020 fortlaufend den Wissensstand zum Infektionsgeschehen in Bildungseinrichtungen auf, um daraus effektive und effiziente Präventionsmaßnahmen ableiten zu können.

Ziel einer im Dezember 2020 im IPA gestarteten Studie ist die Quantifizierung der zusätzlichen Beanspruchung von körperlich arbeitenden Beschäftigten durch das Tragen von Mund-Nase-Bedeckung, Mund-Nase-Schutz (beziehungsweise OP-Masken nach EN 14683) sowie FFP2-Masken nach DIN EN 149 (siehe Abbildung 1). Dazu wird auf einem Fahrradergometer die Belastung von Lunge, Herz und Kreislauf im Vergleich zur Situation ohne Maske untersucht. Durch Fragebögen werden zusätzliche Informationen unter anderem zu Vorerkrankungen erfasst. Die in der Studie verwendeten Masken wurden in enger Abstimmung mit dem Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) ausgewählt und dort geprüft. Die Ergebnisse der IPA-Maskenstudie sollen dazu dienen, mögliche gesundheitliche Risiken und Befindlichkeitsstörungen durch längeres Tragen der Masken bei unterschiedlicher körperlicher Arbeit genau zu erfassen. Basierend auf diesen Ergebnissen können die bisherigen Tragezeitempfehlungen für Masken überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

IPA Maskenstudie | © Bernd Naurath, IPA
Abbildung 1: Die drei gebräuchlichsten Maskentypen v.l.n.r.: Mund-Nase-Schutz (MNS), Mund-Nase-Bedeckung (MNB), Partikelfiltrierende Halbmaske (FFP2) ©Bernd Naurath, IPA

Das Studiendesign sieht vor, dass die Probandinnen und Probanden in einem Bereich von leichter bis schwerer Arbeit untersucht werden. Damit die Ergebnisse der Maskenstudie möglichst gut auf die reale Situation am Arbeitsplatz übertragbar sind, werden je 30 Frauen und 30 Männer im Alter von 18 bis 65 Jahren rekrutiert. Dazu gehören auch Beschäftigte, die rauchen und unsportlich sind sowie leichte Vorerkrankungen haben.

Ziel einer im Dezember 2020 im IPA gestarteten Studie ist die Quantifizierung der zusätzlichen Beanspruchung von körperlich arbeitenden Beschäftigten durch das Tragen von Mund-Nase-Bedeckung, Mund-Nase-Schutz (beziehungsweise OP-Masken nach EN 14683) sowie FFP2-Masken nach DIN EN 149.

Zum Vergleich der verschiedenen Maskentypen wurde vom IPA ein Filteraufnahmesystem entwickelt, das in der Lage ist, die zu testenden Masken mit einer speziellen Atemmaske, die für die Durchführung der Spiroergometrie unerlässlich ist, zu verbinden (siehe Abbildung 2). Hierdurch wird sichergestellt, dass weder Probandinnen und Probanden noch die Versuchsleitung zum Zeitpunkt der Untersuchung wissen, welcher Maskentyp untersucht wird (Doppelblinduntersuchung). Bei allen Versuchsansätzen erfolgt immer eine Kontrollmessung ohne Maske. Die Reihenfolge der Versuchsansätze (Maskentyp beziehungsweise ohne Maske) wird randomisiert, also nach dem Zufallsprinzip ermittelt. Dieses Filtersystem mit der für die Spiroergometrie unerlässlichen speziellen Atemmaske, die an den Rändern dicht abschließt, spiegelt jedoch nicht das Maskentragen im Alltag wider, in dem die Maske eben nicht dicht abschließend anliegt. Daher werden zusätzlich ergometrische Belastungsuntersuchungen (identische leichte bis mittelschwere Belastung auf dem Fahrradergometer) durchgeführt. Hierbei werden die Masken wie im Alltag getragen, um das Vorbeiströmen der Ein- und Ausatemluft an den Seiten der Maske zu berücksichtigen.

IPA Maskenstudie | © Bernd Naurath, IPA
Abbildung 2: Proband auf dem Fahrradergometer mit der speziell entwickelten Atemmaske zur Untersuchung der Belastung von Lunge, Herz und Kreislauf bei unterschiedlichen körperlichen Anstrengungen ©Bernd Naurath, IPA

Ein weiterer Studienabschnitt besteht aus einer jeweils vierstündigen Arbeitsplatzuntersuchung unter vier Bedingungen (keine Maske, MNB, MNS, FFP2) während der normalen Arbeitstätigkeit der Probandinnen und Probanden. Dabei werden der CO2-Gehalt, die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur unter der Maske beziehungsweise ohne Maske unterhalb der Nase gemessen sowie das subjektive Tragegefühl erfragt (siehe Abbildung 3).

IPA Maskenstudie | © Melanie Ulbrich, IPA
Abbildung 3: Untersuchung eines Probanden an seinem Arbeitsplatz unter vier verschiedenen Bedingungen (keine Maske, MNB, MNS, FFP2) ©Melanie Ulbrich, IPA

IPA-Studie zu SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard und psychischer Belastung

Das Risiko, sich mit dem Virus SARS-CoV-2 zu infizieren, ist branchenabhängig sehr unterschiedlich. In Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW), der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) und der Unfallkasse Hessen führt das IPA eine Studie durch, die die Umsetzung der ergriffenen Arbeitsschutzstandards und die Belastung der Beschäftigten während der Pandemie untersucht. Hieraus sollen zukünftige Strategien abgeleitet werden, um das Vorgehen der Unfallversicherungsträger in vergleichbaren Situationen zu verbessern und die entsprechende Beanspruchung der Beschäftigten zu verringern.

In einer Onlinebefragung (Modul I) werden die reale Umsetzung des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards, die durchgeführten Präventionsmaßnahmen und die möglichen langfristigen Konsequenzen der SARS-CoV-2-Pandemie auf Pandemiepläne und Präventionsmaßnahmen in den Betrieben untersucht. Dazu werden Fachkräfte für Arbeitssicherheit aus den Branchen Einzelhandel, Industrie, Finanzwesen, öffentlicher Personennahverkehr und öffentlicher Dienst befragt.

Die nachhaltig aufgebaute wissenschaftliche Expertise des IPA kann zeitnah auch für die Bearbeitung neuer Fragen im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie genutzt werden. Qualitätsgesicherte Erkenntnisse können so schnell, effektiv und effizient für die Praxis zur Verfügung gestellt werden.

In einer weiteren Onlinebefragung (Modul II) wird die Auswirkung der Pandemie auf die psychische Belastung der Beschäftigten untersucht. Beschäftigte in den oben genannten Branchen werden zu Gesundheit, Beruf, Sorgen und psychischer Beanspruchung sowie zu arbeitsbedingtem Stress befragt. Hierzu werden validierte Instrumente (Kurzversion des Effort-Reward-Imbalance-Fragebogens, Module des Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ), Patient Health Questionnaire 4 (PHQ-4)) und eine kürzlich vorgestellte COVID-Stress-Skala eingesetzt. In einer zweiten Befragung nach Ende der Pandemie sollen Langzeitauswirkungen der Pandemie auf die psychische Belastung untersucht werden.

Die Studie begann bereits Anfang Dezember 2020. Das IPA kooperiert dabei mit dem Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG), das die Umsetzung der Onlinebefragung mithilfe des Online-Tools "EvaSys" durchgeführt hat. Bis Ende Januar 2021 nahmen bereits 194 Sicherheitsfachkräfte (Modul I) und 1.080 Beschäftigte (Modul II) an der Umfrage teil. Die Onlineumfragen sind bis Ende März 2021 freigeschaltet, können jedoch bei Bedarf bis Mitte 2021 verlängert werden.

IPA entwickelt Test zur Bestimmung von Antikörpern gegen SARS-CoV-2-Antigene

Um eine akute Coronainfektion nachzuweisen, ist die Diagnostik durch Vervielfältigung der Erbsubstanz des Virus mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) der Goldstandard. Da viele Menschen bei einer SARS-CoV-2-Erkrankung nur schwache oder gar keine klinischen Symptome aufweisen, werden Infektionen häufig nicht erkannt, sodass weitere Personen im beruflichen und privaten Umfeld infiziert werden können. Spezifische Antikörpertests können den Kontakt mit SARS-CoV-2 im Nachhinein nachweisen und somit zur Aufklärung von Infektionsketten beitragen. So lassen sich auch Fragen hinsichtlich einer möglichen Durchseuchung der Bevölkerung oder bestimmter Gruppen beantworten. Außerdem kann der Immunstatus nach erfolgter Impfung erfasst werden. SARS-CoV-2-spezifische Antikörperbestimmungen in den Seren von Beschäftigten können somit ein wichtiges arbeitsmedizinisches Tool werden.

Von den Unfallversicherungsträgern wurden im IPA mit Beginn der Pandemie die Validierung von kommerziellen SARS-CoV-2-Antikörpertestsystemen und der parallele Aufbau von neuen quantitativen Antikörpertests gegen zwei wichtige SARS-CoV-2-Antigene initiiert. Die am IPA aufgebauten Testsysteme sollen zukünftig unter anderem in Studien eingesetzt werden, um bei Personen in sogenannten Risikoberufen und/oder nach überstandener SARS-CoV-2-Erkrankung beziehungsweise nach der Impfung den Verlauf der Antikörperkonzentration in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen. Auf diese Weise können Daten über Dauer und Robustheit der Antikörperantwort gegenüber SARS-CoV-2 gewonnen werden.

Nicht nur durch Studien unterstützt das IPA die Unfallversicherungsträger in der aktuellen Pandemie. Gleichzeitig arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft­ler des IPA in verschiedenen Gremien und Arbeitskreisen mit.

Literaturrecherche zum Infektionsgeschehen in Bildungseinrichtungen

Im Auftrag der für die Bildungseinrichtungen zuständigen Unfallversicherungsträger bereitet das IPA seit Juli 2020 fortlaufend den Wissensstand zum Infektionsgeschehen von SARS-CoV-2 in Bildungseinrichtungen auf, um daraus effektive und effiziente Präventionsmaßnahmen ableiten zu können. Aufgrund der hohen und stetig wachsenden Anzahl von Artikeln liegt das primäre Augenmerk der Recherche auf deutschen Studien und Übersichtsarbeiten.

Im Fokus stehen folgende Fragestellungen:

  • Gibt es Unterschiede im Infektionsgeschehen im Vergleich von Kitas und Schulen und in der Gesamtbevölkerung?
  • Sind jüngere Kinder weniger stark von SARS-CoV-2 betroffen als ältere Kinder und Jugendliche?
  • Bestehen erhöhte Infektionsrisiken beim Betreuungspersonal, Lehrkräften beziehungsweise Eltern?

Über die Ergebnisse berichtet das IPA regelmäßig der AG Bildungswelt des GUV-Steuerkreises "Prävention von SARS-CoV-2".

Beratung von Gremien der Unfallversicherungsträger

Nicht nur durch Studien unterstützt das IPA die Unfallversicherungsträger in der aktuellen Pandemie. Gleichzeitig arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IPA in verschiedenen Gremien und Arbeitskreisen mit und bringen hier ihre Expertise ein. Dazu gehören der Koordinierungskreis für Biologische Arbeitsstoffe (KOBAS), der neu gegründete GUV-Steuerkreis "Prävention von SARS-CoV-2", die AG "Arbeitswelt", die AG "Bildungswelt" und die Unterarbeitsgruppe "Impfzentren und mobile Impfdienste". Die Beratungstätigkeit umfasst die Beantwortung von häufigen Fragen (FAQs) zu SARS-CoV-2, die Mitwirkung bei Stellungnahmen und die Erstellung von Informationsmaterialien sowie die Beurteilung von epidemiologischen Studien, um nur einige Beispiele zu nennen.

Fazit

In Zeiten der Pandemie ist das IPA ein verlässlicher Partner für die gesetzliche Unfallversicherung. Die nachhaltig aufgebaute wissenschaftliche Expertise des IPA kann zeitnah auch für die Bearbeitung der neuen Fragestellungen im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie genutzt werden. Qualitätsgesicherte Erkenntnisse können so schnell, effektiv und effizient für die Praxis zur Verfügung gestellt werden.